Vorsitzende der Tafel ruft Aufnahmestopp aus: Zu viele Bedürftige, zu wenig Lebensmittel
„Wir schaffen das nicht mehr“

14.10.2022 | Stand 14.10.2022, 7:33 Uhr
−Foto: Schattenhofer

Von Suzanne Schattenhofer

Quer über den Josef-Strobl-Platz zieht sich eine Menschenschlange, es herrscht lautes Stimmengewirr. Viele der Menschen, die sich an diesem Mittwoch bei der Tafel ein Lebensmittelpaket abholen wollen, sind Flüchtlinge aus der Ukraine. Eine Dolmetscherin versucht, ihnen die Regeln zu erklären – vor allem die Corona-Regeln. Aber auch diesmal müssen etliche Bedürftige mit leeren Händen nach Hause gehen, denn es hat wieder einmal nicht für alle gereicht. Für die Ehrenamtlichen eine unerträgliche Situation, die sich angesichts steigender Flüchtlingszahlen noch zu verschärfen droht. Fest steht: Für die Ingolstädter Tafel kann es so nicht weitergehen.

Jede Tafel verfolgt das Ziel, Not zu lindern, indem sie übriggebliebene Lebensmittel aus Supermärkten an Bedürftige verteilt. Das ist der Grundgedanke. So funktioniert das auch seit 1999 in Ingolstadt, als die hiesige Tafel gegründet wurde und im Franziskanerkloster den Betrieb aufnahm. 2008 zog der Verein in das Proviantamt um. Rund 400 Bedürftige waren damals auf die Hilfe angewiesen.

Jetzt versorgt die Tafel etwa 3000 Menschen – etwa zur Hälfte Ukrainer. Durch diesen Ansturm, der zu den Ausgabezeiten für jedermann sichtbar wird, ist die Institution selbst in Bedrängnis geraten: Die Lage hat sich derart zugespitzt, dass der Vorstand um Vorsitzende Petra Willner jetzt die Notbremse gezogen hat: Es wurde ein Aufnahmestopp verfügt. Eine bittere Entscheidung für die Ehrenamtlichen, die ja eigentlich helfen wollen. „Wir haben das Gefühl, dass wir uns rechtfertigen müssen, wenn wir Bedürftige abweisen.“

Früher, so erklärt Petra Willner bei einem Termin vor Ort, kamen die Bedürftigen zur Tafel und wurden dort bedient: Jeder kam mit seiner Tasche und konnte sich aus dem Angebot an Lebensmitteln das aussuchen, was ihm schmeckte und was ihm fehlte. Damals verlangte die Tafel einen symbolischen Obolus von einem Euro. Doch seit Corona hat sich die Ausgabe gewandelt: Nun packen die Ehrenamtlichen Care-Pakete – 850 Tüten an der Zahl. Wenn die verteilt sind, ist Schluss. „Letzte Woche mussten wir 60 bis 100 Bedürftige abweisen, diesen Mittwoch war es wieder so“, sagt Petra Willner. Darunter auch viele „Stammkunden“ – altbekannte Gesichter.

Die ganze Misere gründet darin, dass sich bei steigender Zahl Bedürftiger das Angebot an gespendeten Lebensmitteln ständig verringert – Probleme, die gerade viele Tafeln im Lande treffen. Die Supermärkte müssen bedarfsgerechter kalkulieren, und Ware, die das Mindesthaltbarkeitsdatum fast erreicht hat, wird reduziert. Denn die Kunden, die angesichts steigender Preise aufs Geld schauen müssen, greifen zu. In der Folge bleibt der Tafel immer weniger zum Verteilen. Ausführlicher Bericht auf donaukurier.de.