Werbung in virtuellen Welten: Spielvergnügen trifft Marketing

06.06.2021 | Stand 06.06.2021, 6:51 Uhr
Zuhause bleiben und spielen
Immer mehr Menschen in Deutschland und weltweit spielen Videospiele. Längst haben die Marketing-Strategen einen neuen Werbemarkt entdeckt. −Foto: Pedersen, dpa

Werbung ist nahezu überall. Und oftmals ist sie clever verpackt, etwa als sogenannte Produktplatzierung. Welches Bier ein Schauspieler in einem Film trinkt, ist nur selten Zufall. Geworben wird, wo Reichweite zu generieren ist. Und hier haben Werbewirtschaft und Vertriebsexperten längst Computerspiele für sich entdeckt.

„Die Aufmerksamkeit ist bei Games besonders hoch. Geschickt platzierte Werbung kann so eine deutlich größere Wirkung entfalten als bei anderen Medien.“ Felix Falk, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Games-Branche Game, bringt es auf den Punkt: Computerspiele sind inzwischen für die großen Konzerne dieser Welt ein wichtiges Marketinginstrument. Außerdem rechnet Falk gegenüber unserer Zeitung vor: „Games erreichen heute 6 von 10 Deutschen, das Durchschnittsalter liegt bei 37 Jahren.“ Das mache Computer- und Videospiele für viele Werbetreibende interessant.
Tatsächlich hat die Werbelast in Computerspielen in den vergangenen Jahren für viele Gamer spürbar zugenommen – auch wenn sich der Verband mit belastbaren Daten schwertut: In wie vielen Spielen mittlerweile Werbung zu finden ist, lasse sich bei der aktuellen Größe, Vielfalt und Geschwindigkeit des Marktes kaum sagen. „Allerdings gibt es einige Berechnungen zur Marktgröße: Nach Analysen der Marktbeobachter von Accenture und IDC werden weltweit mit Werbung in Spielen rund 20 Milliarden US-Dollar jährlich umgesetzt“, erklärt Game-Geschäftsführer Falk. Und der Experte prognostiziert zudem, dass dieser Werbemarkt in Zukunft angesichts der steigenden Reichweite von Computerspielen wohl eher noch wachsen werde. Schließlich spiele aktuell lediglich jeder dritte Mensch weltweit.
Und davon wollen immer mehr Unternehmen ein Stück abhaben. Wer nicht regelmäßig den PC oder eine Konsole zum Spielen nutzt, könnte nun an notdürftig reingeschnittene Werbeblöcke denken. Tatsächlich geht es hier aber eher um Produktplatzierung und möglichst realitätsnahe Werbung, die meistens nicht negativ auffällt, sondern im Gegenteil das Erlebnis sogar noch positiv beeinflussen kann.
Beispiel Audi AG: Eines der reichweitenstärksten Computerspiele weltweit ist die Fifa-Reihe. Die Fußballsimulation aus dem Hause EA-Sports wurde in ihrer aktuellen Version alleine in Deutschland mehr als 1,5 Millionen Mal verkauft und ist im Prinzip für alle gängigen Systeme und Konsolen zu haben. Seit Jahren prägt das Spiel die Bestseller-Listen. Und wer nun im aktuellen Fifa 21 etwa ein Heimspiel mit Real Madrid im legendären Estadio Santiago Bernabéu austrägt, wird dabei von original ausschauender Bandenwerbung mit den vier Ringen überrascht – samt e-tron-Schriftzug.
Was so etwas kostet, wollte Audi auf Anfrage unserer Zeitung nicht verraten. Aber: „Fifa zählt im Sport- und Fun-Bereich der Gaming-Branche zu den bekanntesten und beliebtesten Spielen mit einer sehr hohen Reichweite. So hat Audi die Möglichkeit, auch junge und neue Zielgruppen zu erreichen, die über traditionelle Medien teilweise nicht mehr so direkt angesprochen werden können“, erklärt ein Unternehmenssprecher. Die sogenannten E-Sports seien für Audi eine „neue Art des progressiven Entertainments“, die gut zum Unternehmen passe.
Bei Fußball hört es aber nicht auf: Motorsport- und Rennspiele seien die naheliegende Integration für eine Automobilmarke mit entsprechender Tradition im Rennsport „und einem für Spieler sehr attraktiven Produktportfolio.“ Zudem liege das Durchschnittsalter der Spieler deutlich höher als oft gedacht, meist bei über 30 Jahren, meinen die vier Ringe. „Diese Menschen, die sich also auch im realen Leben ein Auto kaufen, möchte das Unternehmen gerne für seine Fahrzeuge begeistern.“ Und ähnlich gehen viele Firmen vor – und es werden mehr. Ganz gleich ob E-Sports, Rennspiele oder virtuelle Welten: Werbung für Dinge aus der Realität ist nahezu immer mit von der Partie. „Wichtig ist jedoch, dass sie zur Spielwelt passt. Ein Ritter, der einen Energydrink trinkt, wäre unglaubwürdig und würde die Immersion stören“, sagt Game-Geschäftsführer Falk.
Unumstritten ist das nicht. Was, wenn irgendwo am Rande der Rennstrecke Werbung zu sehen ist, die nicht jugendkonform ist? „Klar ist bei Werbung in Games, dass diese zur Alterseinstufung des jeweiligen Titels passen muss. In einem Kinderspiel sollten keine Produkte für ein ausschließlich erwachsenes Publikum beworben werden“, wie Falk befindet. Er gibt aber zu bedenken: „Für Games-Unternehmen kann Werbung eine wichtige zusätzliche Umsatzquelle sein.“

Werbung in virtuellen Welten
Wenn Produkte und Marken in Computerspielen platziert werden, spricht der Fachmann von In-Game-Werbung. Man unterscheidet zwischen drei Bereichen. Die massivste Form ist sicher das sogenannte Ad-Game. Es wird extra im Auftrag eines Unternehmens oder aber einer Marke entwickelt. Einziges Ziel: Aufmerksamkeit und Werbewirkung. Eine Alternative ist das statische In-Game-Advertising. Diese Form liegt vor, wenn werbliche Inhalte während der Entwicklung eingeplant werden und später im Spiel fester Bestandteil sind. Die Marken und Dinge sind die gesamte Lebensdauer des Spiels vorhanden. Im Gegensatz dazu steht das dynamische In-Game-Advertising. Die Botschaften können in das Game hinein und wieder heraus geschaltet werden. Wie viele Spiele jährlich über die Ladentheke gehen, ist derweil schwer zu sagen. „In Zeiten von Abonnement-Modellen und Free-to-Play-Spielen ist die Anzahl der verkauften Spiele gar nicht mehr so entscheidend. Denn viele Titel werden über Jahre mit neuen Inhalten versorgt und bleiben so aktuell oder sind sogar komplett kostenfrei ladbar“, sagt Felix Falk, Geschäftsführer des Verbands Game. Der Markt in Deutschland zeige, wie stark das Interesse wachse: „So ist der Umsatz 2020 mit Games für alle Plattformen sowie Spiele-Hardware – jedoch ohne Werbung – um 32 Prozent auf rund 8,5 Milliarden Euro gewachsen. Ein neuer Rekord.“