Weit gereistes Gastronomenpaar betreibt Weinbar in Ingolstadt

20.08.2020 | Stand 21.08.2020, 7:28 Uhr
Ingolstadt −Foto: oh

Kitzbühel, Australien, Neuseeland, München, Ingolstadt!

(ty) Ingolstadt? Das ist da, wo die gastronomische Karriere von Helga und Markus Munz ihren Anfang genommen hat. Zurück zu den Wurzeln, dachten sich die beiden, nachdem sie jahrelang durch die Welt getingelt und Erfahrungen in der Fine-Dining-Gastronomie gesammelt hatten. Um in Ingolstadt in einer Lage, die als gastronomisch nicht einfach gilt, eine Weinbar zu eröffnen.

Dass dieses Vorhaben auch noch mitten in die Corona-Zeit fiel, sei nur am Rande erwähnt. So wurde die Eröffnung des "Weinraum" Bei der Schleifmühle vom 1. April, wo alle gastronomischen Betriebe wegen Corona noch geschlossen waren, auf 19. Mai verschoben. Und momentan sieht es ganz so aus, als würde die Weinbar dort, wo früher das Hugo's war und die anschließenden Gastronomen, weil so wenig los war, schon nach kurzer Zeit aufgaben, zum neuen In-Lokal für alle, die einen edlen Tropfen zu schätzen wissen. Der gebürtige Oberstimmer Markus Munz (32) ist ausgebildeter Sommelier.

Er hat mit seiner ein Jahr jüngeren Frau - sie stammt aus Haunwöhr - unter anderem auf einem Weingut in Neuseeland gearbeitet. Später in München machte er dann die Ausbildung zum Sommelier. Auf der Weinkarte im "Weinraum" stehen hauptsächlich Weine aus Österreich, Neuseeland und Australien, eben jenen Gebieten, in denen die beiden unterwegs waren und Erfahrungen zum Thema Wein "von der Herstellung, bis zum genüsslichen Trinken" gesammelt haben, wie es auf der Homepage des Lokals heißt. Was es nicht gibt, sind italienische Weine. "Da gibt es schon zu viele in Ingolstadt", findet Markus Munz. Zum Konzept des "Weinraums" gehören nicht nur edle Weine und dazu passende Speisen regionaler Hersteller, sondern es ist auch das Ziel, sich von anderen Lokalen abzuheben.

Doch zurück zum alles andere als langweiligen Lebenslauf der beiden Wirtsleute, die sich bei der Ausbildung zu Hotelfachmann und Hotelfachfrau in einem Ingolstädter Hotel kennen und lieben gelernt haben. Nach der Ausbildung wechselten sie 2009 ins österreichische Kitzbühel, wo sie nicht nur erste Bezugspunkte zum Wein, sondern auch Erfahrungen mit Prominenten sammeln konnten. Namen wollen die beiden nicht nennen. Nur so viel: "Je größer der Name, desto einfacher sind die Gäste. " Promis der Kategorie Dschungelcamp seien schwierig, große Schauspieler oder bekannte Skifahrer unkompliziert. Die beiden blieben zwei Jahre. "Es war sehr spannend, wir haben da viel gelernt. " Helga und Markus Munz sind Abenteurer. Zwischen den Saisons reisten sie viel herum. Da reifte eine Idee: Australien!

Sie wollten "Down Under" nicht ausschließlich mit dem Flugzeug erreichen, sondern auch mit dem Zug und öffentlichen Verkehrsmitteln. Das klappte bis Thailand. Vier Monate waren sie unterwegs. Von Bangkok aus ging es dann mit dem Flugzeug weiter, über Bali ins australische Darwin. "Dort kauften wir uns erst mal ein Auto. " Ein halbes Jahr haben sie in einem Fünf-Sterne-Hotelressort gearbeitet, dann ging es die Westküste runter nach Torquay in der Nähe Melbournes. Auch hier wieder ein Fünf-Sterne-Ressort. "Wir arbeiteten direkt am Strand. " Die Deutschen, die ihren Job - anders als in Australien in der Branche üblich - von der Pike auf gelernt haben, wollte man dabehalten.

Doch das Gastronomenpaar aus Bayern zog es nach Neuseeland, nach Queenstown, wo die gastronomische Karriere weiterging. Markus Munz arbeitete dort als Restaurantleiter und Sommelier in einem Sternerestaurant, seine Frau als Supervisor für Lebensmittel und Getränke. "Wir hatten viele Kontakte zu Winzern. " So lernte Markus Munz nicht nur, seine Geschmacksnerven zu trainieren, sondern auch den Unterschied zwischen einem 10- und einem 1000-Dollar-Wein. Dass sie in Neuseeland keine dauerhafte Arbeitserlaubnis bekamen und nach anderthalb Jahren wieder nach Deutschland mussten, hat die beiden zunächst gewurmt. "Wir sind im Nachhinein froh darüber", sagen sie heute. "Wir hatten eine schöne Zeit" - und sie haben Kontakte in die ganze Welt geknüpft. In München sammelten die beiden weitere Erfahrungen im Fine Dining. Fünf Jahre waren sie in einem Sternerestaurant im Olympiaturm. Im Vier-Sterne-Hotel Seitnerhof in Pullach arbeitete Markus Munz an der Rezeption und als stellvertretender Geschäftsführer, seine Frau im Restaurant. Ihre Stellen haben sie immer bewusst ausgewählt. Denn die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie seien oft nicht die besten. Die Bezahlung sei meistens schlecht, der Druck umso größer. Deshalb gingen immer weniger junge Leute in die Gastronomie. "Dabei ist das so ein schöner Beruf. " Alfons Schuhbeck in München etwa, erzählt Munz nebenbei, habe er abgesagt. Im Ausland sei die Wertschätzung für Servicekräfte sehr viel größer als in Deutschland. Aber jetzt sind die beiden ja in ihrer Heimat Ingolstadt. Mit dem "Weinraum" haben sie sich ihren Traum vom eigenen Lokal erfüllt. "Es ist sehr gut angelaufen", sagen sie.

Vor allem die Terrasse werde im Sommer angenommen. Sorgen bereitet den beiden - coronabedingt - der Winter. Denn in den Innenraum des Lokals dürfen maximal zwölf Leute rein. "Wir müssen jetzt viel erwirtschaften, damit wir über den Winter kommen. " In ihrer Weinbar gibt es neben edlen Tropfen und typischen Speisen zum Wein stets eine gute Beratung vom Kenner. "Und wenn ich mal was nicht weiß, dann sag ich das auch. " Einfach irgendwas herumzuquatschen sei nicht sein Ding. Was er sagt, sagt er mit Überzeugung. Das gilt für Weinsorten und deren Geschmäcker genau so wie für "gefälschte Weine", von denen es sehr viel mehr gebe, als viele denken. Er ist sich auch darin sicher, was die dringend nötige Belebung der Innenstadt anbelangt: "Die Innenstadt braucht einen Besuchermagneten. " Damit meint Markus Munz nicht "tolle Klamottengeschäfte", sondern "einen zentralen Punkt, weswegen die Leute reinfahren".

Ein solcher könnte eine Markthalle sein, ein Treffpunkt mit Feinkost, Prosecco-, Bierbar und beispielsweise einem Showroom für lokale Künstler. Die Markthalle kann er sich da vorstellen, wo die Galeria Kaufhof bald auszieht. Eine weitere Maßnahme gegen die Verödung der Innenstadt wäre seiner Meinung nach, den Steuerhebesatz in der Altstadt zu senken. Das habe man in Pullach mit Erfolg gemacht. Es könnte auch eine Möglichkeit für Ingolstadt sein.