Gegen die "Arroganz der Macht"

OB-Kandidat Scharpf wirbt beim Neujahrsempfang der SPD für mehr Miteinander im Stadtrat

10.01.2020 | Stand 10.01.2020, 8:38 Uhr
scharpf2 −Foto: HaScha Foto

OB-Kandidat Scharpf wirbt beim Neujahrsempfang der SPD für mehr Miteinander im Stadtrat

Von Ruth Stückle

SPD-Stadtratskandidatin Kathi Lang überreicht ihm an Ende seiner Rede ein Kissen aus schwarzem Samt. Darauf gebettet: Ein paar knallrote Laufschuhe, "mit denen er richtig durchstarten kann". Die symbolische Geste verfehlt ihre Wirkung nicht. Christian Scharpf, der Oberbürgermeisterkandidat der SPD, wird beim Neujahrsempfang der Ingolstädter Sozialdemokraten im Orbansaal fast gefeiert wie ein Popstar. Zuvor bekommt er für seine gut halbstündige Rede Standing Ovations - zumindest von den Genossen.

Neben den Vertretern der Sozialdemokraten aus Ingolstadt und den umliegenden Landkreisen sind fast alle anderen OB-Kandidaten gekommen, die bei den Kommunalwahlen am 15. März mit oder gegen Scharpf, aber auf jeden Fall gegen den amtierenden CSU-OB Christian Lösel in den Ring um das Amt des Oberbürgermeisters steigen. Auch viele Vereinsvertreter sind zum Neujahrsempfang der SPD geladen. OB-Kandidat Christian Scharpf begrüßt am Eingang jeden Besucher mit Handschlag. Im Gegensatz zum Defilee beim städtischen Neujahrsempfang steht er allerdings mit seinen Gästen auf einer Ebene. Das "spanische Hofzeremoniell", wo die geladenen Gäste "unterhalb der Treppe stehen, nach oben blicken und geduldig warten, bis sie dem oben am Treppenabsatz stehenden Oberbürgermeister huldvoll die Hand schütteln dürfen" hätten die Sozialdemokraten bereits abgeschafft, meinte er denn auch gleich zum Beginn seiner Neujahrsrede süffisant.

SPD-Vorsitzender Christian De Lapuente hatte "klare Worte" angekündigt. Die bot der OB-Kandidat zweifellos auf. Scharpf, ein Ingolstädter, zuletzt Stadtdirektor im Direktorium der Stadt München, schoss in seiner zehn Punkte umfassenden Rede ein ganzes Feuerwerk von Giftpfeilen ab: Etwa zum politischen Klima im Stadtrat, das geprägt sei von immer heftigeren Zerwürfnissen. Verantwortlich dafür sei die Stadtspitze, die "ein seltsames Demokratieverständnis offenbart", spielt er auf die Abwicklung der jüngsten Ausschusssitzung in der Personalie Peter-Steuart-Haus an, spricht von einer "Arroganz der Macht". Der 2. Bürgermeister und sein Oberbürgermeister "agieren wie die Axt im Walde". Scharpf streifte "die Hinterlassenschaften der Lehmann/Lösel-Ära" ("Es bilden sich nach fast einem halben Jahrhundert an der Macht Seilschaften, Bekanntschaften und gegenseitige Gefälligkeiten") und warb für einen "politischen Neuanfang", für parteiübergreifende Zusammenarbeit statt Koalitionen, mehr Miteinander statt Gegeneinander und eine andere Wirtschaftspolitik.

Die Wirtschaft in Ingolstadt habe viel zu lange eine Monostruktur aufgewiesen. Und jetzt? "Mit Lufttaxis und Hochschulpolitik alleine können wir die wirtschaftliche Monostruktur nicht überwinden." Eine Stadt sei "kein Wirtschaftskonzert", sondern "ein Gemeinwesen für die Bürgerinnen und Bürger, wo die Menschen und deren Lebensqualität im Mittelpunkt stehen", so Scharpf weiter. Er sprach sich dafür aus, die Beteiligungsstrukturen zu überprüfen. Wo sinnvoll, solle die Aufgabenerledigung wieder raus aus den GmbHs und zurück in den Hoheitsbereich des Stadtrates überführt werden.

Und für die Mitarbeiter der Verwaltung forderte er "freies, couragiertes Denken" anstelle einer "reinen Befehls, Gehorsams- und Angstkultur".