Kommentar: Scholz' Problem ist die SPD

07.08.2021 | Stand 07.08.2021, 20:21 Uhr
Olaf Scholz (SPD) −Foto: Pixabay

Kommentar von DK-Chefredakteur Gerd Schneider

(ty) Für die SPD läuft es momentan ausgesprochen gut.

Ihre Zustimmungswerte steigen. Sieben Wochen vor der Bundestagswahl hat die Partei des Kanzlerkandidaten Olaf Scholz laut aktuellen Umfragen fast zu den Grünen aufgeschlossen. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil die Grünen bei den Wählern noch vor wenigen Monaten so hoch im Kurs standen, dass sie sich Hoffnungen machen durften, die nächste Bundesregierung anzuführen. Eigentlich ist das eine gute Nachricht für die leidgeprüften Sozialdemokraten. Doch das Ernüchternde daran ist, dass sie selbst zum Aufschwung nicht viel beigetragen haben. Die SPD profitiert vor allem von der Schwäche der Grünen und der Union. Präziser: von der Schwäche ihres Spitzenpersonals. So unbeliebte Kanzlerkandidaten, wie es Baerbock und Laschet gegenwärtig sind, gab es lange nicht. Beide eint zudem, dass diejenigen in ihrer Partei, die im Kampf um die Kandidatur das Nachsehen hatten, von den Wählern für deutlich geeigneter gehalten werden. Der Unterschied ist: Während Habeck still hält und loyal an Baerbocks Seite steht, lässt Söder kaum etwas aus, um Laschet zu schwächen.

Bei der SPD gibt es keinen Platzhirschkonflikt. Sie haben Scholz - und dann kommt lange nichts. Anders als seine Konkurrenten hat Scholz bislang im Wahlkampf zumindest keine großen Fehler gemacht. Und aus der eigenen Partei kommen ausnahmsweise keine Querschüsse. Dass schon diese schlichte Kombination ausreicht, um bei den Wählern zu punkten, sagt viel aus über die Qualität der Kandidaten und auch des Wahlkampfs.

Trotzdem darf man daran zweifeln, dass die SPD am Ende viel von der aktuellen Sympathiewelle hat. Scholz mag seine Stärken haben; ein Zugpferd war er nie. Das eigentliche Problem ist seine eigene Partei. Scholz' Ansehen speist sich nicht zuletzt daraus, dass er ein Mann der Mitte ist - und damit ein Relikt aus einer Zeit, als die SPD noch eine große, gefestigte Partei war. Heute dominieren bei den Sozialdemokraten Positionen, die sich kaum von denen der Linken unterscheiden. Die Mitglieder wählten 2019 nicht Scholz zum Parteichef, sondern zwei Politiker namens Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Im Hintergrund zieht Kevin Kühnert die Fäden, ein junger Kerl, der zwar keine Berufsausbildung und kein Studium vorweisen kann, aber dafür öffentlich schon mal über die "Kollektivierung" von Konzernen wie BMW doziert.

Scholz hat sich damit arrangiert. Und die Parteispitze tut derzeit alles dafür, den einst rüden Umgang mit ihrem populärsten Kopf vergessen zu machen. Ein neuer Wahlkampfslogan lautet, obacht: "SPD - Scholz packt das an". Die Frage ist, ob sich die vielen Stammwähler, die sich von ihrer Partei in den vergangenen Jahren abgewandt haben, davon noch blenden lassen.

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