Sitzung des IHK-Regional-Forums in Ingolstadt
Bayern droht die Deindustrialisierung

14.10.2022 | Stand 14.10.2022, 7:42 Uhr
−Foto: Bösl, IHK

Von Markus Schwarz

Nach zwei Jahren Corona-Pause ging am Mittwoch wieder ein IHK-Forum der Region 10 über die Bühne. Thema des Abends: Die energiepolitische Situation. Dabei fielen auf dem Gelände des IN-Campus „klare Worte“, wie Christian Krömer, der Vorsitzende des Regionalausschusses Neuburg-Schrobenhausen der Industrie- und Handelskammer (IHK) resümierte. Krömer hatte sich nicht verhört. Vor den Vertretern seines Kreises und der Kreise Pfaffenhofen und Eichstätt und der Stadt Ingolstadt ging man mit der derzeitigen Energiepolitik teilweise hart ins Gericht.

Die Tonlage gab Peter Kammerer, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern vor: „Mittelfristig besteht die Gefahr, dass der Standort Bayern und der Standort Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit bei der Industrie verlieren“, stellte er unmissverständlich fest. Grund: Die sich seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine immer mehr verschlechternde Energiesituation. Seine Rechnung war nicht schwer zu kapieren: 2019 lag der Gaspreis bei etwa 20 Euro pro Megawattstunde, im Augenblick liegt er zwischen 150 und 200 Euro.

Ein Drittel der Unternehmen ist gefährdet
Infolge des Systems, wie auf dem Strommarkt die Preise festgelegt werden, des sogenannten „Merit-Order-Prinzips“, führe das Gaspreis-Problem automatisch zu einem Strompreis-Problem, so Kammerer. Wenn die Energiekosten auf dem jetzigen Niveau bleiben, erklärte er, hielten ein Drittel der bayerischen Unternehmen höchstens noch ein halbes Jahr durch.

Kammerer ließ auch keinen Zweifel daran, dass seiner Ansicht nach die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Problematik nicht gerade glücklich und erfolgversprechend agiert: Die geplante und plötzlich wieder gestrichene Gasumlage „war bürokratischer Wahnsinn“. Nun sollten seiner Ansicht nach endlich alle Anstrengungen unternommen werden, „alles an Energie auf den Markt zu bringen, was möglich ist“. Auch heimische Erdgasvorkommen sollten erschlossen werden. Und: „Spanien hat ,Merit-Order‘ schon im Mai außer Kraft gesetzt. Dort sind die Strompreise deutlich niedriger.“

Die Teilnehmer einer anschließenden Podiumsdiskussion stießen ins gleiche Horn: Es müsse so viel Energie wie möglich erzeugt oder gekauft werden und der Kurs der Politik solle sich ändern: Hemmnisse müssten abgebaut werden. Vor allem forderten die Diskutanten Energie-Offenheit – man könne angesichts der dramatischen Lage keine Form der Energieerzeugung einschränken. 

Matthias Bolle, Geschäftsführer der Stadtwerke Ingolstadt, konstatierte im Hinblick auf die fast gleichzeitige Abkehr von Kernkraft-, Kohle- und Gasenergie: „Es liegt ein Systemfehler vor: Wir arbeiten immer mit Verboten, anstatt nach Lösungen zu suchen.“ Und Stefan Dick, Geschäftsführer der Schrobenhausener Südstärke, ergänzte: „Wir forcieren einen Ausstieg aus allem möglichen – aber einen Einstieg in nichts!“ Auch die regenerativen Energien werden von staatlichen Vorgaben gebremst, so Tobias Mayinger, Vorstandsvorsitzender der Prolignis AG: „Das Genehmigungsverfahren für ein Windrad dauert fünf Jahre – das zeigt doch die Schizophrenie der Zustände.“ Die bayerische und die deutsche Energiepolitik hätten in den zurückliegenden Jahren zu einseitig auf den Energieträger Gas gesetzt.
Aber auch die einseitige Hinwendung zum Elektro-Auto wurde kritisiert. Ralf Seid, Geschäftsführer der Gunvor-Raffinerie bei Kösching, erhielt sogar Zwischen-Applaus, als er meinte: „Wir bauen in Süddeutschland die besten Verbrennermotoren der Welt! Es gibt auch alternative Kraftstoffe. Wenn wir aus der jetzigen Krise nicht lernen, Technologie-offen zu agieren anstatt uns auf einen Weg zu fixieren – dann ist uns nicht mehr zu helfen.“ 

Eichstätts Landrat Alexander Anetsberger als Vertreter der Politik unterstützte die vorgebrachten Anliegen – gab jedoch zu bedenken: „Bei den Energiepreisen können wir als Kommunalpolitiker wenig tun.“ Eine Unterstützung der Wirtschaft durch die Politik könnte aber nötig werden, wie Matthias Bolle befürchtet: „Wir werden Unternehmen haben, die keinen Versorger finden.“

Bevor es aber zu pessimistisch wurde, beschworen die IHK-Delegierten die Resilienz und Widerstandsfähigkeit der regionalen Wirtschaft. Stefan Dick beschrieb, wie man bei der Südstärke eine Wärmerückgewinnungsanlage installiert habe. Die so eingesparte Energie entspreche ungefähr der Menge, die das Neuburger Hallenbad verbrauche. Seid: „Wir sind gut aufgestellt. Wir können bei der Gunvor problemlos bei der Herstellung zwischen verschiedenen Produkten umschalten. Seien Sie froh, dass wir in Bayern noch Raffinerien haben!“