„Anklagevorwurf scheidet objektiv aus"

Verteidigung will Hauptvorwurf gegen Ex-Audi-Motorenchef Hatz kippen

16.12.2020 | Stand 16.12.2020, 7:07 Uhr
Justizia
Symbolbild Gericht −Foto: Pixabay

Verteidigung will Hauptvorwurf gegen Ex-Audi-Motorenchef Hatz kippen

Von Horst Richter

Haben die Ermittlungsbehörden im Münchner Audi-Prozess bei ihrer Anklage falsche Fakten zugrunde gelegt? Mit einem neuen Gutachten möchte die Verteidigung des früheren Porsche-Vorstands und Ex-Chefs der Audi-Motorenentwicklung, Wolfgang Hatz, den Hauptvorwurf der Staatsanwaltschaft gegen ihren Mandanten zu Fall bringen. Hatz soll Softwaremanipulationen veranlasst haben, die bei Dieselmotoren zwar saubere Abgaswerte auf der Testrolle ermöglichten, auf der Straße aber einen deutlich höheren Schadstoffausstoß mit sich brachten. Die Verteidiger gehen davon aus, dass die Staatsanwaltschaft bei ihren Vorwürfen falsche Daten als Basis verwendet hat.

Hatz hatte in seinen Einlassungen mehrfach erklärt, zu seiner Zeit - er war von 2001 bis September 2009 Motorenchef bei Audi - habe es keine illegalen Machenschaften gegeben. Seine Freiburger Verteidiger Gerson Trüg und Jörg Habetha stellten am Dienstag während des 17. Verhandlungstages in dem Mammut-Prozess den Antrag, dies durch einen renommierten Sachverständigen der TU München zu belegen. Hintergrund ist ein von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Gutachten, welches nach Meinung der beiden Anwälte auf einem falschen Datensatz beruht. Das hatten sie in mühsamen Recherchen selbst über eigene Nachforschungen erhoben, wie am Rande der Verhandlung zu erfahren war.

Damals, als Wolfgang Hatz die Verantwortung trug, sei die Softwareversion 040 aktuell gewesen, erklärte Jörg Habetha den Verfahrensbeteiligten. Der von der Anklagebehörde bestellte Experte habe seine Stellungnahme jedoch zur Version 0110 (oder eventuell 0100) abgegeben, die vermutlich erst 2011, rund zwei Jahre nach Hatz' Weggang von Audi, entwickelt worden war. Sie habe gegenüber der 040 zwei weitere Betriebsarten sowie sechs zusätzliche Möglichkeiten der Übergänge zwischen den beiden Modi enthalten, wie sie zu Hatz' Zeiten noch gar nicht implementiert waren. Dasselbe gelte für andere Parameter, die dem Gutachten der Staatsanwaltschaft zugrunde liegen.

Entscheidend ist für die Verteidiger der Aspekt, dass die zu Zeiten ihres Mandanten aktuelle Softwareversion keinerlei Steuerung zur Unterscheidung zwischen dem Betrieb auf der Rolle und der Straße besessen haben soll. "Der Anklagevorwurf scheidet von daher schon objektiv aus", sagte Jörg Habetha dem Gericht.

Vorsitzender Richter Stefan Weickert nahm zwar offiziell noch keine Stellung zu diesem Beweisantrag, räumte jedoch ein, dass hier tatsächlich "noch etwas gemacht werden" müsse. Es gebe da "erhebliche Unterschiede", war auch ihm aufgefallen. Sein erstes Fazit: "Wir müssen dem nachgehen. "

Wolfgang Hatz hatte zuvor seine mehrtägigen Einlassungen beendet. Er versuchte dabei immer wieder zu belegen, dass die Betrugssoftware erst nach seinem Ausscheiden als Audi-Motorenchef entstanden war. Er selbst habe keine Kenntnis davon erlangt. "Nach meiner Meinung ist in diesem Ermittlungsverfahren viel zu wenig ergründet worden, wann welche Strategien wirklich implementiert worden sind", kritisierte er. Aus seiner Sicht habe er immer alle Vorgaben seiner Entwickler erfüllt, um technisch stets saubere und legale Lösungen zu bekommen. Der 61-Jährige betonte noch einmal, die ihm vorgeworfenen Softwaremanipulationen weder veranlasst noch geduldet zu haben.

Neben Hatz sitzen zwei seiner ehemaligen Entwickler sowie Ex-Audi-Chef Rupert Stadler wegen des Vorwurfs des Betrugs auf der Anklagebank. Stadler wird erst im Januar zu Wort kommen. Der Prozess wird an diesem Mittwoch mit Fragen des Gerichts zu den Ausführungen von Wolfgang Hatz fortgesetzt.