Der Finanzausschuss diskutierte heute den Haushaltsplan für 2022
Einnahmen zu niedrig oder Ausgaben zu hoch?

30.11.2021 | Stand 30.11.2021, 16:40 Uhr
Geld −Foto: Andreas Hermsdorf/pixelio.de

Von Michael Schmatloch

Wenn jemand 1,6 Meter groß ist und 90 Kilo wiegt: Hat der dann ein Problem mit der Größe oder seinem Gewicht? Wenn jemand einen Porsche in der Garage stehen hat, dazu einen SUV, vielleicht noch ein Motorboot und ein Motorrad, und am Ende des Monats merkt, dass sein Gehalt etwas zu schmal ist für seinen Lebensstil. Hat der dann ein Einnahme- oder ein Ausgabeproblem?

Seit gefühlt einem Jahr diskutiert der Stadtrat immer dann, wenn es um die städtischen Finanzen und den Haushalt geht, genau um diesen Punkt: Hat Ingolstadt nun ein Einnahmeproblem oder liegt das Problem bei den Ausgaben? So auch heute, als Kämmerer Franz Fleckinger den Ingolstädter Haushalt für das Jahr 2022 und die Jahre bis 2025 in groben Zügen vorstellte.

696,3 Millionen Euro steht für 2022 unter dem Strick beim Verwaltungshaushalt. Niedriger als im laufenden Jahr, aber doch so hoch, dass er nur mit einem beherzten Griff in den kommunalen Sparstrumpf von rund 91 Millionen Euro zu stemmen ist. Und dieser Sparstrumpf lässt zudem nur noch einen weiteren Griff zu. Danach geht es ans Schulden machen. Im zweistelligen Millionenbereich.

Trotz 119,8 Millionen Euro aus der zu erwartenden Gewerbesteuer, rund 31 Millionen Euro Umsatzsteuer, 107 Millionen Einkommenssteueranteil und 30 Millionen Grundsteuer braucht es also dennoch den Griff in die Sparbüchse, um alle Investitionsvorhaben und vor allem die immensen Personalkosten zu stemmen, die sich allmählich zu einem echten Problem entwickeln. 180 Millionen Euro sind es im kommenden Jahr. Und bis 2025 sollen es gar rund 202 Millionen sein. „Das ist schon eine Ansage“, meinte den auch Altbürgermeister Albert Wittmann. Denn immerhin machen die Personalkosten, wie Fleckinger ausführte, bis 2025 fast 41 Prozent des gesamten Haushaltes aus. Obschon die Einnahmen der Stadt bei Weitem nicht reichen, um alle geplanten Ausgaben zu bedienen, befand Wittmann den Haushalt für 2022 trotz mancher Unwägbarkeiten und nicht bezifferter Risiken ausgeglichen. Und auch mit dem für 2023 könne er noch leben. „Aber danach sieht es finster aus“, meinte er, „ab 2023 mache ich da mehrere große Fragezeichen. Wir müssen aufpassen, dass unsere Stadt nicht in Schieflage kommt und wir nicht auf Kosten nachfolgender Generationen wirtschaften.“

Dass die Personalkosten „davongaloppieren“, räumte denn auch OB Christian Scharpf ein. Und er wisse, dass es auf Dauer nicht so weitergehen könne. Christian De Lapuente von der SPD erschien das Bild der kommenden Jahre zu düster. Und so meinte er, der seine Reden im Stadtrat seit einem Jahr mit den zwei Vokabeln „Schwarzmalerei“ und „Investitionsstau“ bestreitet, in gewohnt semantischer Schlichtheit: „Mit Schwarzmalerei gewinnt man keine Schlacht.“ Und überhaupt werde der Haushalt sich noch besser entwickeln, die Zahlen deutlich besser aussehen.

Nach soviel blauäugiger Zuckerwatte meinte FW-Chef Hans Stachel: „Wir sollten weder schwarz noch rosarot sehen, sondern die Klarsichtbrille aufsetzen.“ Auch er fand dass der Haushalt 2022 „gut ausschaut“, die Jahre danach indes ließen ihn nicht unbedingt ruhig schlafen. Und da kam es dann wieder: „Wir haben kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabeproblem. Wir wecken Hoffnungen, die wir nicht erfüllen können, ohne ganz tief in den Topf der Kredite zu greifen. Was mir Sorge macht, sind die Betriebskostenzuschüsse.“ Der Unterhalt für Porsche und SUV also, um das eingangs bemühte Beispiel aufzugreifen. „Wir werden nicht umhinkommen, Kosten auf der Bauseite zu reduzieren.“ Und es müsse bei den städtischen Projekten ja nicht immer Gold sein. Manchmal genüge auch Bronze.

„Natürlich haben wir ein Einnahmeproblem“, konterte Scharpf. Und die Finanzierung der Kommunen sei auf Dauer so nicht zu halten, weil mit den Einnahmen die notwendigen Ausgaben nicht zu stemmen seien. Seinem verkappten Ruf nach Hilfe vom Freistaat erteilte der CSU-Landtagsabgeordnete Alfred Grob indes eine deutliche Absage: „Der Freistaat kommt bei den Zuschüssen auch an seine Grenzen. Man müsse schon wissen, dass „der Freistaat stark an die eigenen Mittel geht, um die Kommunen nicht im Regen stehen zu lassen.“ Das aber werde auf Dauer nicht funktionieren.

Ein Phänomen, dass in seiner Beharrlichkeit beinahe schon bewundernswert ist: Wo immer es um kommunale Bauvorhaben geht, wie derzeit am Beispiel Kammerspiele abzulesen ist, wiegelt man gerne mit dem Argument ab, dass das Land ja beträchtliche Zuschüsse beisteuert. Eine Milchmädchenrechnung, die am kommunalen Tellerrand ihr Ende findet. Denn auch staatliche Zuschüsse sind Steuergelder, vor allem endliche Steuergelder.

Apropos Tellerrand: Stadtrat Christian Höbusch ist im Haushaltsplan mit grüner Akribie irgendwo auf Seite 120 aufgefallen, dass lediglich 1,5 Millionen Euro für den Radwegeausbau eingestellt wurden, aber 23 Millionen für den Straßenbau. Da müsse man umsteuern, das sei ein krasses Missverhältnis. Zudem müsse man auch entsprechend in den ÖPNV investieren. Dumm nur, dass Busse nicht auf Radwegen fahren, sondern auf Straßen.