"Wir sind immer noch geschockt"

Nach dem Tod einer Vierjährigen im Kratzmühlsee bei Kinding berichten Badegäste von dem Unglückstag

14.07.2020 | Stand 14.07.2020, 9:21 Uhr
Kratzmühle −Foto: Obster

Nach dem Tod einer Vierjährigen im Kratzmühlsee bei Kinding berichten Badegäste von dem Unglückstag

Idyllisch ist es hier, am Kratzmühlsee nahe Kinding (Kreis Eichstätt). Die Sonne scheint warm vom weiß-blauen Himmel, die Badegäste haben es sich am Sandstrand oder auf der Liegewiese gemütlich gemacht. Das Wasser ist noch ziemlich kalt, einige wagen sich trotzdem zum Schwimmen hinein, gleiten auf ihren Stand-Up-Paddleboards über den See oder lassen sich auf Luftmatratzen treiben.

Ein paar Kinder spritzen sich gegenseitig nass. Ihre Mütter beobachten sie an diesem Tag noch schärfer als sonst. Denn in unmittelbarer Nähe zu der Stelle, wo ihr Nachwuchs gerade planscht, . "Ich verstehe einfach nicht, wie man sein Kind im Wasser aus den Augen lassen kann. Jetzt sind meine Kinder aber älter und können schwimmen", sagt eine der beiden Frauen und Camperinnen kopfschüttelnd, die die Wiederbelebungsversuche hautnah miterlebt hat. "Das war schon schlimm. Und die Mutter des Mädchens ist für ihr Leben gestraft." Nach dem Unglück haben ihre Kinder zur Erinnerung an die Tote Gefäße mit Kerzen am See aufgestellt.

Ein Blick zurück: Der Polizei zufolge hatte eine Schülerin gegen 15.30 Uhr von der Terrasse des Seerestaurants aus gesehen, wie die Kleine im Wasser hilfesuchend mit den Armen umhergefuchtelt habe. Sie und weitere Helfer hätten sofort reagiert und die Kleine aus dem See gezogen. Doch alle Reanimationsmaßnahmen der Ersthelfer und des hinzugerufenen Notarztes waren vergebens: Das Mädchen starb noch vor Ort, ihre Mama wurde vom Kriseninterventionsteam betreut. Die Frage, die sich an diesem Montag nun viele Badegäste am Kratzmühlsee stellen ist: Wo war die Mutter, als die Tragödie geschah? Hat sie nicht auf ihre Tochter aufgepasst? Die Polizei macht dazu keine Angaben - und von den Zeugen gibt es widersprüchliche Aussagen.

Während eine Zeugin der "Bild"-Zeitung am Wochenende schilderte, die Mutter sei während des Unglücks auf der Terrasse gesessen und habe nicht einmal eingegriffen, als die Rettungsmaßnahmen bereits liefen, erzählen die beiden Mütter und Camperinnen, sie hätten gehört, die Frau wäre gerade auf der Toilette gewesen.

Ähnliches berichtet auch eine Rentnerin, die am Freitag selbst auf der Terrasse gesessen sei und den Unfall direkt mitbekommen habe. "Wir sind immer noch geschockt", sagt die Frau aus Schwaig bei Nürnberg, die mit ihrer Familie gerade ein paar Tage Urlaub am Kratzmühlsee macht. "Das Mädchen wurde noch ungefähr eine Stunde lang reanimiert, die Helfer haben wirklich alles versucht", meint sie traurig. Sicher ist sich die Rentnerin, dass die Mutter zur Zeit des Unglücks nicht mit ihr auf der Restaurantterrasse war. "Die ist erst von hinten dazugekommen, als der Unfall bereits passiert war."

Polizei und Staatsanwaltschaft müssen nun Licht ins Dunkel bringen. Laut Gerhard Reicherl von der Staatsanwaltschaft Ingolstadt haben Polizisten am Freitag die Personalien der Leute aufgenommen, die sich zur Unglückszeit an dem See aufhielten. "Die Zeugen werden nun zu ihren Beobachtungen befragt." Ergebnisse erwartet Reicherl aber nicht so schnell: "Es dauert mindestens eine Woche, bis man hier klarer sieht."

Von Silvia Obster