Ist auch in der Kirche der Kunde König?

24.03.2015 | Stand 09.10.2019, 3:48 Uhr

Dekanatssynode Ingolstadt tagte zum Thema „Ein ansprechender Gottesdienst“ (ty) „Ein ansprechender Gottesdienst: Was stimmen muss. Was wesentlich ist. Was begeistern kann“ war Thema der ganztägigen Synode im evangelisch-lutherischen Dekanat Ingolstadt, die im Gemeindezentrum St. Matthäus abgehalten wurde.

Dekanatssynode Ingolstadt tagte zum Thema „Ein ansprechender Gottesdienst“

(ty) „Ein ansprechender Gottesdienst: Was stimmen muss. Was wesentlich ist. Was begeistern kann“ war Thema der ganztägigen Synode im evangelisch-lutherischen Dekanat Ingolstadt, die im Gemeindezentrum St. Matthäus abgehalten wurde. Nach einem kurzen Gottesdienst in der Matthäuskirche mit Dekanin Gabriele Schwarz referierte Folkert Fendler vom Zentrum für Qualitätsentwicklung im Gottesdienst zum Tagungsthema. Am Nachmittag standen Arbeitsgruppen und der Bericht der Dekane auf der Agenda.

Fendler berichtete den Synodalen eingangs von einer Online-Befragung: Darin wurden 7500 evangelische Christen befragt, ob sie „im Gottesdienst wie ein Kunde behandelt werden möchten?“. Das Ergebnis zeige eindeutig, dass die wenigsten vor dem Altar und im Angesicht Gottes als „Kunde“ bezeichnet werden möchten. Hingegen finde man sich in vielen anderen Situationen des Lebens als Kunde wieder: als Kunde König, der überall anspruchsvoll sein darf – und das nicht nur beim Einkauf. Auch im Freizeitbereich und selbst im Krankenhaus, Altenheim oder der Gemeindeverwaltung spreche man von „Kunden“. Deshalb sei die Leitfrage der Untersuchung nicht gewesen, ob sich Kirchenbesucher als Kunden verstehen, sondern „ob sie sich wie solche verhalten“, führte der Referent aus.

Das überraschende Ergebnis der Umfrage zeige, dass sich Kirchenbesucher sehr wohl wie Kunden verhalten. So sei beim Kirchbesuch ein deutliches Wahlverhalten erkennbar. Menschen kommen, weil ihnen nach Gottesdienst zumute ist oder aber, wenn er besonders gestaltet wird. Nur wenige empfinden ihn als Pflicht. Man entscheide sich auch nach der Person des Predigers oder wegen des Themas für oder gegen einen Gottesdienstbesuch. Außerdem seien auch die Rahmenbedingungen im Gottesdienst nicht egal. Zwar gebe man sich bei der Bequemlichkeit der Sitzgelegenheiten noch recht spartanisch, aber schon bei der Ordnung und Sauberkeit im Kirchenraum oder funktionierender Technik erwarte man „stimmige Rahmenbedingungen“.

Zum Thema Bedürfnisorientierung werde zudem deutlich, dass es einen starken Wunsch nach besonderer Gestaltung gebe und mehr Zielgruppengottesdienste – gerade von jüngeren Menschen – gefordert werden. Auch inhaltlich hatten die Befragten hohe Erwartungen: Man möchte Kraft tanken, etwas zum Nachdenken bekommen und mit Gott in Beziehung treten.

„Ich finde, dass der unbequeme Kundebegriff uns in eine Auseinandersetzung zwingen kann, die uns gut tut und die Augen öffnen kann“, so Fendler. Zwar sei der Gottesdienst keine weltliche Dienstleistung. Jedoch sollte die Nutzenorientierung und ausgeprägte Erwartungshaltung der Menschen ernst genommen werden, da „Gottesdienstbesucher etwas mitnehmen wollen aus dem Gottesdienst – für sich“. Die Gottesdienstteilnehmer realistisch wahrzunehmen, könne dazu führen ihr Verhalten, ihre Einstellungen und Erwartungen theologisch zu bewerten und daraus nötige Konsequenzen zu ziehen, argumentierte der Referent. Genau dafür sensibilisiere die Perspektive des Kundenhabitus.

Leider habe man aber keine funktionierende Gesprächskultur über Gottesdienste, die solches Schweigen aber nicht verdient hätte, betonte Fendler und stellte dann ein Modell vor unter dem Titel „Grund-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren des Gottesdienstes“, mit dem man Kriterien von Gottesdienstqualität erarbeiten kann. Schwerpunkt sei dabei das Feedback und wie man solches erhalten könne, denn es gebe eine gewisse Scheu über Gottesdienste zu reden oder diese zu kritisieren. Als erprobte Mittel nannte der Referent etwa Kirchenbriefkästen, Fragebogenaktionen, Gottesdienstnachgespräche oder Wahrnehmungsgruppen für einen Gottesdienstausschuss. Weiter regte er an, Fachleute einzuladen, die kollegiale Hospitanz oder Gemeinden könnten sich gegenseitig besuchen. Zudem gebe es auch die Möglichkeit eines „geheimen Gottesdiensttesters“, der unangemeldet und anonym am Gottesdienst teilnehme und dann eine Rückmeldung abgebe. „Was uns wichtig ist, darüber sollten wir reden“, ermunterte der Referent abschließend.

Dekan Schwarz behandelte in seinem Jahresbericht personelle Veränderungen und erinnerte an Highlights im vergangenen Kirchenjahr – an verschiedenen Kirchenjubiläen oder die Kanzelrede von Bundesumweltminister Schmidt am Reformationstag. Sorge bereiten dem Dekan die zahlreichen Kirchenaustritte. Schwierig sei auch, dass bayernweit viele Pfarrerstellen wegen Pfarrermangel nicht besetzt werden können. Und auch die Zahlen der Theologiestudenten versprechen keine Verbesserung. Glücklich ist man im Dekanat hingegen über die Fertigstellung des Areals in der Schrannenstraße, das – mit Ausnahme der Hofgestaltung – nun nach acht Jahren vollendet ist.