Geöffnet - doch keiner weiß es

Körperferne Dienstleistungsbetriebe dürfen inzidenzunabhängig arbeiten

04.05.2021 | Stand 04.05.2021, 12:48 Uhr
Pitzl
Handwerksbetriebe und körperferne Dienstleistungsbetriebe dürfen öffnen. Und das schon seit fast einer Woche. "Aber es hat keiner mitbekommen", sagt Goldschmiedin Inge Pitzl −Foto: Schwarz

Körperferne Dienstleistungsbetriebe dürfen inzidenzunabhängig arbeiten

Von Ruth Stückle

Seit Kurzem darf Inge Pitzl ihr Goldschmiedegeschäft in der Innenstadt öffnen. Ohne Test und ohne Inzidenzeinschränkung, aber natürlich unter Einhaltung der geltenden Hygieneregeln. „Das hat kaum jemand mitbekommen“, sagt die Goldschmiedemeisterin. Vergangene Woche hatte das bayerische Kabinett unter anderem beschlossen, dass Ladengeschäfte der körperfernen Dienstleistungsbetriebe und der Handwerksbetriebe inzidenzunabhängig aufmachen dürfen – also oberhalb wie unterhalb einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100. Weil Pitzl ein solcher Betrieb ist, dürfen Schmuckstücke, die in dem Betrieb hergestellt wurden, auch ganz normal verkauft werden. „Die Kunden dürfen in den Laden rein, Schmuckstücke ansehen oder Anfertigungen in Auftrag geben.“

Inzidenz hier, Test dort. Was gilt heute? Was morgen? Und was gilt künftig für Geimpfte oder für nicht Geimpfte? Der unübersichtliche Wirrwarr an Verordnungen ist mit der Bundesnotbremse nicht geringer geworden. Was für die Goldschmiede von Inge Pitzl gilt, gilt auch für Schneidereien oder Schuhmacher, die selbst Schuhe fertigen und reparieren, ebenso für Fotostudios – auch sie gehören zu den „körperfernen Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe“. Der Unterschied zum normalen Einzelhandel: Inzidenzabhängige Regeln wie „Click and Collect“, Click and Meet“ oder Letztgenanntes mit Coronatest gelten für Handwerksbetriebe mit Ladengeschäften nicht.

Auch Gartenmärkte, Blumenfachgeschäfte und Buchhandlungen dürfen in gleicher Weise inzidenzunabhängig unter den für Ladengeschäfte geltenden allgemeinen Maßgaben öffnen. Die sogenannte „Positiv-Liste“ des bayerischen Gesundheitsministeriums, in der alle Geschäfte aufgeführt sind, die auch im Lockdown inzidenzunabhängig öffnen dürfen, umfasst mehrere Seiten. Darin enthalten sind neben den allseits bekannten Lebensmittelmärkten, Bäckereien, Metzgereien, Drogeriemärkten und Apotheken auch Babyfachmärkte. Auch Hundesalons dürfen weitgehend uneingeschränkt betrieben werden. Und – im Gegensatz zu den Hotels für Zweibeiner – haben Pensionen für unsere Vierbeiner geöffnet. Zurück zu den Zweibeinern: Medizinische Fußpflege ist erlaubt – gegenwärtig als einzige der „körpernahen Dienstleistungen“. Kosmetik- und Nagelstudios haben geschlossen. Und der Friseurbesuch ist nur mit negativem Coronatest erlaubt. Auch Autokinos gehören seit vergangener Woche zum inzidenzunabhängigen Gewerbe – mit Infektionsschutzkonzept des Betreibers und FFP2-Maskenpflicht für die Besucher außerhalb von Kraftfahrzeugen. In einer Art Autokino hat die CSU am Wochenende Reinhard Brandl erneut zu ihrem Bundestagskandidaten nominiert.

Auch die Außenbereiche zoologischer und botanischer Gärten dürfen oberhalb einer Inzidenz von 100 unter Voraussetzungen öffnen. Neben einem Schutz- und Hygienekonzept der Einrichtung benötigen Besucher einen höchstens 24 Stunden alten Test für alle Besucher ab 6 Jahren, ferner gilt FFP2-Maskenpflicht und die Kontaktdaten müssen hinterlassen werden. Der Ingolstädter Zoo Wasserstern dürfte damit theoretisch seinen Außenbereich öffnen. Dass er dennoch geschlossen hat, dürfte an den mit der Öffnung verbundenen Auflagen liegen, wie Thomas Buchhold vom Rechtsamt der Stadt Ingolstadt vermutet. Eine Öffnung nur des Außenbereichs würde sich wohl nicht rechnen. Beim Zoo selbst war am Montag niemand für eine Auskunft erreichbar.

Auch im Freizeitsport hat sich vergangene Woche in Bayern etwas geändert: Oberhalb einer Inzidenz von 100 dürfen Kinder unter 14 in Gruppen von höchstens fünf Kindern kontaktlos Sport im Freien ausüben. Anleitungspersonen dürfen teilnehmen, aber nur, wenn sie ein höchstens 24 Stunden altes negatives Testergebnis nachweisen können.

Für den herkömmlichen Einzelhandel gilt nach wie vor: Die Geschäfte dürfen ihre Ware ab einer Inzidenz von über 150 nur über das sogenannte Click and Collect verkaufen. Anders als früher gilt dies auch für Baumärkte. Der Laden darf zum Abholen nicht betreten werden. Bei einer Inzidenz von 100 bis 150 kann mit Termin und gültigem, negativen Coronatest eingekauft werden, zwischen 50 und 100 ist Einkaufen mit Terminbuchung (Click and Meet) ohne Test erlaubt. Sinkt die Inzidenz unter 50, dürfen die Läden unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen öffnen. Allerdings geht eine Verschärfung schneller als eine Lockerung: Während für Verschärfungen der Regeln eine Überschreitung des Schwellenwerts um drei Tage gilt, damit diese zwei Tage später in Kraft treten können, müssen die Inzidenzen, um Lockerungen zu erzielen, fünf plus zwei Tage unter dem Wert sein.