Der Pfarrer und "der Neger"

03.06.2021 | Stand 03.06.2021, 9:48 Uhr

Aufregung um Äußerungen von Hans-Michael Hechtel im kirchlichen Gemeindebrief der evangelischen Kirche

(ty) Beim Frühjahrs-Gemeindebrief des evangelisch-lutherischen Pfarramts Beilngries ist das aber anders, wie Beschwerde-Hinweise zeigen, die bei unserer Zeitung eingegangen sind - und die sich deutlich an den evangelischen Pfarrer, Hans-Michael Hechtel, wenden, der neben Beilngries auch noch für Dietfurt und Berching zuständig ist.

Mehrseitiger Gemeindebrief

Verteilt auf mehrere Seiten findet sich in dem Gemeindebrief, der unserer Zeitung vorliegt, ein Text mit der Überschrift "Der Neger und der Bundespräsident". Darin wird eine Szene beschrieben, in der ein kleiner Bub seine Oma in der großen Stadt besucht. In der Straßenbahn habe die Großmutter dann auf einen "Neger" hingewiesen, so wie man eben auf "etwas Besonderes" hinweise. Beim Bundespräsident hätte sie das sicher genau so gemacht. Ganz natürlich sei diese Bezeichnung wohl gewesen, wie der weiteren Schilderung zu entnehmen ist, in deren Verlauf insgesamt 22-mal das Wort "Neger" verwendet wird. Unter anderem heißt es da dann auch noch: "Irgendwo hat ein Gericht entschieden, dass ein Neger nichts Besonderes ist, sondern ein Schimpfwort. Neger darf man nicht mehr sagen. Dabei eignet sich der Neger gar nicht als Schimpfwort. " Und der abschließende Satz nach diversen weiteren Erläuterungen lautet dann: "Und wer will den Negern verbieten, Neger zu sein? "

Hechtel steht im Impressum

Als "Verantwortlich im Sinne des Presserechts" für den Gemeindebrief ist Hechtel im Impressum angegeben. Unsere Zeitung hat ihn um Stellungnahme gebeten. Er bestätigt, dass er den besagten Text verfasst hat. Es gehe ihm beim Erstellen eines Gemeindebriefes neben dem Abbilden des kirchlichen Geschehens vor Ort auch darum, "zum Nachdenken anzuregen" und auch mal "kleine Stachel" zu setzen. Zu dem, was er mit dem genannten Text zum Ausdruck bringen wollte, stehe er auch weiterhin. Er habe eine Szene beschrieben, wie er sie als Bub eben erlebt habe. Man habe den Begriff "Neger" verwendet, aber ganz sicher nicht als Schimpfwort. In unserer Gesellschaft habe aber inzwischen eine Entwicklung stattgefunden, wonach der Sprachgebrauch soweit verändert werden müsse, dass "offensichtliche" Dinge nicht mehr benannt werden dürften. Und so habe er in dem Gemeindebrief eben zu einer Diskussion darüber anregen wollen, dass man einen Begriff wie "Neger" nach wie vor verwenden "darf und kann", ohne damit Menschen abwerten zu wollen, so Pfarrer Hechtel. Zu seinem Text stehe er daher auch weiterhin - wenngleich es natürlich sein könne, dass er in der Art und Weise der Formulierung "misslungen" sei, denn: Wenn eine solche Veröffentlichung falsch verstanden werde oder sie Menschen verärgere, dann sei dies nicht in seinem Sinne. Eine direkte Beschwerde habe aber niemand aus der Gemeinde an ihn gerichtet, so Hechtel. Er wäre jederzeit zu Gesprächen bereit, so der Pfarrer. Dass Kritik dann aber über andere Kanäle vorgebracht werde, sei enttäuschend.

Mehrere Beschwerden eingegangen

Bei Christiane Murner, Dekanin des Dekanatsbezirks Neumarkt, zu dem das Pfarramt Beilngries gehört, sind entsprechende Beschwerden eingegangen, wie sie auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt. Und sie betont, dass man sich ausdrücklich von der Veröffentlichung des Beilngrieser Pfarrers distanziere. Ganz gleich, wie ein solcher Text dann auch möglicherweise gemeint gewesen sei - er dürfe in der Form, wie er in die Öffentlichkeit gebracht wird, niemanden verletzen. Gerade bei einem Thema wie Rassismus sei eine "erhöhte Sensibilität" erforderlich, so Dekanin Murner. Und wenn ein Pfarrer einen Text in einem Gemeindebrief veröffentliche und dieser dann auch noch im Internet lande, könne man eben nicht mehr von einer privaten Meinungsäußerung sprechen.

Die Konsequenzen

Was waren aber nun die Konsequenzen des Vorfalls? Man habe Gespräche mit Pfarrer Hechtel geführt, lässt Dekanin Murner wissen. Und man habe darauf hingewirkt, dass der Text von der Internetseite des Beilngrieser Pfarramts genommen wird. Das ist auch geschehen. "Die schriftliche Veröffentlichung ließ sich leider nicht mehr rückgängig machen", so die Dekanin.

Kein Fehlereingeständnis

Pfarrer Hechtel kündigt gegenüber unserer Zeitung an, dass er in Zukunft nicht mehr die verantwortliche Person für den Gemeindebrief sein wolle. Darüber habe er den Beilngrieser Kirchenvorstand auch schon informiert - das sei aber nicht als Fehlereingeständnis zu werten, sondern um Aufregung aus der Angelegenheit zu nehmen. Und weil er nicht einfach so hinnehmen wolle, dass ihm von anderen kirchlichen Funktionsträgern aufgetragen werde, Texte aus der Öffentlichkeit zu entfernen.

Kommentar von Fabian Rieger

Ja, es stimmt – unsere Gesellschaft hat es teilweise verlernt, konstruktiv zu diskutieren. Und ja, es stimmt – eine starke Demokratie muss auch konträre Meinungen aushalten. Es gibt aber auch Diskussionen, die eine Gesellschaft nicht braucht. Und dazu zählt ganz sicher eine Debatte darum, ob man das Wort „Neger“ weiterhin verwenden darf. Denn dazu sollte es im Jahr 2021 eigentlich nur noch eine Sichtweise geben: Nein, diesen Begriff verwenden wir als Gesellschaft nicht mehr.

Unabhängig davon, dass dieses Wort eben keine wertfreie Beschreibung von Menschen mit dunkler Hautfarbe darstellt, selbst wenn man sich das vor vielen Jahren so angeeignet haben mag, so zielt eine solche Diskussion auch in die falsche Richtung. Wir sollten uns als Gesellschaft überhaupt keine Gedanken darüber machen, wie man Menschen aufgrund ihrer äußerlichen Merkmale bezeichnen könnte. Jeder Mensch hat einen Namen, bei dem man ihn ansprechen kann. Einen Charakter, den man kennenlernen darf, wenn man das möchte. Und wenn schon eine Beurteilung oder Einteilung erfolgen soll, dann doch bitte auf Basis dessen, was ein Mensch sagt oder tut – aber ganz sicher nicht aufgrund der Hautfarbe. Das ist eine Botschaft, die unserer Gesellschaft wirklich weiterhelfen würde – und die für einen Kirchenvertreter, ganz gleich welcher Couleur, eigentlich selbstverständlich sein sollte.