Totgesagte leben länger
Mufflonbestand rund um Köschinger Forst trotz behördlich verfügter Totalausrottung fast unverändert

12.02.2022 | Stand 12.02.2022, 12:43 Uhr

Eine Wildkamera fing dieses Bild von Mufflons bei Kösching ein – trotz eines Abschussplans hält sich ihre Zahl konstant. Foto: privat

Von Horst Richter

Kösching – Die Ausrottung einer kleinen Mufflonherde in den Wäldern rund um Kösching (Kreis Eichstätt) ist seit Herbst 2016 beschlossene Sache. Damals hatten die Regierung von Oberbayern sowie Landwirtschafts- und Umweltministerium dem Druck von Forstleuten und Waldbesitzern nachgegeben und den Totalabschuss des völlig gesunden Bestandes verfügt.

Kurz darauf standen die Abschusspläne. In der Bevölkerung gab es wenig Verständnis für diese Willkür, die Empörung war groß. Eine Online-Petition gegen den Abschuss der Tiere lief jedoch letztlich ins Leere.

Abschusszahlen liegenunter dem Vorgabeplan

Gut fünf Jahre später hat sich die Zahl der Wildschafe aber nicht reduziert – ihre Ausrottung lässt sich in der Praxis zum Glück für die Mufflons eben doch nicht so umsetzen, wie es in den Amtsstuben auf Papier verfügt worden ist.

Der behördlich angeordnete Tod der Tiere sollte über die Jahre nach und nach umgesetzt werden. Ursprünglich ging man von 18 Mufflons aus, deren Zahl später auf etwa 30 stieg. Zur Umsetzung der Ausrottung hatten die betroffenen Reviere „einen Gesamtabschuss von zehn Tieren pro Saison zugesprochen bekommen“, teilte das Landratsamt Eichstätt auf Anfrage mit. Im Jagdjahr 2020/21 waren nach den Aufzeichnungen der Unteren Jagdbehörde aber nur fünf Mufflons „entnommen“ worden: Drei wurden erlegt, zwei gelten als Fallwild – so bezeichnen Jäger es, wenn Tiere etwa durch Unfälle ums Leben kommen. Für die aktuelle, im März endende Saison sind sechs Abschüsse gemeldet. Die Verluste dürften vermutlich durch weiteren Nachwuchs mehr als ausgeglichen worden sein.

Die Zahl erlegter Tiere liegt also weit unter der Vorgabe, obwohl angeblich sogar die Schonzeiten teilweise aufgehoben waren. Woran das liegt, will keiner der Befragten offen sagen – zu lange hatte der Streit um die Mufflons Waldbauern und Jäger im Landkreis entzweit. Nach inoffiziellen Informationen soll unter anderem falsche Bejagung die Ursache sein. „Da sind Mufflons mit Futter angelockt worden, dann ist einfach in die Gruppe reingeschossen worden“, sagt einer, der die Szene sehr genau kennt.

Das habe die Wildschafe scheu gemacht, sie würden auf solche Vorgänge sehr empfindlich reagieren. „Die Herde hat sich aufgesplittert und ist jetzt in drei, vier oder fünf kleineren Gruppen unterwegs“, sagte unsere Quelle. Dorthin, wo einmal auf sie geschossen worden ist, würden die Tiere nicht mehr zurückkehren. Sie sollen sich jetzt in einem größeren Umfeld auf mehr als 6000 Hektar Fläche bewegen und seien nur noch schwer zu bejagen. Ihre Zahl soll weiter um die 30 betragen und hat sich nicht wirklich reduziert. Das mag Waldbesitzer ärgern, doch Naturschützer freuen sich.

In Bayern gilt weiterdie Doktrin „Wald vor Wild“

Ob die Wildschafe trotz der geplanten Ausrottung dauerhaft im Umfeld des Köschinger Forstes überleben, bleibt abzuwarten. Im Dezember 2014 hatte unsere Zeitung das „Hexentreiben auf die Mufflons“ – so bezeichnete ein Jäger den Totalabschuss – öffentlich gemacht. Nach der in Bayern geltenden Doktrin „Wald vor Wild“ sollte die völlig gesunde Herde „vorsorglich“ getötet werden, weil Waldbauern Verbissschäden erwarteten – obwohl bis dahin kein einziger Fall in diesem Gebiet bekannt war.

Die Tiere waren ab etwa 2008 östlich der Autobahn zwischen Kösching, Bettbrunn, Oberdolling und Offendorf aufgetaucht. Aus zunächst einem Paar hatte sich eine 18-köpfige Herde entwickelt. Die Hochwildhegegemeinschaft Kösching wollte die Wildschafe in kontrolliertem Rahmen erhalten. Ihr Antrag blieb jedoch ungenehmigt – die Mufflons sollten für die Belange der Forstwirtschaft sterben.

Eine Welle der Empörung in der Bevölkerung folgte der Berichterstattung. Die Behörden nahmen die Abschussverfügung vorerst zurück. Schließlich gab es Belege dafür, dass Mufflons schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg in dieser Gegend heimisch waren. Es folgte eine teils groteske Debatte und fast zweijährige Entscheidungsphase, was mit der kleinen Herde passieren sollte. Dass die überproportional hohe Anzahl männlicher Wildschafe reguliert werden musste, sahen sogar Tierschützer ein – aber deshalb gleich alle töten und den Bestand ausrotten?

Zwischendurch schien es, als sei der Erhalt der Köschinger Mufflons gesichert. Doch just in jenen Wochen, als die Ministerien in München das Thema abschließend bewerteten, kam es 2016 für kurze Zeit zu enormen Verbissschäden. Ähnliches hat es weder in den Jahren zuvor gegeben noch trat es danach wieder auf. Die Gründe dafür seien dahingestellt. Für die Behörden war es Anlass genug, die Totalausrottung der Köschinger Mufflons zu verfügen.

DK