Der Kampf um die Unterschriften

Vier Listen brauchen jeweils 385 Unterstützer - bald konzentriert sich alles auf den Rathausplatz

28.12.2019 | Stand 28.12.2019, 7:36 Uhr
wahl −Foto: Eberl

Vier Listen brauchen jeweils 385 Unterstützer - bald konzentriert sich alles auf den Rathausplatz

(ty) Während die Vertreter der etablierten Ingolstädter Parteien und Gruppierungen in Ruhe Weihnachten feiern konnten und die politische Pause genießen, müssen einige Lokalpolitiker auch in diesen Tagen ran. Denn noch bevor der Wahlkampf für die Kommunalwahl am 15. März richtig beginnt, brauchen UDI (Unabhängige Demokraten Ingolstadts), JU (Junge Union), GLI (Grün Links Ingolstadt) und die PARTEI (Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative) Unterschriften, damit sie überhaupt zur Wahl antreten können. Genau genommen brauchen sie 385 Unterstützerunterschriften, die im zweiten Stock des Neuen Rathauses zu leisten sind, und zwar bis 3. Februar - von wahlberechtigten Ingolstädtern, die auf keiner dieser Listen vertreten sind. Und so nutzt so mancher Politiker jede Gelegenheit, um für sich zu werben.

Stadtrat Henry Okorafor, GLI-Frontmann, war dafür sogar an Heiligabend aktiv. Er hatte vor der Kirche St. Anton zwei Plakatständer aufgestellt und nach der Jugendabendmesse an die herausströmenden Gottesdienstbesucher Flyer verteilt. Das gefiel offenbar nicht jedem. "Das hat uns schon etwas verärgert, dass man selbst an der Kirche seine Plakate anbringt", schreibt Melita Schluttenhofer, die mit ihrem Mann den Gottesdienst besuchte. Auch ihr habe der GLI-Politiker versucht, einen Flyer in die Hand zu drücken - sehr zu ihrem Missfallen, wie sie erklärt. "Ich äußerte gegenüber Herrn Okorafor meinen Unmut darüber, ob ihm denn nicht mal der Heilige Abend heilig ist. "

Das sei die einzige Kritik gewesen, die ihm wegen der Aktion zu Ohren gekommen sei, sagt Okorafor. "99 Prozent haben den Flyer angenommen", sagt er. Auch in der Umgebung der Kirche habe er später nachgesehen und keinen weggeworfenen Flyer entdeckt. Er könne auch nichts Verwerfliches an seinem Vorgehen erkennen. "Es ist meine Heimatkirchengemeinde und wir sind eine christlich orientierte Partei", sagt Okorafor. Er habe den Gottesdienst ganz normal mit seinen Söhnen besucht und lediglich draußen, auf öffentlichem Grund, kurze Zeit um Unterschriften geworben. Er habe gegenüber den anderen Gemeindemitgliedern seinen Weihnachtswunsch genannt: dass man für GLI unterschreibt. "Warum kann man nicht um eine Gefälligkeit bitten? ", fragt er. Ab Samstag will Okorafor dann im Umfeld des Rathauses für sich werben.

Dort sind schon, seit es möglich ist, die Mitglieder der JU unterwegs. "Das war eine ganz gute Entscheidung", sagt Listenchef Markus Meyer. Denn es habe sich gezeigt, dass trotz Zeitungsartikeln und Werbung über die sozialen Netzwerke die Leute im Weihnachtstrubel an andere Sachen gedacht hatten, als sich ohne Erinnerung ins Neue Rathaus zu begeben und für eine Liste zu unterschreiben. "385 Unterschriften hört sich nach sehr wenig an, aber das stellt schon eine Hürde dar", sagt Meyer. "Es ist schon wichtig, dass man was dafür tut. " Bei der letzten Abfrage beim Wahlleiter am vergangenen Samstag habe die JU immerhin schon 100 Unterschriften gehabt. "Wir wollen die Hürde schnellstmöglich überspringen", betont Meyer. Dass die JU bislang die einzige Gruppierung war, die sich am Rathausplatz zeigt, wundert ihn: "Die anderen sind offenbar sehr optimistisch. "

Andere hatten sich sogar beim Rechtsamt der Stadt erkundigt, ob die Werbung am Rathausplatz erlaubt ist, berichtet Rechtsreferent Dirk Müller. In der Tat sei das aber rechtens. "Auf dem Platz ist es generell zulässig, dass einzelne Unterstützer mit Flyern herumgehen. " Nur Stände seien nicht erlaubt. Und direkt vor dem Eingang des Neuen Rathauses dürfe auch keiner stehen. "Die Schamgrenze von fünf Metern sollte man schon einhalten", sagt Müller.

"So, wie ich das verstanden hatte, war der Rathausplatz immer eine Tabuzone", sagt UDI-Fraktionsvorsitzende Dorothea Soffner. Aber nachdem der Rechtsreferent es für rechtens erklärt hatte, "werden wir es auch tun". Wie viele auch ohne die Präsenz am Rathausplatz für die UDI unterschrieben haben, wisse sie nicht, so Soffner. Nach Silvester werde man das abfragen - so lange wolle man die Beschäftigten im Rathaus noch in Ruhe lassen. Dass Okorafor in St. Anton für sich warb, bekam auch Soffner als Gottesdienstbesucherin mit. Sie hat dafür kein Verständnis, wie sie sagt. "So kann man das Thema Politikverdrossenheit auch befördern. "

Eine weitere Partei kann derzeit noch nicht eingreifen. Die Liste der PARTEI liege derzeit dem Landeswahlleiter vor, erklärt Rechtsreferent Müller. Offenbar wird noch geprüft, ob es zulässig sei, die Reihung der Liste durch Losverfahren festzulegen. "Aber es ist ja noch Zeit", meint Müller.

Von Thorsten Stark