Gut Ding will Weile haben, und davon jede Menge

Über die Nutzung des Weinzierlgeländes macht sich Ingolstadt seit über 30 Jahren fruchtlose Gedanken

05.02.2021 | Stand 05.02.2021, 9:14 Uhr
Weinzierlgelände −Foto: Stadt Ingolstadt

Über die Nutzung des Weinzierlgeländes macht sich Ingolstadt seit über 30 Jahren fruchtlose Gedanken

Von Michael Schmatloch

Altgediente Lokalpolitiker, die die Geschicke der Stadt seit über 30 Jahren mitgestalten, und Journalisten, die darüber ebenso lange berichten, hatten im gestrigen Stadtentwicklungsausschuss ein geschmeidiges Déjà-vu, als wieder einmal das Thema Weinzierlgelände auf der Tagesordnung stand und mit bitterer Ironie daran gemahnte, wie „rasend schnell“ in Ingolstadt doch die Dinge vorangetrieben werden. 30 Jahre! Das ist die Zeit, die die alten Ägypter brauchten, um im 3. Jahrtausend von Christus die Cheops-Pyramide zu errichten. Und die ist immerhin eines der sieben Weltwunder.

Weltwunder – zumindest die im positiven Sinn – haben um Ingolstadt seit jeher einen großen Bogen gemacht. Und die Um- oder Neugestaltung des Weinzierlgelände hat sicherlich nicht das Zeug dazu, eines zu werden. Als Projekt mit der längsten Planungsgeschichte der Neuzeit hätte es immerhin Chancen auf einen fragwürdigen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde.

Doch das Projekt Weinzierlgelände fördert nicht nur die Erkenntnis, was mit dem Begriff Ewigkeit gemeint sein könnte, sondern auch die, dass kommunales Wachstum seine Grenzen hat, wenn es um Grund und Boden geht. So reichten denn auch gestern im Stadtentwicklungsausschuss die Wünsche und Ideen, was alles auf dem Gelände entstehen soll, locker aus, um das australische Outback damit zu füllen. Von der kompletten Renaturierung über eine Jugendherberge oder Baumhotel bis hin zum Freizeitpark mit wassersportlicher Note war so ziemlich alles dabei, was der kommunalpolitische Wunschzettel hergibt.

Dass am Ende jedoch nichts entschieden wurde und das Projekt Weinzierlgelände zurück in die Fraktionen verwiesen wurde, war denn auch kaum überraschend und ein Beleg dafür, dass drei Jahrzehnte Planungszeit halt doch ein wenig knapp bemessen sind. Immerhin soll die Diskussion am 11. Februar im Stadtrat weitergehen. Ein greifbares Ergebnis wird aber noch sehr lange dauern.

Das Weinziergelände ist nun kein Areal, das Aussicht auf eine Aufnahme ins Weltkulturerbe hätte, sondern eher ein städtebaulicher Schandfleck, den zu beseitigen sicherlich die Zeit reif wäre. Der größte Teil der heruntergekommenen Gebäude und auch der Fläche ist im Besitz der Stadt, vermietet an Vereine oder als Lagerhallen an Firmen. Ohne fließend Wasser selbstredend, ohne Toiletten oder sonstige Annehmlichkeiten der Neuzeit. Kurzum: Es sieht aus wie bei Hempels unter Sofa, ein Rückbau der desolaten Ruinen „wird bald zwingend sein“, wie Finanzreferent Franz Fleckinger es in der Sitzung formulierte.

Nicht das ganze Gelände indes ist in städtischem Besitz. Die Firma Transportbeton Ingolstadt (TBI) besitzt Richtung Staustufe ebenfalls ein größeres Grundstück und ist deswegen auch schon seit einer gefühlten Ewigkeit in Verhandlungen mit der Stadt, bei denen es um eine Umsiedlung des Unternehmens geht. Doch das ist teuer. Und außerdem soll TBI als Gewerbesteuerzahler die Stadt ja nicht verlassen. "Das wird äußerst problematisch und kostet viel Geld“, wusste Stadtrat Hans Achhammer (CSU) der Diskussion beizusteuern.

Letztlich will man weder einer Firma, noch den in den alten Gebäuden beheimateten Vereine vor den Kopf stoßen. Wären da halt nicht so viele Begehrlichkeiten, was das Gelände an der Donau betrifft, das übrigens nicht nur mit Altlasten verseucht, sondern zudem Hochwassergebiet ist.

Ein gewisser Konsens besteht bei den Räten immerhin dahingehend, dass Renaturierung sowie eine Freizeit- und Sportnutzung die grobe Zielrichtung definieren. Eine „naturnahe Nachnutzung“, wie Ulrike Wittmann-Brand vom Stadtplanungsamt es formulierte, soll es werden. Und eine „hochwasserverträgliche“ sportliche Nutzung. Ideen wie Jugendherberge oder Baumhotel fallen der Hochwassergefahr zum Opfer, da es zum Weinziergelände nicht einmal eine hochwasserfreie Zufahrt im Katastrophenfall existiert. Eine Bebauung gleich welcher Art jedenfalls sei ausgeschlossen, wie auch Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle betonte.

Was indes die Wunschliste der Stadträte kaum schmälern sollte. Manfred Schuhmann sinnierte dennoch über eine Randbebauung oder vielleicht einen Handwerkerhof, Christian Pauling von den Linken von einem Containerdorf für Künstler und Atelierräumen.

Wie sich das mit dem Hochwasser auf dem Weinzierlgelände verhält, wollte Schumann denn auch nochmal genau wissen und regte an, zur nächsten Diskussionsrunde einen Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes einzuladen. Er will nicht einsehen, dass es kategorisch nur noch um naturnahe Freizeit und Erholung gehen soll. Und bekam sich auch noch mit der Stadtbaurätin in die Haare, weil die ihm vorwarf, seine Beharrlichkeit in Sachen Bebauung nicht zu verstehen. „Man wird doch noch Fragen stellen dürfen“, meinte der daraufhin leicht säuerlich.

Da war dann noch Stadtrat Klaus Böttcher von den Freien Wählern, der eine Donauwelle, einen Eiskanal und eine Heimat für den Kajaksport als Nutzungsideen beisteuerte, Barbara Leininger von den Grünen, der vorwiegend Renaturierung und Weiterentwicklung des Auwaldes vorschweben. Und schließlich Franz Wöhrl (CSU), der zu Recht zu bedenken gab: Ob Betriebe, Vereine oder TBI. Alles, was abgesiedelt würde, brauche woanders neue Flächen.

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