Luxusproblem in Pfaffenhofen: Wohin mit dem Ersparten?

02.03.2021 | Stand 02.03.2021, 17:50 Uhr
Bei Fahrradhändler Mattias Kratzer brummt das Geschäft. Viele Leute investieren ihr Geld in teure E-Bikes. −Foto: Herchenbach

Viel Geld übrig wegen Corona

(ty) Kein Urlaub, keine Restaurantbesuche, und das schon über Monate - da stellt sich die Frage: Wo lassen die Leute ihr Geld? Immerhin 73 Milliarden Euro haben die Deutschen 2019 fürs Reisen ausgegeben, statistisch gut 1000 Euro pro Person. Das Gaststättengewerbe konnte sich im selben Jahr über rund 50 Milliarden Euro Umsatz freuen. Da muss also auf der hohen Kante Kohle übriggeblieben sein. Zugegeben, nicht bei jedem. Vielen Menschen im Landkreis geht die Pandemie finanziell nass rein: Kurzarbeit, Kündigung von 450-Euro-Jobs, das zehrt an den Reserven. Besonders hart getroffen sind Selbstständige, die gern dieses Luxusproblem hätten: Wo lasse ich mein Erspartes?

Viele tragen es zur Bank. "Bei den Einlagen", sagt Anna Hollmann, Pressesprecherin der Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte, "verzeichnen wir eine Zunahme von fünf Prozent." Die meisten Sparer packen ihr Geld auf Giro- oder Sparkonten, selbst wenn's dafür kaum oder keine Zinsen gibt. Auch für die Banken ist das kein Geschäft: Sie müssen ihre überschüssige Liquidität bei der Europäischen Zentralbank parken und dafür Negativzinsen zahlen; derzeit 0,5 Prozent der hinterlegten Summe. Im internationalen Vergleich sind die Deutschen sehr vorsichtige Anleger, Aktien erscheinen vielen als zu riskant. Dennoch konnte die VR-Bank eine Zunahme bei Alternativ-Anlagen und Investmentfonds registrieren. Auch Versicherungsprodukte seien gefragt, so Hollmann. Im vergangenen Frühjahr, zitiert das Fachmagazin "Versicherungsbote" eine Assekuranz, haben sich 34 Prozent mehr Menschen für ein Altersvorsorgeprodukt entschieden als im Vorjahreszeitraum.

Deutlich angezogen habe auch das Kreditgeschäft, so die Raiba-Sprecherin. "Die Leute investieren in die Renovierung ihrer Immobilie." Wenn man schon nicht wegkomme, möchte man es sich daheim schön machen. Über diesen Trend freut sich der Gartenbauer Gerhard Badura. "Das Geld ist da und die Leute geben es aus." Rund 20 Prozent mehr Aufträge hatte er im letzten Jahr gegenüber 2019. Und auch 2021 müssen er und seine zehn Mitarbeiter die Ärmel hochkrempeln. "Wir haben jede Menge Anfragen von älteren Leuten. Das Häuschen ist abbezahlt, 20 Jahre haben sie gespart, der Urlaub fällt flach. Die sagen sich: Man lebt nur einmal." Und deshalb steckt man das Ersparte in eine "Komplettlösung", nämlich die Sanierung der Außenanlage. Das kostet nicht nur viel Geld, 30 000 bis 40 000 Euro, sagt Badura, sondern auch Zeit. Bis zum Herbst sei er für diese Aufträge ausgebucht. Kleinere Sachen wie das Fliesen eine Terrasse gehen terminlich noch, da betrage die Wartezeit sechs bis acht Wochen.

Warten muss man auch, wenn man sich einen Pool in den Garten eingraben lassen will. "Es läuft nicht schlecht", freut sich Kathrin Zepmeisel aus Manching, deren Vater gerade auf einer Baustelle sei. "Die Leute geben Geld für ihre private Freizeitgestaltung aus." Ob damit auch der erfrischende Sommerspaß gerettet ist, bleibt fraglich. Der nächste Termin, den der Schwimmbadbauer zu vergeben hat, ist Anfang August. Komplett mit Erdarbeiten koste ein Pool, sechs mal drei Meter groß und mit einer Wassertiefe von 1,30 Meter, um die 20 000 Euro - mit Luft nach oben: Heizung, Abdeckung, Gegenstromanlage kommen auf Wunsch noch obendrauf.

