Stadler-Verteidigung unzufrieden: Beweiserhebung "ungeeignet"

03.03.2021 | Stand 03.03.2021, 21:51 Uhr
Rupert Stadler, Ex-Chef der Audi AG (Foto: Richter) −Foto: Richter Horst, Ingolstadt (hri)

Verteidigung von Ex-Audi-Chef Rupert Stadler moniert in Diesel-Prozess Formulierungen des Gerichts

(ty) Nicht weniger als 181 Verhandlungstage hat das Gericht im Münchner Audi-Prozess um den Dieselbetrug angesetzt. Auftakt war im September, das Urteil steht laut Terminplan am 20. Dezember 2022 an. Und trotzdem scheint die großzügig bemessene Zeit nicht auszureichen, um alle Details im Saal vorzutragen. Vorsitzender Richter Stefan Weickert hat jedenfalls per Verfügung erklärt, annähernd 500 Dokumente im Selbstleseverfahren einbringen zu wollen.

Die Verteidigung von Ex-Audi-Chef Rupert Stadler, dem prominentesten von vier Angeklagten in diesem Betrugsverfahren, hat Widerspruch dagegen eingelegt. Sie bezeichnete diese Form der Beweiserhebung am Mittwoch als "ungeeignet". Rechtsanwältin Ulrike Thole erklärte ihren Vorstoß als Vertreterin Stadlers damit, dass die 485 zur Debatte stehenden Dokumente für ein Selbstleseverfahren teilweise zu komplex seien. Außerdem würden einige Papiere auf für Selbstleser nicht zugängliche Bilder, Grafiken oder andere Dinge verweisen, weshalb Thole und ihr Kollege Thilo Pfordte dieses Vorgehen ablehnen. Die Verteidigung zweier Mitangeklagter - des ehemaligen Porsche-Technik-Vorstands und Ex-Audi-Motorenchefs Wolfgang Hatz sowie des früheren Entwicklers Henning L. - schloss sich dem Widerspruch an.

Das Gericht verwies in seiner Erwiderung indes auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach "das Selbstleseverfahren gleichwertig mit einer Verlesung ist" - eine Antwort, die Rupert Stadlers Verteidigung sichtlich unzufrieden zurückließ. In einem anderen Punkt lenkte die Strafkammer jedoch ein. Es geht um einen Vorwurf aus der Anklage, wonach der ebenfalls angeklagte frühere Entwickler Giovanni P. bei einem USA-Aufenthalt auf Geheiß von Rupert Stadler daran gehindert worden sein soll, die dortigen Behörden mit einer Powerpoint-Präsentation über den Dieselbetrug aufzuklären. Das Gericht hatte eines der selbst zu lesenden Dokumente "Präsentation nach Anpassungen von Prof. Stadler" benannt.

Dabei hatte der bisherige Prozessverlauf nicht den geringsten Hinweis darauf ergeben, dass der Ex-Audi-Chef die Aufklärung des Dieselbetrugs tatsächlich behindert hat. Stadler hatte von einer "Legende" des Italieners gesprochen. Seine Verteidigung sieht diesen Punkt der Anklage als widerlegt an - auch durch weitere Zeugenaussagen in dieser Woche. Vorsitzender Richter Weickert beeilte sich dann auch, die monierte Formulierung zu revidieren. Er war am 9. Dezember schon einmal mit einer flapsigen Bemerkung angeeckt, die sich als vorgefertigte Meinung deuten lässt. Während einer Einlassung von Wolfgang Hatz zur Abgasthematik und dem Hinweis, dass Audi-Diesel sich mit leerem Adblue-Tank nicht mehr starten lassen, hatte Weickert süffisant gefragt, ob es sich dabei - in Anlehnung an den bekannten Werbeslogan - um "Vorsprung durch Technik" handele. Stadler hatte später zu verstehen gegeben, es habe ihn "getroffen", Audi auf solche Sprüche beschränkt sehen.

Die Verhandlungstage 31 und 32 waren am Dienstag und Mittwoch weitgehend von Zeugenaussagen bestimmt. Unter dem Strich verfestigten sie bereits Gehörtes, brachten aber auch Neues - etwa den Hinweis auf einen Audi-Hauptabteilungsleiter, der nach Bekanntwerden des Diesel-Skandals angeordnet haben soll, Akten in den Reißwolf zu stecken und Festplatten zu löschen. Was da genau vernichtet worden war, blieb ungeklärt. Rechtlich überaus zweifelhaft erscheint zudem, was ein früher in dieser Sache tätiger Staatsanwalt auf Nachfrage von Hatz-Anwalt Gerson Trüg einräumte. Obwohl der 35-Jährige inzwischen gar nicht mehr der Ermittlungsbehörde angehört, hatte er von dort Vernehmungsprotokolle erhalten, um sich auf seine Zeugenrolle vorzubereiten.

Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Technikern unter den Angeklagten vor, die Software von Diesel-Motoren manipuliert beziehungsweise - im Fall Wolfgang Hatz - das veranlasst zu haben. Die Steuerung der Abgasminderung auf dem Rollenprüfstand habe damit anders funktioniert als auf der Straße. Rupert Stadler soll solche Autos noch verkauft haben, als der Betrug bereits bekannt war. Wie Hatz bestreitet er alle Vorwürfe. Die Verhandlung geht am 23. März weiter.

Horst Richter