"Mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl"

Polizei will Kontrollen bei 15-Kilometer-Regel nicht überziehen - Gemeindetagspräsident Brandl eckt an

12.01.2021 | Stand 12.01.2021, 7:17 Uhr
Karte −Foto: Screenshot

Polizei will Kontrollen bei 15-Kilometer-Regel nicht überziehen - Gemeindetagspräsident Brandl eckt an

Von Horst Richter

Ausgedacht hat es sich die Politik, die Umsetzung liegt wieder einmal in den Händen der Polizei. Seit Montag gilt die 15-Kilometer-Regel, wonach Menschen aus Bayern in kreisfreien Städten und Landkreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 200 pro 100 000 Einwohner touristische Ausflüge über einen Umkreis von 15 Kilometern hinaus untersagt sind. Dazu gehört zum Beispiel Ingolstadt. "Wir werden jetzt aber nicht an der Stadtgrenze stehen und jedes Auto kontrollieren", sagte Karl Höpfl vom Polizeipräsidium Oberbayern-Nord.

Wer einen triftigen Grund hat, etwa weil er zu seiner Arbeitsstelle pendelt oder die auswärts lebenden und pflegebedürftigen Großeltern versorgt, wird auch künftig weitere Wege zurücklegen dürfen. "Es geht rein um die tagestouristischen Ausflugsziele, wo große Menschenansammlungen vermieden werden sollen, wie sie bereits vorgekommen sind", sagt Höpfl. Der Sprecher des Ingolstädter Polizeipräsidiums appelliert an die Vernunft der Menschen. "Die Leute sollten nicht wieder die Schlupflöcher suchen, um das zu umgehen. Wer also einen Onkel in Garmisch hat, kann zu ihm fahren und ihn versorgen, wenn er das braucht. Aber man sollte das nicht ausnutzen und gleich die ganze Skiausrüstung mitnehmen, um dort auf die Piste zu gehen. "

Ingolstädter dürfen mit der neuen Regelung also nicht mehr zum Beispiel ins Altmühltal, um sich einen erholsamen Tag zu machen. "Wir hatten damit aber bisher keine Probleme", sagte der für diesen Bereich zuständige Eichstätter Polizeichef Heinz Rindlbacher. Beliebte Ausflugsziele seien der Dollnsteiner Skilift und der Frauenberg in Eichstätt, wo Einheimische weiter hindürften, entfernter lebende Bürger aus einem Ort mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 200 aber nicht. "Wir werden das mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl überwachen", kündigte Rindlbacher an. "Im Rahmen der Streife und der Kapazitäten" will auch sein Kollege, der Beilngrieser Inspektionsleiter Maximilian Brunner, die neuen Vorgaben überwachen. Er sieht dem Ganzen ebenfalls gelassen entgegen. "In unserem Raum sind vor allem Wanderer oder Radler touristisch unterwegs, aber das ist gerade kein Thema, auch weil alle Gaststätten geschlossen haben. "

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte verstärkte Kontrollen in ganz Bayern an. Er nannte dabei explizit Wanderer-Parkplätze im Voralpenraum und im Bayerischen Wald. "Alle Unbelehrbaren müssen mit harten Sanktionen rechnen", sagte er. Es drohe ein Bußgeld von 500 Euro. Sein Ministerium werde täglich informieren, wo die 15-Kilometer-Regel gelte. Am Montag waren 28 Städte und Landkreise betroffen, darunter Ingolstadt und der Kreis Roth.

Für Aufregung sorgte mit Inkrafttreten der Einschränkungen eine Aussage des bayerischen Gemeindetagspräsidenten Uwe Brandl (CSU). "Wir könnten heute Bewegungsprofile aus den Handys auslesen und auf diese Weise sehr treffsicher feststellen, wo sich die Menschen aufhalten. Wir müssen uns halt jetzt entscheiden, was wichtiger ist, der Gesundheitsschutz oder der Datenschutz", sagte er in einem Interview und löste damit Proteste aus. In der bayerischen Staatsregierung stieß der Vorstoß dem Vernehmen nach auf Kopfschütteln und Skepsis. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber lehnte den Vorschlag strikt ab. Vertreter von Grünen, SPD, FDP und AfD reagierten empört. Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze sprach von einer "Schnapsidee", die Verunsicherung und Misstrauen in der Bevölkerung befeuere.

Einige Virologen sehen allerdings die gesamte Neuerung skeptisch. "Eine 15-Kilometer-Grenze bringt infektiologisch gesehen zunächst keinen Vorteil", sagte Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie am Helmholtz-Zentrum München. Sie plädierte für gezielte Sperren.