Nur die Poser nerven

IN-City-Chef Thomas Deiser will Autos nicht aus der Innenstadt aussperren und lieber Alternativen stärken

15.09.2020 | Stand 15.09.2020, 8:01 Uhr
Auto −Foto: Hauser

IN-City-Chef Thomas Deiser will Autos nicht aus der Innenstadt aussperren und lieber Alternativen stärken

Mit seiner Forderung, dem "Auto auch öffentliche Räume zu entreißen" und so einen Schritt in Richtung verkehrsberuhigter Innenstädte zu gehen, hat Helmut Dedy, der Geschäftsführer des Deutschen Städtetags, unlängst völlig konträre Reaktionen hervorgerufen.

Die einen - allen voran der ADAC und die FDP - verstehen Aussagen Dedys wie "Unsere Städte sind keine Parkplätze, Städte sind Orte zum Leben", als eine Kampfansage. Innenstadt-Einzelhändler sehen sich vielerorts in ihrer Existenz bedroht, während Umweltschützer, Fahrradverbände und Stadtbewohner schon von der "autofreien Innenstadt" träumen.

Thomas Deiser, der Vorsitzende des Ingolstädter Innenstadthändlervereins IN-City, rät zu einer differenzierten Betrachtung. "Wenn ich während meiner Tätigkeit eines gelernt habe, dann das: Man kann Innenstädte nicht miteinander vergleichen. " Deiser verweist nach Augsburg. Dort wohnen etwas mehr als doppelt so viele Menschen wie in Ingolstadt. "Die Augsburger Innenstadt ist aber neun Mal so groß wie die Ingolstädter. " Große Unterschiede gibt es auch in den Bevölkerungsstrukturen. In Regensburg wohnen nur wenige Menschen mehr als in Ingolstadt, der Anteil der Studierenden ist aber viermal so hoch; in Regensburg gibt es rund 33 000 Studentinnen und Studenten.

Entsprechend könne die Losung nicht einfach heißen: "Autos raus aus allen Innenstädten. " Deiser verweist auf den Platz vor der Hohen Schule. Zweifellos einer der schönsten der Stadt. "Den haben wir vor einigen Jahren komplett autofrei gemacht - dort herrscht jetzt tote Hose. " Ähnliches würde passieren, würden Autos etwa von der Schleifmühle oder dem Holzmarkt verbannt werden, vermutet er. "Es bringt nichts, die Autos einfach nur auszusperren. " Ein Grund sei die Gewohnheit vieler Innenstadtbesucher. "Der Kunde lässt sich nicht erziehen", betont Deiser. "Wenn vor einem Geschäft der Parkplatz wegfällt, kommt er das nächste Mal nicht mit dem Fahrrad, sondern er fährt mit seinem Auto gleich woanders hin. " Deswegen seien etliche Geschäfte in der Innenstadt existenziell von den Stellplätzen abhängig. Freilich nicht in der Fußgängerzone. Dort hätten sich Läden etabliert, die nicht auf Parkplätze angewiesen sind. "Die erwartet dort auch niemand. Aber in der Schrannenstraße oder in der Milchstraße könnten etliche Läden sofort schließen, wenn man sie nicht mehr mit Autos anfahren dürfte", ist Deiser überzeugt. Dazu seien auch die Geschäfte in der Fußgängerzone auf Lieferungen per Lastwagen angewiesen.

Grundsätzlich habe die Ingolstädter Innenstadt kein Verkehrsproblem, ist Deiser überzeugt. "Der Stau ist auf der Ringstraße und nicht in der Altstadt. " Auch Parkplätze seien genug vorhanden. "Wer einen will, bekommt auch einen. " Allerdings findet auch der IN-City-Chef, dass das Auto in der Altstadt gerne an Bedeutung verlieren darf. "Es geht aber darum, alternative Angebote zu schaffen, nicht darum, auszusperren. " Und das geschehe ja bereits. Deiser verweist auf das Park-and-Ride-Ticket, mit dem jeder, der sein Auto außerhalb der Innenstadt parkt, kostenlos per Bus in die Altstadt chauffiert wird. Auch das Gratis-Parken am Samstag auf dem Festplatz, in der Tilly-Garage und am Nordbahnhof gehöre dazu - auch wenn Deiser dieses Angebot lieber unter der Woche nachmittags sähe.

Verbesserungsbedarf erkennt er bei der Situation für Radfahrer. Unter anderem gebe es in der Stadt viel zu wenig sichere Abstellflächen. "Dafür könnten für mich gerne auch ein paar Autoparkplätze wegfallen. Zumindest im Sommer. "

Einige Autofahrer würde Deiser allerdings tatsächlich rigoros aussperren. Seit Jahren setzt er sich dafür ein, dass Autos, "die nicht in die Stadt müssen, auch nicht in die Stadt kommen". Deiser meint jene Angeber, die am Wochenende laut und schnell ziellos durch die Innenstadt fahren. "Wir haben ein Problem mit zu vielen Posern und Rasern, nicht mit zu vielen Autos", so sein Fazit. Dass das nächtliche Durchfahrverbot am Kreuztor mittlerweile immer wieder kontrolliert werde und seit dem vergangenem Jahr der Verkehr abends auch in der Kreuzstraße und der Griesmühlstraße nur für Anlieger freigegeben ist, sei ein erster wichtiger Schritt. "Ich habe mit der Polizei und Anwohnern gesprochen. Das Verbot zeigt offenbar Wirkung", freut sich Deiser. Entscheidend sei freilich eine konsequente Kontrolle. Auf Vernunft allein dürfe man bei Autofahrern nicht hoffen. Das gelte selbst beim ruhenden Verkehr: "Stellen Sie sich vor, es gäbe den kommunalen Verkehrsüberwachungsdienst nicht - wir hätten Chaos und Anarchie in der Innenstadt. "

Von Johannes Hauser