Showdown im Stadtrat

Bürgermeisterwahlen könnten trotz Absprachen spannend werden - Auch Stachel (FW) will kandidieren

07.05.2020 | Stand 07.05.2020, 8:17 Uhr
Rat3 −Foto: Schmatloch

Bürgermeisterwahlen könnten trotz Absprachen spannend werden - Auch Stachel (FW) will kandidieren

Es ist die Stunde der Strategen. Und solcher, die es werden wollen. Die Gefechtslage stellt sich indes etwas unübersichtlich dar. Am heutigen Donnerstag wählt der Stadtrat aus seinen Reihen den zweiten und dritten Bürgermeister der Stadt Ingolstadt, so die amtlich-neutrale Bezeichnung des Vorgangs. Vielleicht träfe die konsequent weibliche Form besser zu, denn es spricht einiges dafür, dass zwei Frauen ins Rathaus einziehen: Dorothea Deneke-Stoll (CSU) als zweite Bürgermeisterin und erste Stellvertreterin von OB Christian Scharpf (SPD), und Petra Kleine (Grüne) als dritte Bürgermeisterin. So haben es die drei größten Fraktionen CSU, SPD und Grüne vereinbart - mit dem festen Versprechen, die Sache genauso durchzuziehen.

Ob sie damit Erfolg haben, ist trotz der Absprache aber keinesfalls ausgemacht. Denn jetzt kommen die Strategen ins Spiel. Auch BGI-Chef Christian Lange will zweiter Bürgermeister werden. Er sammelt seit Tagen fleißig Verbündete. "Das ist Demokratie", sagt er. Die BGI trete für einen konsequenten Machtwechsel (ohne CSU) ein, dafür sei seine Kandidatur ein deutliches Zeichen. Sollte Lange mit einem guten Ergebnis der CSU-Kandidatin unterliegen, will er bei der Wahl des dritten Bürgermeisters gegen Kleine antreten. "Ja, das mache ich", bestätigt er. "Das ist mir von mehreren Seiten vorgeschlagen worden. Warum eigentlich nicht? "

Hans Stachel, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler und Sprecher der neuen Ausschussgemeinschaft von FW, FDP und JU, steigt ebenfalls in den Ring. Er will dritter Bürgermeister werden. Obwohl die FW am Montag noch dagegen gestimmt haben, dieses Amt überhaupt hauptamtlich zu besetzen, nicht mehr ehrenamtlich. Sollte er gewählt werden, sehe er sich "nicht in erster Linie als Verwaltungsbürgermeister", teilt er in einer Erklärung mit. "Ich verstehe meine Aufgabe als dritter Bürgermeister vielmehr als Mittler zwischen Bürgern, Stadtrat und Verwaltung. " Seine Wahl sei "auch ein positives Signal an den Ingolstädter Mittelstand", so der Firmeninhaber, "weil mit ihm ein Selbstständiger in der Stadtspitze vertreten wäre". Dann allerdings nicht mehr selbstständig, sondern als hauptamtlicher Beamter auf Zeit.

Strategen wie Lange und Stachel können getrost mit einkalkulieren, dass im Scharpfschen Zweckbündnis von CSU, SPD und Grünen für die Wahlen der Bürgermeister nicht alle Seit an Seit stehen. In der Fraktion der Grünen, hört man, gebe es mindestens ein Mitglied, das partout nicht für CSU-Kandidatin Deneke-Stoll stimmen wolle. Und sollten auf der Gegenseite wirklich alle 13 CSU-Ratsmitglieder ausgerechnet Petra Kleine wählen, ihre ehemalige Dauerwidersacherin, wäre das eine gelungene Überraschung.

Das Gleiche gilt für die SPD. Es ist die Frage, ob bei den Genossen jeder für eine CSU-Kandidatin stimmt oder bei manchen die traditionelle Abneigung gegen "die Schwarzen" überwiegt, wie schon zu hören ist. Die ausgeprägten Revanchegelüste oppositionsfrustrierter Sozialdemokraten haben Scharpfs Gespräche mit den langjährigen Gegnern anfangs sehr erschwert.

