Doppelte Unterstützung gefragt

Corona-Hilfen können nur mit Steuerberater beantragt werden – dazu muss man erst einmal einen finden

07.04.2021 | Stand 07.04.2021, 8:11 Uhr
Second Hand −Foto: Hammer

Corona-Hilfen können nur mit Steuerberater beantragt werden – dazu muss man erst einmal einen finden

Von Johannes Hauser

Zum Glück lassen sich dienstliche Telefonate von der Steuer absetzen. Denn telefoniert hat Helmut Küstenmacher in den vergangenen Monaten viel. Er ist der Vorsitzende des Vereins Evangelische Jugendsozialarbeit Ingolstadt – er hieß bis vor kurzem noch Förderkreis für evangelische Jugendarbeit – , der in Ingolstadt unter anderem einen Second Hand-Laden an der Hindenburgstraße betreibt. Ein Draufzahlgeschäft. Es gehe allerdings auch nicht darum, Geld zu verdienen, sondern den Menschen im Piusviertel und darüber hinaus günstig Kleidung und andere Dinge anzubieten, erklärt Küstenmacher.

Die Corona-Krise beutelt das Geschäft schwer. Im Lockdown sind auch die spärlichen Einnahmen weggefallen, die Leiterin des Ladens musste in Kurzarbeit geschickt werden. „Wir haben ihr Gehalt aufgestockt, weil es ohnehin schon sehr gering ist.“ Jetzt gilt wieder Click & Collect, was allerdings dem Klientel des Second Hand-Ladens nicht so recht zusagt.

Da die Miete und andere laufende Kosten weiter zu entrichten sind, war schnell klar, dass der Verein für seinen Laden auf Hilfe angewiesen sein wird. Und so setzte sich Küstenmacher vor der Auszahlung der ersten Corona-Hilfen im vergangenen Jahr einen halben Tag mit den Unterlagen hin und beantragte die Unterstützung. „Das hat eigentlich ganz gut geklappt“, sagt er. „Wir haben 5000 Euro bekommen. Das hat uns schon sehr geholfen.“

Allein, die Krise hält an. Wie viele andere Unternehmer hofft Küstenmacher deswegen auf eine weitere Unterstützung vom Staat. Der hat in der Zwischenzeit aber das Prozedere für die Beantragung des Überbrückungsgeldes und anderer Hilfen verändert. Mittlerweile darf ein Antrag – ein Ausnahmefall sind Soloselbstständige – nur noch von so genannten „prüfenden Dritten“ gestellt werden. Meist sind das Steuerberater. Begründet wird diese Maßnahme mit dem großflächigen Betrug, der offenbar bei den Auszahlungen der ersten Hilfen begangen worden ist. Viel zu viele Unehrliche haben sich eine Unterstützung erschlichen, die ihnen eigentlich gar nicht zusteht. Mit den jetzt zwischengeschalteten Steuerexperten soll Betrug vorgebeugt werden.

Küstenmachers Verein hat aber keinen Steuerberater. „Das bisschen, das bei uns anfällt, haben wir immer selber gemacht“, erklärt er. Jetzt allerdings ist er auf Unterstützung angewiesen. Seit rund drei Monaten ruft er in Steuerkanzleien an, aber niemand will seinen Fall übernehmen. „Sie sagen, sie schaffen es nicht, weil derzeit alle anrufen“, berichtet er. Auch bei der Stadt und der IFG habe er um Rat gefragt. „Die waren wirklich sehr nett und haben mir auch Kontakte genannt, aber es hat nicht geklappt.“ Ein Steuerberater in Baden-Württemberg habe ihm schließlich zugesagt. „Aber der hat auch einen Rückzieher gemacht, weil ihm das alles zu viel wird.“ Mittlerweile habe er „fast aufgegeben“, sagt Küstenmacher.

Werner Hafenrichter weiß um die Probleme vieler kleiner Unternehmer, derzeit einen Steuerberater zu finden. Er arbeitet in der Kanzlei Langer und Kollegen in Ingolstadt und auch hier häufen sich die Anfragen. Die Corona-Pandemie bringe für viele Berufskollegen aufgrund der Auswirkungen auf die Unternehmen, etwa wegen der Kurzarbeit oder finanzieller Engpässe, ohnehin eine Menge Arbeit mit sich. Die Anträge auf Überbrückungshilfen kämen jetzt noch dazu. „Es gibt Kanzleien, die einen Aufnahmestopp verhängt haben“, weiß Hafenrichter. „Es ist einfach zu viel, man kommt an seine Grenzen.“ In der Kanzlei Langer und Kollegen arbeiten rund 30 Beschäftigte in drei Dependancen, zwei Mitarbeiter haben sich neben ihrer sonstigen Tätigkeit gezielt auf die Anträge für Corona-Hilfen spezialisiert. Dennoch mussten auch Langer und Kollegen schon Anfragen zurückweisen. „Es ist nicht mehr zu bewerkstelligen“, erklärt Hafenrichter.

Leichter haben es Unternehmer, die schon länger regelmäßig einen Steuerberater konsultieren. Von diesen Mandanten haben die Experten die Unterlagen bereits im Haus, kennen Besonderheiten des Geschäfts und wissen, dass eine detaillierte Buchführung vorliegt. Inhaber kleinerer Unternehmen, die ihre Steuererklärung bislang stets selbst gemacht haben, tun sich bei der Suche nach einem Steuerberater deutlich schwerer. Auch, weil die Erstellung eines Überbrückungsantrags für einen Steuerberater nicht unbedingt lukrativ ist. Als Geschäftsmodell taugt das Ausfüllen der Formulare nicht. „Die Menschen, die diese Hilfen beantragen, haben ja ohnehin schon finanzielle Schwierigkeiten“, sagt Hafenrichter. „Da will man sie natürlich nicht noch zusätzlich belasten.“ Die Beantragung der Unterstützung sei nicht ganz trivial, sagt der Experte. Schon alleine, weil sich die Vorgaben mitunter änderten. Immer wieder werden geltende Bestimmungen neu gewichtet und interpretiert. Das liege auch daran, dass die zu Grunde liegende Verordnung in der Krise schnell verfasst werden musste, vermutet Hafenrichter. In Steuerberaterkreisen heißt es, ein korrekt formulierter Antrag könne schon in dem Augenblick wieder falsch sein, in dem der Mandant die Tür der Kanzlei hinter sich schließt. Das ist mitunter ein Problem, schließlich haftet der Steuerberater mit für die Richtigkeit der Angaben.

Die Industrie und Handelskammer für München und Oberbayern verzeichnet derzeit keine verstärkten Anfragen oder Beschweren wegen eines Mangels an Steuerberatern, heißt es aus der Pressestelle. Als Bewilligungsstelle habe die IHK bislang 11,8 Millionen Euro zur Auszahlung an Antragsteller aus Ingolstadt angewiesen.