Aufwendiges Videoprojekt

Die Pandemie in Neuburg als Filmstoff

Jürgen Polifke und Bernhard Mahler begleiten das Corona-Geschehen für das Stadtarchiv

04.12.2021 | Stand 04.12.2021, 8:24 Uhr

Bei der Arbeit: Jürgen Polifke begleitet mit seiner Kamera das Pandemie-Geschehen in Neuburg. Dabei ist er im Auftrag der Stadt unterwegs. Fotos: Schmitt/Janda

Es gibt Momente in den vergangenen gut eineinhalb Jahren, die wird Polifke wohl nie wieder vergessen. Bei den Helfern des Traumtheaters, die er beim Maskennähen mit seiner Kamera besucht hatte, hat der Neuburger eine unglaublich positive Energie verspürt. Beim Filmen der leeren Innenstadt mit einer Drohne während der Ausgangssperre fühlten sich er und Mahler hingegen wie in einer Geisterstadt. Und richtig mulmig wurde ihm zumute, als ihn die Leute zunehmend anfeindeten. „Die Stimmung hat sich in dieser Zeit verändert, sie ist viel gedrückter geworden“, berichtet Polifke, der aber dennoch die gute Seite des Projekts nicht aus den Augen verliert. „Denn jeder, mit dem ich gesprochen habe, hat irgendetwas Interessantes eingebracht, etwas, das besonders ist.“

Genau das, die Geschichte der Menschen, die Geschichte einer Stadt in der Pandemie, will das Duo festhalten. „Wenn ich später mal etwas haben will, dann muss ich aktuell arbeiten“, sagt Mahler, der darin eine Daueraufgabe der Stadt sieht. Auch Veränderungen in Neuburg, große Baustellen, Feste und vieles mehr begleitet er deshalb seit Jahren konsequent. Mit Polifke hat der Stadtsprecher 2005 das Jubiläum „500 Jahre Pfalz-Neuburg“ filmisch festgehalten. Darüber hinaus arbeiten beide seit rund 20 Jahren zusammen, immerhin war der Kameramann lange als Videoreporter für einen Regionalsender tätig und kennt die Stadt und ihre Menschen deshalb bestens.

Mit dem Ausmaß des laufenden Projekts haben beide aber nicht gerechnet, wie sie offen zugeben. „Im ersten Lockdown hatten wir den Arbeitstitel ,19 Tage im April‘“, erinnert sich Polifke. „Mittlerweile sind wir locker bei ,19 Tage im April – Teil elf‘.“ Dutzende Stunden Material, etwa 1,4 Terabyte Daten und 188 Interviews sind bereits entstanden. So hat der Filmemacher im Auftrag der Stadt neben besonderen Ereignissen, wie der Eröffnung von Test- und Impfstationen auch alltägliche Momente begleitet, die durch die Pandemie aber zur Besonderheit werden. Die erste Stadtratssitzung mit Maskenpflicht zählt ebenso dazu wie das Corona-Geschehen auf dem Wochenmarkt. Dort führte er ein Gespräch, das im Nachhinein traurige Seltenheit erlangte. Der langjährige Stadtrat Josef Götzenberger stand dafür vor Polifkes Kamera. Wenige Wochen später war der beliebte Kommunalpolitiker tot – gestorben an den Folgen einer Corona-Infektion. Er blieb nicht der einzige Interviewpartner, der heute nicht mehr lebt.

Bei ihnen allen liegt Polifke ein wichtiger Aspekt des Projekts am Herzen. „Ich lasse die Leute reden und hinterfrage nicht“, erklärt er. Denn anders als seine frühere journalistische Tätigkeit gehe es diesmal um die reine Dokumentation. Viele Menschen würden vor seiner Kamera einfach nur erzählen, wie es ihnen in der schwierigen Zeit ergeht. „Andere sind froh, ihr Herz ausschütten zu können“, erklärt Polifke, den das alles selbst nicht kalt lässt. Im Sommer erst hat er die Arbeit wochenlang ruhen lassen und Abstand gesucht. „Denn das belastet einen persönlich auch “ – zumal nicht jeder die Filmerei mag. „Manche sind mir gegenüber sogar richtig giftig.“

Umso wichtiger ist dem Duo, dass das Projekt bekannter wird. Dabei geht es vor allem um die Unterstützung durch die Menschen, dieses Kapitel Neuburger Zeitgeschichte für die Nachwelt zu dokumentieren. Wie wertvoll solche Dinge sind, weiß Mahler durch die alten Neuburg-Streifen, denen er sich in seiner Freizeit widmet. Diese filmischen Schätze erfreuen sich riesiger Beliebtheit. „Vielleicht kam die Idee aus dieser Erfahrung heraus“, erklärt er, betont aber auch: „Ich weiß nicht, wie viele andere Städte so etwas machen.“ Die Antwort dürfte klar sein: Viele sind es sicher nicht.

Klar ist den beiden auch, dass das Ergebnis der ganzen Arbeit frühestens in einigen Jahren zu sehen sein wird. Das liegt nicht nur daran, dass ein Abschluss erst mit Ende der Pandemie möglich ist. Gleichzeitig wissen beide, dass ein gewisser Abstand zwingend erforderlich ist. „Wir haben uns mal gefragt: Würden die Leute das sehen wollen?“, sagt Mahler, der gleich selbst antwortet: „Das tut sich doch keiner an, bevor alles ein paar Jahre vorbei ist.“ Davor wird das Rohmaterial ins Stadtarchiv wandern. Und dort für immer Teil der Neuburger Geschichte werden.

DK

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