Weltrekordhalter und Strongman Martin Muhr pflastert in Schrobenhausen

03.06.2021 | Stand 04.06.2021, 7:24 Uhr
Strongman Martin Muhr pflastert derzeit den Schrobenhausener Lenbachplatz. Um die Jahrtausendwende war er stärkster Mann Deutschlands und räumte Titel weltweit ab. Sei es nun beim Kugeln heben oder beim Autos ziehen. −Foto: Spindler

Strongman Martin Muhr, "the bavarian rock", lässt seine Muskeln in der Lenbachstadt spielen

(ty) An die 75 Kilo wiegt der Pflasterstein. Martin Muhr hebt ihn hoch wie andere ein dickes Buch oder einen Stuhl, und legt ihn an seinen Platz im neuen Pflaster am Schrobenhausener Lenbachplatz. Letztens habe er auch erst bei Felix Neureuther gepflastert, erzählt er so nebenbei. Wie er zu dem Skirennläufer kommt? Man kennt sich halt. Von damals, als er fast Anschieber im deutschen Bobteam geworden wäre. Martin Muhr lacht. Eine von vielen, vielen Geschichten, die der Mann mit den Oberarmen wie Baumstämme zu erzählen hat.

Losgegangen ist alles, als er 13 Jahre alt war. In einem Festzelt. Der Papa war gerne beim Steineheben dabei - doch als der Sohn sich ebenfalls an der bayerischen Tradition versuchte, wurde es plötzlich still im Zelt. Ohne Training oder Technik erhob sich Martin Muhr den zweiten Platz in der Herrenklasse. Mit 17 nahm er zum ersten Mal an dem deutschen Meisterschaften teil, alles dank dieses wundersamen Talents. Ein Talent, das ihn 180 Kilo in jeder Hand tragen lässt, den Mann aus Arnbruck im Bayerischen Wald.

Fußball, das kann aus seiner Sicht jeder irgendwie. Aber Steine heben? Da kommen die meisten nicht weit. Bei 254 Kilo bewegt sich bei den meisten wenig bis nichts, wie Martin Muhr mit einem Augenzwinkern feststellt. Etwas können, das nicht viele können, das bereitet dem Mann mit dem Spitznamen "the bavarian rock" - also der bayerische Fels - großen Spaß.

"Es ist viel rohe Gewalt dabei, aber Technik schadet nie." Entsprechend hart war auch sein Trainingsplan. Gut zehn Jahre, so rund um die Jahrtausendwende, war er quasi ungeschlagen im Steineheben und viele Jahre in Folge der stärkste Mann Deutschlands. Er wurde Welt- und Europameister und stellte dabei mehrere Weltrekorde auf. Einen Brocken mit 350 Kilo hob er 89 Zentimeter hoch beim Grand Prix in Dänemark. Beim Bavaria Cup im Kreuzheben schaffte er 365 Kilo und wurde damit in jenem Jahr bester Heber der Welt. "Die Leute sind zum Teil wieder nach Hause gefahren, wenn ich da war", erzählt er schmunzelnd.

Bäumewerfen bei den Highland Games in Schottland war nicht so seines, was auch am Schottenrock gelegen haben könnte, da sind ihm Steinkugeln schon deutlich lieber. Doch auch zwei aneinandergehängte Sattelschlepper zieht Martin Muhr schon mal über 30 Meter weit, wenn es sein muss. Gerade beim Wettbewerb um den stärksten Mann der Welt gibt es spektakuläre Disziplinen. In Österreich hat er mal einen Traktor mit über einer Tonne gehoben. Und eine in Eisen gegossene, 185 Kilo schwere Landkarte von Afrika schleppte Muhr beim Strongmen 2001 in Sambia 96 Meter weit. Damit halte er heute noch den Weltrekord.

Und ja, das tut weh, gibt Muhr unumwunden zu. "Aber man muss über den Schmerz drübergehen." Den Muskelkater dann in jeder einzelnen Faser spüren. Und gleich wieder drauftrainieren, rät der Profi. "Ich kenne meine Muskeln alle, ich hab' alle schon gebraucht."

Wer so viel Sport macht, muss auch ordentlich essen. Männer verbrauchen im Schnitt gut 2000 Kalorien am Tag. Martin Muhr auch mal 10000. 133 Kilo wog er in jenen Hochzeiten seiner sportlichen Karriere um die Jahrtausendwende, bei gerade mal zehn Prozent Körperfett. Bis zu neun Liter Wasser trank er am Tag vor einem Wettkampf, zu Essen gab es ungesalzenen Reis und in Wasser gekochtes Fleisch, meist ohne Gewürze. Ob das schmeckt? Er zuckt mit den Schultern. "Kulinarik ist auch nicht Sinn der Sache." Das ist der Job. Jahrelang gab es für ihn keinen Kuchen, nichts Süßes. Alkohol hat er noch nie angerührt. Dafür hatte und hat er eine extreme Kondition, "ich bin 1,52 Meter hoch aus dem Stand auf ein Plateau gesprungen". Auf Präparate, nach denen er ab und an gefragt wird, seien sie ständig kontrolliert worden, in der Nationalmannschaft wie auch im Training und beim Strongmen. Kein Thema also.

Selbst in den Playboy hat es Muhr geschafft, der diesen Juni übrigens 50 wird. Ob die Frauen ihm zu Füßen lagen? Die Deutschen weniger, die stünden mehr auf so Justin-Bieber-Typen, sagt er lachend. Doch anderswo... Immerhin war Muhr weltweit unterwegs, von China bis Kanada und von Marokko bis Finnland. Gerade die Skandinavierinnen würden auf Männer wie ihn stehen, "da war ich ein Volksheld". Er schmunzelt vergnügt. Da hätten schon mal 40 Mädels vor dem Hotelzimmer gewartet.

Und die kühlen Regionen liegen ihm nicht nur deshalb - Martin Muhr ist leidenschaftlicher Wintersportler. Skifahrer. Aber auch im Bobfahren hat er sich versucht, hat für André Lange probegeschoben. Mit Bestzeiten. "Aber ich hätte dafür 30 Kilo abnehmen müssen", erzählt Muhr. Denn das Team darf nur ein bestimmtes Gesamtgewicht haben. Das wollte er nicht, Muhr blieb bei seinen rund 30 Wettkämpfen im Jahr. Doch die Kontakte halten, gerade erst habe er für Felix Neureuther gepflastert, den er aus jenen Tagen kennt.

"Ich habe so viel Geld verdient, wie bei einem gut bezahlten Job", sagt Muhr auf die Entlohnung angesprochen. Mit Gehältern von Spitzenfußballern sei das absolut nicht vergleichbar. Dafür ist sein Sport zu unpopulär. 2003 hatte er sowieso die Schnauze voll. Es gab Reibereien mit den Verbandschefs und Muhr ist einer, der eben deutlich sagt, wenn ihn was nervt. Zwei Jahre führte er selbst den Weltverband, "aber das zahlt deine Rente nicht". Deswegen pflastert er jetzt mit seiner eigenen Firma den Schrobenhausener Lenbachplatz. Und trotzdem: Seit 2001, seit Martin Muhr, war kein Deutscher mehr im Finale um den stärksten Mann der Welt.