OB Scharpf: "Panik hilft uns nicht weiter"

26.10.2020 | Stand 26.10.2020, 11:50 Uhr
Scharpf und Brandl
Die Lage ist ernst: OB Christian Scharpf (SPD, l.) und der Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl (CSU) am Montagvormittag beim Gespräch mit dem DK im Büro des Oberbürgermeisters. Scharpf - jetzt aus der Quarantäne zurück - ruft zu Besonnenheit auf. "Panik hilft uns nicht weiter!" Brandl fordert sofortige weitere Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie. Bei der Frage nach Gottesdiensten an Weihnachten gehen die Ansichten der beiden Politiker auseinander. Brandl kann sie sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorstellen, Scharpf dagegen schon. −Foto: Brandl

(ty) Der Ingolstädter Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl (CSU) bezeichnet die Virus-Situation als dramatisch und fordert unverzügliches Handeln.

"Ich bin in großer Sorge. Jetzt sind die entscheidenden Wochen, wir dürfen keine Zeit verlieren. " Andernfalls würden die dann nötigen Einschränkungen noch härter ausfallen, sagte Brandl am Montag in einem Interview, das er gemeinsam mit dem Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) unserer Zeitung gab. Scharpf ist zurück aus der Corona-Quarantäne und nahm am Montag wieder die Amtsgeschäfte auf.

Vor zwei Wochen sei der Bundeskanzlerin noch Panikmache vorgeworfen worden, als sie bis Weihnachten 19.000 Neuinfektionen prognostizierte - pro Tag, sagte Brandl. Doch so, wie sich die Pandemie jetzt entwickle, werde in der Bundesrepublik dieser Wert schon viel früher erreicht. Er persönlich könne sich "zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gottesdienste an Weihnachten vorstellen", sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete. Er hoffe, dass es anders komme, sei aber pessimistisch. Auch die Verlängerung der Sperrzeiten in den Lokalen (in Ingolstadt seit Montag ab 21 Uhr) hält Brandl für eine richtige Maßnahme.

OB Scharpf sieht das etwas anders. Das schrittweise Vorverlegen der Sperrstunde "verstehe ich nicht mehr", sagte er, und das sei auch dem Bürger schwer zu vermitteln. Scharpf erklärte, dass die Stadt Ingolstadt die Infektionschutzmaßnahmen mit aller Konsequenz weiter durchzusetzen werde. Er rät den Bürgern, in der Innenstadt durchgehend eine Atemschutzmaske zu tragen, obwohl sie es in Nebenstraßen und Gassen nicht müssen. Gottesdienste an Weihnachten könne er sich sehr wohl vorstellen, so der OB. Scharpf, der mit seiner Familie die Messen im Liebfrauenmünster besucht, erinnert an die strengen Hygieneregeln, die dort und in allen anderen Kirchen gelten. Dank dieser Maßnahmen könne man Gottesdienste auch an Weihnachten verantworten.

Der OB ruft zu Besonnenheit auf: "Ruhig bleiben! Panik hilft uns nicht weiter. " Einen Lockdown in Wirtschaft, Schulen und Kulturleben gelte es unbedingt zu vermeiden. Die Bundesrepublik könne sich ein weiteres Konjunkturpaket im dreistelligen Milliardenbereich zudem schlicht nicht mehr leisten. "Das Leben muss weitergehen, auch in der Pandemie", sagte Scharpf. Er befürchtet, dass bei einem erneuten weitgehenden Herunterfahren des öffentlichen Lebens "auch in der Kultur viel kaputt geht". Er beneide niemanden, "der das auf Bundes- und Landesebene entscheiden muss".

Der OB spricht sich dafür aus, den Fokus zu erweitern: "Wir dürfen nicht immer nur auf die Infektionszahlen schauen, sondern müssen mehr die Zahl der tatsächlich Erkrankten sowie die Belegung der Krankenhausbetten in den Blick nehmen. "

Scharpf kritisierte in diesem Zusammenhang die so genannte Corona-Ampel der Bayerischen Staatsregierung: "Jetzt hat man bei einer Inzidenz ab 100 die Farbe Dunkelrot eingeführt. Aber was kommt dann? Was machen wir bei 200? Was bei 400? " Der OB fordert mehr Einheitlichkeit in der Pandemiebkämpfung auf Bundesebene. Ein "Flickenteppich" helfe nicht weiter.

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