Corona-Gipfel: Reaktionen aus Wirtschaft und Wissenschaft

Reaktionen aus dem Handwerk, dem Kfz-Gewerbe, dem Handel und dem Gesundheitswesen zur Virus-Bekämpfung

23.03.2021 | Stand 23.03.2021, 17:17 Uhr
Maske −Foto: Vogl

Reaktionen aus dem Handwerk, dem Kfz-Gewerbe, dem Handel und dem Gesundheitswesen zur Virus-Bekämpfung

(ty) Das Leben über Ostern wird heruntergefahren, um die dritte Welle der Pandemie zu brechen. Der seit mehr als drei Monaten geltende Lockdown wird bis zum 18. April verlängert. Wie stehen das Handwerk, das Kfz-Gewerbe, der Handel und das Gesundheitswesen zu dieser Entscheidung?

Nach den neuen Beschlüssen von Bund und Ländern zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie fürchtet das Handwerk den Zusammenbruch von Betrieben. Angesichts steigender Infektionszahlen sei die Lockdown-Verlängerung zwar nicht überraschend, teilte der Zentralverband des Deutschen Handwerks am Dienstag in Berlin mit. Sie sei aber für viele Handwerksbetriebe ein großer Schock. "Damit mag ein Kollaps des Gesundheitssystems vermieden werden. Ein breitflächiger Betriebe-Kollaps wird jedoch immer wahrscheinlicher", betonte der ZDH. Viele Betriebe würden wegen eines fehlenden Planungshorizontes und stockender oder unzureichender Überbrückungshilfen nicht überleben können.

Der Verband lobte zugleich, dass die Bundesregierung weitere Hilfen für besonders schwer und über lange Zeit betroffene Betriebe entwickeln will. "Allerdings wird dies nur wirken können, wenn die Betriebe dann anders als bei vorherigen Programmen auch wirklich unbürokratisch und sehr schnell an die Hilfen kommen."

Zugleich kritisierte der ZDH die Politik wegen der vergleichsweise schleppenden Zahl von Impfungen. "Impfen ist das zentrale Instrument, mit dem wir aus dieser Pandemie herauskommen. Hier hakt es weiter erheblich mit fatalen Folgen." Mit schnellem Impfen und Testen könne man unabhängig von den Fallzahlen wieder mehr öffnen.

Das Kfz-Gewerbe (ZDK) befürchtet, dass mit der erneuten Verlängerung und Verschärfung des Lockdowns die Krise im Automobilhandel befeuert werde. "Der zentrale Vertriebskanal der volkswirtschaftlich bedeutenden Automobilbranche bleibt dicht, und das schon seit Mitte Dezember 2020", kritisierte ZDK-Präsident Jürgen Karpinski. "Nicht nur im Handel müssen wir uns auf ein desaströses Autojahr 2021 einstellen. Viele Existenzen im mittelständischen Kraftfahrzeuggewerbe stehen auf dem Spiel."

Nach drei Monaten Berufsverbot seien Verständnis und Geduld der Autohändler komplett aufgebraucht. Wegen großer Verkaufsräume, geringer Kundenfrequenz und erprobter Einhaltung der Corona-Schutzauflagen seien Autohäuser fast so sicher wie der Aufenthalt im Freien. Viel wirksamer und weniger einschneidend seien flächendeckende Schnelltests und Systeme digitaler Kontaktnachverfolgung. Außerdem müsse der Impfprozess deutlich beschleunigt und auf breitere Bevölkerungsgruppen ausgeweitet werden.

Nach den neuen Corona-Beschlüssen von Bund und Ländern rechnet der Handel mit erhöhtem Kundenandrang in Lebensmittelmärkten am Mittwoch und Samstag vor Ostern. Die vereinbarte Schließung am Gründonnerstag sei daher kontraproduktiv, teilte der Handelsverband Deutschland am Dienstag mit.

Die Branchenvertretung reagierte mit scharfer Kritik auf die Verlängerung der Beschränkungen bis Mitte April. "Bund und Länder agieren nur noch im Tunnelmodus", sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Sie konzentrierten sich auf Infektionszahlen, nicht aber auf die tatsächliche Infektionsgefahr beim Einkaufen. Diese sei gering.

Der Handel fordert, alle Geschäfte wieder zu öffnen und dabei Hygienekonzepte strikt einzuhalten. Im Nicht-Lebensmittelhandel hinterlasse der seit drei Monaten andauernde Lockdown tiefe Spuren. Gut jeder zweite Händler von Bekleidung, Schuhen und Lederwaren sehe sich in Insolvenzgefahr. "Nach einem Jahr mit Corona ist die Lage bei vielen Händlern verzweifelt, vielerorts gibt es keine Hoffnung mehr, diese Krise wirtschaftlich überstehen zu können."

Der Epidemiologe Dirk Brockmann vom Robert Koch-Institut (RKI) hält die Verschärfung der Corona-Maßnahmen über Ostern für wirksam. "Das könnte nach meiner Ansicht einen sehr positiven Effekt haben, weil eine ganze Reihe von Tagen dann quasi Ruhetage sind, also Sonntage", sagte Brockmann am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk. Schon beim "Wellenbrecher" im Frühjahr habe sich gezeigt, dass viele Menschen ihre Aktivitäten runtergefahren hätten. "Und das hatte dann ein, zwei Wochen später einen sehr starken Effekt auf die Fallzahlen, weil sehr viel weniger Kontakte stattfinden."

Laut Beschluss von Bund und Ländern soll vom Gründonnerstag bis deutschlandweit das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben weitgehend heruntergefahren werden, um die dritte Welle der Pandemie zu brechen. Nur am Karsamstag, 3. April, soll demnach der Lebensmittelhandel geöffnet bleiben.

"Natürlich werden diese Maßnahmen sich positiv darauf auswirken, aber wie stark, das lässt sich nur sehr, sehr schwer berechnen", sagte Brockmann. In Deutschland erlebe man gerade einen "exponentiellen Anstieg" der Infektionszahlen, "bei dem sich die Fallzahlen alle zwei Wochen etwa, vielleicht sogar noch auf einer kürzeren Skala verdoppeln", betonte Brockmann. Ohne weitere Maßnahmen zu Ostern könne es unter diesen Voraussetzungen in Deutschland bis zu 6 .000 Neuinfektionen jeden Tag geben.

Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Dienstag haben die Gesundheitsämter in Deutschland binnen eines Tages 7485 Neuinfektionen gemeldet, rund 2000 mehr als vor einer Woche. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 250 neue Todesfälle verzeichnet, auch das waren nun mehr als vor einer Woche, nämlich ein Plus von 12. Der Inzidenzwert der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner stieg weiter und lag laut RKI am Dienstagmorgen bundesweit bei 108,1 - etwas höher als am Vortag (107,3).

"Alles was Kontakte reduziert, bringt was", sagte Brockmann auf die Frage nach der Wirksamkeit von den unter anderem in dem Beschluss genannten Ausgangsbeschränkungen und verschärften Kontaktbeschränkungen im Rahmen der "Notbremse". "Ganz wichtig sind aber in meinen Augen, dass gerade in den Betrieben systematische Teststrategien gemacht werden", betonte der Epidemiologe.

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