Bürgerbeteiligung zur Massenverkehrsmittelstudie im Lechner-Museum

Mit der Tramway Richtung Großstadt

23.11.2022 | Stand 23.11.2022, 22:57 Uhr
−Foto: Schmatloch

Von Michael Schmatloch

Eine Stadt braucht Visionen. Vor allem dann, wenn sie eine Großstadt sein will. Und Ingolstadt will ja nichts mehr, als eben das zu sein oder zu werden, eine Großstadt. Zahlenmäßig ist sie es längst. Doch der politische Geist dümpelt allzu gerne noch im dörflichen Idyll.

Gerade was das Thema Visionen betrifft, hat Ingolstadt seit jeher ein katastrophales Defizit. Beinahe nirgendwo sonst wurde der Spruch von Altbundeskanzler Helmut Schmidt so wohlwollend aufgenommen wie auf der Schanz: „Wer Visionen hat, der soll zum Augenarzt gehen.“

Nun steht wieder einmal so eine Vision vor der Tür, ein Massenverkehrsmittel, dass Ingolstadt in die Zukunft führen soll. Die Stadt hat eine Studie „zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit und zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs“ in Auftrag gegeben, mit der die potenziellen Einsatzmöglichkeiten eines öffentlichen Massenverkehrsmittels im Stadtgebiet Ingolstadt geprüft werden sollen.

Gedanken dazu gab es schon vorher. Zum Beispiel den Traum des Rudi Wagner, der Ingolstadt am liebsten mit einer Seilbahn beglücken würde. Oder den von Markus Stockmeier, der seit Jahren vehement die Stadt von einer Trambahn-Lösung zu überzeugen sucht.

Gestern nun war zum ersten Mal der gemeine Bürger gefragt, als die mit eben jener Studie beauftragte Bernard-Gruppe im Alf-Lechner-Museum die ersten Ergebnisse vorstellte. Noch weit entfernt von einer mit Zahlen oder gar Kosten hinterlegten Lösung will diese Studie im Moment nur aufzeigen, welche Alternativen denn für Ingolstadt in Frage kämen, um dem ÖPNV auf die Beine zu helfen. Fünf potenzielle Kandidaten waren im Rennen: Seilbahn, Busway, Tramway, U-Bahn und eine regionale Stadtbahn.

Überstanden haben die Prüfung der Bernard-Gruppe zwei: ein höherwertiges Bussystem, kurz „Busway“ genannt. Und die Straßenbahn, kurz „Tramway“ genannt. Wobei Axel Kühn, der Ingenieur, der die Studie den erstaunlich vielen Bürgern vorstellte, keinen Hehl daraus machte, dass er eine Trambahn-Lösung bevorzugen würde. Weil ein höherwertiges Bussystem, das wie die Straßenbahn eigene Trassen braucht und in der Innenstadt gar nicht realisierbar wäre, im Grunde „nur Straßenbahn spielt“.

Und er ließ auch keinen Zweifel daran, dass so ein Massenverkehrssystem kein Selbstzweck ist, sondern immer im Zusammenhang mit der Stadtentwicklung gesehen werden muss. „Wo will Ingolstadt 2050 stehen?“ Diese Frage auf einer der gestern präsentierten Folien ist in einer Stadt wie Ingolstadt, wo man schon froh sein kann, wenn die Stadtführung erahnt, wo die Stadt 2024 steht, sicher nicht leicht zu beantworten. Eine Prämisse immerhin scheint gesetzt: Ingolstadt wird weiterhin wachsen, eine erquickliche Zukunft vor Audi vorausgesetzt. Ob die indes so erquicklich sein wird, das wird nicht erst seit dem Zitat von Audi-Vertriebs-Vorständin Wortmann eifrig diskutiert, die mit ihrem Spruch, die Chancen, dass es Audi in zehn Jahren noch gibt, stünden 50:50, doch für einige Verunsicherung gesorgt hat.

Doch gerade Audi, beziehungsweise die Menschen, die dort arbeiten, sind ein wesentlicher Faktor für ein Massenverkehrsmittel der Zukunft. Denn eine Tramway braucht ordentlich Fahrgäste, um gut ausgelastet und vor allem um umfangreich förderfähig zu sein. Und diese Förderung reicht immerhin bis zu 90 Prozent der Infrastrukturkosten.

2000 Fahrgäste pro Kilometer Strecke und Tag sind, so Axel Kühn, der untere Orientierungswert, der gehobene Orientierungswert liegt bei 3500 Fahrgästen. Auf eine Strecke von 12 Kilometer gerechnet, was beispielsweise ungefähr einer Strecke vom Hauptbahnhof bis zu Audi entspräche, müssten, den gehobenen Orientierungswert zugrunde gelegt, 42 000 Fahrgäste pro Tag diese Tramway nutzen.

Diese Zahlenspiele verdeutlichen, dass ein neues, großstädtisches Massenverkehrsmittel wohl nur funktionieren kann, wenn es die Potenziale vom Individualverkehr ebenso anzapft wie die des bestehenden ÖPNV. Und natürlich auch nur dann, wenn diese Studie, die ja noch weitergeführt und vertieft werden soll, nicht wieder – wie alle anderen Studien vor ihr – in der unendlich großen Schublade des Vergessens im Rathaus verschwindet.

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