Die Stimmung ist nervös. Der Ton vieler Akteure gereizt. Als müssten sie jetzt in eine große Entscheidungsschlacht reiten. Western-Fans würden sagen: Showdown im Stadtrat. CSU, SPD und Grüne kommen - zumindest streng mathematisch - im 50 Mitglieder zählenden Stadtrat auf 31 Stimmen (die des SPD-Oberbürgermeisters mitgerechnet). Christoph Spaeth, neuer Grünen-Stadtrat, wird noch fehlen. Macht also 30 Stimmen. Eine komfortable Mehrheit, wenn denn alle treu bleiben. Scharpf betont, dass die von ihm angestrebte Ämterverteilung im Rathaus rein an der Größe der Fraktionen orientiert sei und kein auf Dauer angelegtes Bündnis bedeute. In seinen Reihen mag man sich das Desaster gar nicht ausmalen, das losbricht, wenn zum Beispiel Kandidatin Kleine auf dem Feld der Demokratie gewitzten Strategen zum Opfer fiele. Ihren Gegnern würde das sehr gefallen.

Es formieren sich immer größere Ausschussgemeinschaften - zwar nur Zweckbündnisse, um bei der ebenfalls an diesem Donnerstag anstehenden Verteilung an mehr Sitze in Stadtratsgremien zu kommen, aber mit erkennbarer Tendenz zur Argumentationsgemeinschaft. FDP und JU haben sich mit der FW-Fraktion verbündet. Macht acht Räte. Sie besetzen schon eine gemeinsame Position: OB Scharpf schaffe zu viele teure Posten. - Wobei der hauptamtliche dritte Bürgermeister bereits von CSU-OB Christian Lösel mehrfach ins Spiel gebracht worden war.

Die Ausschussgemeinschaften BGI/UDI und ÖDP/Linke bilden seit Mittwoch ebenfalls eine große Gemeinschaft, um auch Sitze in kleineren Stadtratsgremien (mit sieben Mitgliedern und weniger) abzubekommen - was mit dem Achterbündnis gelingt. "Es ist wichtig, dass wir auch in den kleineren Gremien breit vertreten sind", sagt Lange.

Und dann ist da noch die Sache mit Manfred Schuhmanns Rede am Montag als Alterspräsident des Stadtrats. In der CSU nimmt man es dem SPD-Veteranen übel, dass er als Mahnung an das neue Gremium ein letztes Mal alte Konflikte aufgezählt hat (eine Art "Best of Deppenhaufen"). Schuhmann erwidert: Er habe sich am Ende doch versöhnlich geäußert! Der (vor den Wahlen) "vorbildlich" reihum geäußerte Wille zum Miteinander im Stadtrat "gibt Anlass zur Hoffnung, dass er die wohl größten Herausforderungen seiner Geschichte erfolgreich bestehen kann". Die Bürgermeisterwahlen meint er damit nicht.

Die Wahl ist geheim. Zuerst wird ein Wahlausschuss gebildet. Dann werden die Kandidaten per Wortmeldung vorgeschlagen. Sie müssen also nicht schon vorher offiziell als Bewerber nominiert sein. Der Wahlleiter ruft die Mitglieder des Stadtrats in alphabetischer Reihenfolge auf. Sie gehen zur Urne und werfen ihre Stimme ein. Dann wird ausgezählt. Zweiter und dritter Bürgermeister - beide hauptamtlich - werden separat gewählt.

Zweiter und dritter Bürgermeister bleiben Mitglied ihrer Fraktion oder Stadtratsgruppe, sie sitzen im Plenum nur woanders (auf der Regierungsbank), es rückt also niemand nach. Beim Oberbürgermeister ist das anders: Er führt die Stadtratsliste seiner Partei an, wird aber Kraft der Direktwahl zum OB kein Fraktionsmitglied. Für Christian Scharpf rückte von der SPD-Liste Quirin Witty nach.

Von Christian Silvester