"Wir arbeiten uns auf"

Handwerksbetriebe in der Region ringen um Auszubildende und Fachkräfte

04.05.2021 | Stand 04.05.2021, 7:22 Uhr
Lehrling −Foto: Stephan

Handwerksbetriebe in der Region ringen um Auszubildende und Fachkräfte

Von Tanja Stephan

Für Hunderte Auszubildende in Handwerksberufen beginnen in der Region an diesem Dienstag die Abschlussprüfungen. Die schrumpfende Zahl der Lehrlinge aber macht den Betrieben angesichts des Fachkräftemangels nicht nur in Corona-Zeiten zu schaffen.

Hans Stachels "Lust am Beruf leidet". Seine Ingolstädter Firma Heizung - Sanitär Stachel, ein Handwerksbetrieb mit acht Mitarbeitern, hat "massive Probleme", ausreichend Personal zu finden. Mit schwerwiegenden Folgen: "Wir arbeiten uns auf", sagt der Handwerksmeister. Der Betrieb schließt deshalb um Pfingsten zwei Wochen lang komplett, damit sich die Mitarbeiter erholen können.

Mit diesen Erfahrungen ist Stachel nicht allein - der Personalmangel im Handwerk ist groß. Dass laut einer Studie deutschlandweit allein rund 54 000 Gesellen fehlen, macht sich in der Region bemerkbar. Das Problem: "Immer mehr gehen in Rente, aber keiner kommt nach", schildert Karl Spindler, Kreishandwerksmeister Ingolstadt-Pfaffenhofen. "Wir haben Lehrlingsmangel ohne Ende, keiner will mehr im Handwerk lernen." Und für viele, die sich doch dafür entscheiden, sei dies nur eine Notlösung - mit entsprechenden Leistungen. "Das sehe ich bei den Freisprechungsfeiern, es werden immer weniger."

Zahlen, die das belegen, liefert die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern (IHK): 2020 blieben über 150 Lehrstellen in Industrie, Handel und Dienstleistungen in Ingolstadt unbesetzt, über 200 im Landkreis Eichstätt, über 80 im Landkreis Pfaffenhofen und über 100 im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Das entspricht einem Minus an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zwischen 4,7 und 18,8 Prozent. Vor allem die sinkende Anzahl von Schulabsolventen wirkte sich laut IHK nachteilig auf den Bewerbermarkt aus.

Mittlerweile sind auch Folgen der Corona-Krise spürbar: "Als IHK beobachten wir, dass der Ausbildungsmarkt schwerer in die Gänge kommt als in der Vergangenheit, da viele Angebote der Berufsorientierung mit Infoveranstaltungen in den Schulen und Praktika in den Betrieben den Corona-bedingten Umständen zum Opfer fallen", teilt Elke Christian, Leiterin der IHK-Geschäftsstelle Ingolstadt, mit. "Außerdem schätzen viele die Aussichten am Ausbildungsmarkt schlechter ein, als die Lage tatsächlich ist." Dies bremst Christian zufolge viele Jugendliche in ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz aus. Die Betriebe hielten dagegen meist an ihren Ausbildungsplänen fest.

So die Eitensheimer Firma Brandl - neben dem Einzelhandel auf Metallbau und Landtechnik spezialisiert. "Ich will es nicht verschreien, aber uns geht's nicht schlecht", sagt Geschäftsführer Thomas Brandl, der fünf Azubis im Handwerk beschäftigt. "Wir haben in den letzten Jahren immer jemanden bekommen." Dabei konnte aber auch er nicht aus 20 Bewerbern auswählen, räumt er ein. "Wir können unseren Bedarf glücklicherweise gerade so decken. " In diesem Sinne sei der Fachkräftemangel auch in seinem Betrieb zu spüren - im Metallbau deutlich mehr als in der Landtechnik.

Denn: "Die Bedarfe unterscheiden sich auch im Handwerk recht deutlich in den entsprechenden Berufsgruppen", weiß Johannes Kolb von der Agentur für Arbeit Ingolstadt. Eher ausgeglichener sehe es zum Beispiel in der Holzbe- und -verarbeitung aus. Rund um Elektrotechnik oder Tiefbau fehlten gut ausgebildete Bewerber allerdings genauso wie in der Berufsgruppe Klempner/Sanitär/Heizung/Klimatechnik.

So wie eben bei Hans Stachel. In den Gewerken Wasser, Gas und Heizung erwarten Kunden seiner Erfahrung nach meist schnelle Hilfe. "Diesem Anspruch können wir nicht mehr so gerecht werden wie die letzten Jahrzehnte", bedauert Stachel. Aufgrund des Fachkräftemangels komme es zunehmend zu langen Wartezeiten, was oft zu verärgerten Anrufen im Büro führe. Mittlerweile konzentriere sich der Betrieb auf Stammkunden. Die Verschärfung der Situation macht Stachel nicht an Corona fest - die Pandemie verbessere sie aber auch nicht: "Wenn wir durch Quarantäne zwei, drei Ausfälle haben, können wir keine Aufträge mehr fest zusagen. "

Die Angestellten seien deshalb froh um jede helfende Hand - zum Beispiel der beiden Auszubildenden. Findet sich ein passender Bewerber, stellt Stachel im September einen weiteren ein. Dennoch: "Der schulische Anteil der Ausbildung wird immer größer, sodass wir unsere Azubis manchmal wochenlang nicht sehen", sagt er. "Aber eigentlich sollen sie im Betrieb nicht nur nebenher laufen, sondern mithelfen. " Nach der Ausbildung verabschieden sich zudem viele Lehrlinge in Richtung Industrie. "Das ist ein großer Mitarbeiterverlust. "

Spindler kann das nicht nachvollziehen: "Handwerker vom Bäcker bis zum Dachdecker haben oft Verdienste, da können viele Studierte nur von träumen", betont der Kreishandwerksmeister. Dabei sei die Arbeit lange nicht mehr so hart wie früher, und Angebote der Betriebe wie duale Ausbildungen oder die Bezahlung der Besuche von Fitnessstudios seien verlockend. Vor allem aber bewegt Spindler eins: "Wer hat das Land während der Corona-Krise am Laufen gehalten? Wir Handwerker!"