Drogengeschäfte mit Geheimcodes: Reumütiger Angeklagter akzeptiert 18-monatige Bewährungsstrafe

Pizza bestellt, Kokain geliefert

31.05.2022 | Stand 31.05.2022, 17:17 Uhr
Gericht −Foto: Pexels

Wenn Angelo M., 39, (alle Namen geändert), per Handy-Nachricht drei Pizza Funghi bestellte, dann wusste Amir P. sofort, was zu tun ist – beziehungsweise, was nicht zu tun ist. Denn er sollte nicht etwa einen Pizzateig mit Schwammerl belegen, sondern für den speziellen Kunden vielmehr drei Gramm Kokain abwiegen. 

Mit solchen Codes („Pizza komplett“ bedeutete zum Beispiel ein Gramm Koks) orderte Angelo M. seinen Drogenbedarf. Vor dem Amtsgericht entging er jetzt haarscharf einer langen Haftstrafe. Sein Dealer hat sich in die Türkei abgesetzt.

Angelo M. ist nur einer der vielen Kunden von Amir P., denen der Prozess gemacht wird. Bei einer Hausdurchsuchung entdeckten die Fahnder in seinem Tresor nicht nur ein Kilo Kokain (Verkaufswert etwa 75 000 Euro), sondern auch eine Schuldnerliste, auf welcher der Name von Angelo M. stand. 

Dieser sitzt jetzt auf der Anklagebank und weiß, dass er nur dann eine Chance hat, wenn er ohne Umschweife gesteht, Reue zeigt und sein Leben ändert. Sechs Koks-Bestellungen kann die Staatsanwaltschaft ihm mit Datum und Uhrzeit nachweisen. Wären die Mengen größer gewesen, dann hätte Angelos Sohn seinen Papa im Knast besuchen können. Außerdem entdeckten die Beamten bei einer Hausdurchsuchung einen Schreckschuss-Revolver samt Munition, den der 39-Jährige auf einem Flohmarkt erworben hatte. Ganz so harmlos war die Waffe nicht, die Durchschlagskraft des Projektils war deutlich höher als erlaubt, weshalb sich der Angeklagte jetzt auch noch wegen unerlaubten Waffenbesitzes verantworten musste.

Vor zwölf Jahren war er von Italien nach Deutschland gekommen, um hier zu arbeiten. Er hatte keinen Beruf erlernt und jobbte als Pizzabäcker im mittleren Landkreis. In einem der Restaurants lernte er Amir P. kennen, seinen zukünftigen Kokain-Lieferanten. So richtig gut lief es wohl nicht für ihn, denn ansonsten wäre er nicht auf dessen Schuldnerliste aufgetaucht. 

Als die Kripo vor einem Jahr mit einem Durchsuchungsbeschluss bei ihm aufkreuzte, staunten die Beamten über seine Kooperationsbereitschaft. Bereitwillig, erinnert sich einer der Polizisten im Zeugenstand, habe der Beschuldigte Auskunft über die Codes der angeblichen Pizza-Bestellungen gegeben und sogar die PIN für sein Handy verraten, das dann ausgewertet wurde. Damit hatte der 39-Jährige bei Amtsrichterin Rebecca Hupke Punkte gesammelt: „Da haben wir hier schon ganz andere Fälle erlebt.“ 

Angelo M. nahm sich einen Anwalt, den Münchner Strafverteidiger Marc Wederhake. Der, hob die Richterin ausdrücklich hervor, habe seinen Mandanten wieder „auf die Spur gebracht“: Seit einem Jahr ist Angelo clean und abstinent, er trinkt auch keinen Alkohol mehr – ein Sinneswandel, zu dem andere Straftäter erst finden, wenn sie die Anklageschrift im Briefkasten haben. 

Das alles wertet auch die Staatsanwältin positiv. Sie beantragt für die sieben Anklagepunkte eine Bewährungsstrafe von insgesamt 21 Monaten. Für den Verteidiger ist klar, dass sein Mandant bestraft werden müsse, aber er bittet, die positiven Aspekte zu berücksichtigen: Sein Mandant sei reumütig, er war kooperativ und habe sein Leben geändert. Er habe damals eine schwierige Zeit gehabt und sei ins Kokain geflüchtet. Angelo ist geschieden und hat auch seinen Job verloren. Derzeit lebt er von 449 Euro Sozialhilfe. Der Verteidiger bittet um eine milde Strafe.

Die Richterin verurteilt ihn zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten. „Sie haben mehr Glück als Verstand gehabt“, sagt sie. Nur etwas mehr Kokain bei den Bestellungen, „dann stehen Sie schnell mit beiden Beinen im Gefängnis“. Noch im Gerichtssaal nehmen der Angeklagte und sein Verteidiger das Urteil an. (ty)

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