War’s das jetzt?

Ein Kommentar zum Zukunftspakt von Audi

27.11.2019 | Stand 27.11.2019, 10:22 Uhr

Ein Kommentar zum Zukunftspakt von Audi

(msc) Das ist mal ein Weihnachtsgeschenk, dass sich die Audianer wirklich redlich verdient haben. Ihre Arbeitsplätze sind sicher bis 2029. Und die Erfolgsbeteiligung bleibt ihnen auch erhalten. Doch so wie der Volksmund sagt, es gäbe nichts Schlechtes, was nicht auch etwas Gutes habe, gilt wohl auch das Gegenteil. Es gibt nichts Gutes, was nicht auch etwas Schlechtes im Gepäck hat.

So ist es auch bei diesem Zukunftspaket von Audi. Denn abgesehen von der Arbeitsplatzgarantie für die bestehende Mannschaft bedeutet dieser Zukunftspakt selbstredend auch, dass Audi seine Funktion als Jobmotor der Region einbüßt. Fast jede sechste Stelle soll sozialverträglich gestrichen werden. Auch wenn neue, qualifizierte Stellen im Bereich E-Mobilität entstehen, wird es der weniger oder traditionell qualifizierte Teil der Arbeitssuchenden schwerer haben, einen Job zu finden. Das kann unter Umständen gut sein für den Mittelstand, der mit eine extremen Fachkräftemangel zu kämpfen hat und dem Audi potenzielle Mitarbeiter vor der Nase weggeschnappt hat. Das kann in den kommenden Jahren aber auch merklich auf die Arbeitslosenquote drücken. Zumal die Stellen direkt bei Audi lediglich die Spitze des Eisberges sind. Wie viele Jobs in Ingolstadt und der Region tatsächlich an Audi hängen, wird sich hoffentlich nie wirklich zeigen.

Die konsequente Ausrichtung auf die eher fragwürdige E-Mobilität hat aber auch andere Folgen als „nur“ den drastischen Stellenabbau bei Audi. Denn es dürfte die Zulieferer von Audi mächtig unter Druck setzen, die ihr Geschäft bislang im Verbrenner-Sektor gemacht haben und die Zukunft ihrer Geschäftsidee schwinden sehen. Zumal viele dieser Betriebe dank der „Sparsamkeit“ von Audi ohnehin finanziell auf Kante genäht sind. Bei diesen Zulieferbetrieben und Dienstleistern dürfte das Wort Weihnachten nicht den gleichen friedvollen Klang haben wie bei der Stammbelegschaft von Audi. Und bei den Leiharbeitsfirmen wohl auch nicht.

Und ob die gestrichenen 9500 Stellen (wohlgemerkt nur in Deutschland) das Ende der Fahnenstange sind, das wird sich zeigen, wenn die Rechnung mit 40 Prozent elektrischer Autos beim Absatz bis 2025 nicht aufgeht. Denn dann dürfte die personelle Diät bei Audi weitergehen.

Eine Frage bleibt zudem: Wenn der jetzt ausgehandelte Pakt für bei Seiten, also Betriebsrat und Vorstandschaft so perfekt, so einvernehmlich und für beide Seiten zufriedenstellend ist, wieso müssen dann Vorstände wie Wendelin Göbel und Bernd Martens ihre Sessel räumen? Wenn das jetzt verabschiedete Personalszenario beispielsweise auch beim Aufsichtsrat so viel Zustimmung fände, müsste man ja dem Urgestein Göbel die Füße küssen statt ihn zu feuern.

Und bei all dem Positiven dieses jetzt ausgehandelten Zukunftspakt bleibt dennoch ein gewisses Unbehagen zurück. Nicht oder nicht nur, weil Audi sich in den vergangenen Jahren kaum das Vertrauen verdient hat, das es bei seinen Beschäftigten gerne genießen würde. Sondern auch, weil wir spätestens seit Homers Erzählung vom Trojanischen Pferd um die Gefahren großzügiger Geschenke wissen. Bleibt also zu hoffen, dass diese milde Gabe des Konzerns kein Danaergeschenk ist. „Equo ne credite, Teucri“ – „Traut nicht dem Pferd, Trojaner“, sagt der Seher Laokoon in Homers „Aeneis“. Heute würde er wohl sagen: „Audi ne credite, Audiani.“