Wer's lieber heiß als nass mag, für den hat Alexander Götz die richtige Alternative. Allerdings: "Wegen der hohen Nachfrage sind Saunen derzeit nicht so schnell zu kriegen." Die Produzenten kommen nicht nach, weil sie wegen der Pandemie ihre Mannschaften gesplittet haben, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Bei einer vorgefertigten Saunakabine, die ab 4500 Euro zu haben sei, müsse mit einer Lieferzeit von etwa zwölf Wochen gerechnet werden, die Installation erfolge dann zeitgleich. Verstärkt gefragt seien auch Dampfbäder für 10.000 bis 12.000 Euro.

Ausgebremst durch den Shutdown sind die Küchenbauer. "Die Mehrwertsteuersenkung", erklärt Lisa Breitsameter, "hat uns schon in die Hände gespielt, aber jetzt sind die Auftragseingänge eingebrochen", das Geschäft an der Raiffeisenstraße ist geschlossen. "Aber eine neue Küche", sagt sie, "will man ja anfassen." Derzeit dürfen die Küchenbauer nur zum Ausmessen ins Haus kommen.

Ein Umsatzplus von rund 20 Prozent konnte auch die Schreinerei Ottinger in Weichenried im letzten Jahr verzeichnen, die schlaffördernde Bettsysteme gänzlich ohne Metall baut. "Die Leute investieren in ihr Zuhause, in ihre Gesundheit", hat Irmgard Ottinger festgestellt. 4000 bis 5000 Euro lassen sich ihre Kunden ein handgeschreinertes Doppelbett inklusive Matratze kosten. "Die Produktion läuft", so Ottinger, "aber seit Januar ist es stiller geworden. Wir dürfen derzeit keine Leute in die Ausstellungsräume lassen. Aber ein Bett muss man ja ausprobieren."

Kaum noch zum Schlafen kommt Fahrradhändler Mattias Kratzer, nicht weil er ein schlechtes Bett hätte, sondern weil das Geschäft brummt. "Ich fange morgens um fünf an und gehe abends um sieben nach Hause. Im Lockdown wollen die Leute raus, was für ihre Fitness tun, Laufen, Spazierengehen, Radfahren." Und das am liebsten mit einem E-Bike. Der Boom sei ungebremst, branchenweit seit ein Umsatzplus von etwa 30 Prozent zu verzeichnen. "Unser Umsatzziel", so Kratzer, "das wir uns für 2023 gesetzt hatten, werden wir bereits im Lauf dieses Jahres erreichen. Das Geld ist frei. Und die Leute geben es aus."

Bedingt durch die in der Corona-Krise stockenden internationalen Lieferketten ist es gerade bei E-Bikes und Ersatzteilen zu enormen Lieferengpässen gekommen. "Aber wir haben vorausschauend schon im Juni geordert", sagt Kratzer. Das Lager ist voll. Der Durchschnittspreis eines Rads, das der Händler verkauft, liegt bei 3500 Euro, und da seien alle Räder, auch Kinderfahrräder, mitgerechnet. Es geht allerdings noch hochwertiger: Letzte Woche habe er ein E-Bike für knapp 15 000 Euro verkauft, und zwar online. Natürlich sei auch sein Geschäft an der Raiffeisenstraße geschlossen, aber Kratzer berät seine Kunden via Bildschirm. Minimum eine Stunde, meist länger, nehme er sich dafür Zeit und passe anhand von Körpergröße, Bauchnabelhöhe und Beinlänge das ergonomisch "perfekte Traumrad" an, das er seinem Kunden plus einem Alternativrad für vier Wochen zum Ausprobieren ins Haus liefert.

Wenn die Pandemie etwas Positives bewirkt haben sollte, dann dies: Sie hat die Leute auf den Fahrradsattel gehoben. 5,4 Millionen E-Bikes sind derzeit in Deutschland unterwegs, allein im letzten Jahr sind 1,4 Millionen verkauft worden, die Zahlen gehen weiter steil nach oben. "Die Mobilität der Zukunft", davon ist Kratzer überzeugt, "wird das E-Bike sein, nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land." Den Viren in der frischen Luft davonradeln ist da nicht die schlechteste Idee.