Vitamin-D-Mangel Risiko für schweren Corona-Verlauf?

Die Studienlage ist nicht eindeutig - doch auch in Ingolstadt sind einige Fachleute da durchaus aufgeschlossen

24.02.2021 | Stand 24.02.2021, 10:06 Uhr
In den Apotheken gibt es Vitamin-D-Präparate es in vielen Variationen. Doch schützen sie vor einem schweren Corona-Verlauf? −Foto: Hammer

Die Studienlage ist nicht eindeutig - doch auch in Ingolstadt sind einige Fachleute da durchaus aufgeschlossen

(ty) In den offiziellen Leitlinien zur Behandlung von Covid-19-Patienten ist es nicht enthalten. Doch die Stimmen und wissenschaftlichen Arbeiten, die einen schweren oder lebensbedrohlichen Verlauf der Krankheit mit einem Mangel an Vitamin D in Verbindung bringen, werden mehr. Einen evidenzbasierten Zusammenhang gibt es noch nicht. Die Kausalität ist nicht erwiesen. Doch auch das RKI verweist auf seiner Homepage auf die Bedeutung einer ausreichenden Vitamin-D-Versorgung für ein gut funktionierendes Immunsystem. Vitamin D zur Prävention. Wie wichtig ist das gerade in der Zeit einer Pandemie?

Im Gegensatz zu allen anderen Vitaminen, die der Mensch über die Nahrung zu sich nimmt, kann unser Körper mit der Sonne Vitamin D selbst bilden. Die Nahrung - Vitamin D ist insbesondere in fettem Seefisch - deckt den Bedarf nur bedingt. Etwa 60 Prozent der Erwachsenen haben laut dem Ingolstädter Apotheker Anton Brandl einen zu niedrigen Vitamin-D-Spiegel. Insbesondere im Winter und bei Senioren ist der Mangel ausgeprägt.

Joachim Munk, Intensivmediziner und leitender Oberarzt der Anästhesie der Kliniken im Naturpark Altmühltal in Eichstätt, hat sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Er sagt: "Vitamin D hat viele positiven Auswirkungen auf den Körper und das Immunsystem. " Werde ein Mangel substituiert, werde die Anzahl schwerer Atemwegsinfekte reduziert. "Das ist evidenzbasiert. " Munk sieht beim Thema Vitamin D und Corona aber vor allem vorbeugenden Charakter. Die Wirkung sei umstritten. "Ich persönlich würde bei jedem alten Menschen, der mit Corona ins Krankenhaus kommt, den Vitamin-D-Spiegel bestimmen", sagt der Arzt. Gerade Senioren, die aus dem Heim kommen, hätten oft einen sehr niedrigen Spiegel. Bei Senioren, die in der Geriatrie in Eichstätt aufgenommen werden, werde der Spiegel von Vitamin D, B12 und Folsäure gemessen. "Und häufig substituiert. " Mit Aussagen, dass Vitamin D bei der Behandlung von Covid-19 funktioniert, müsse man noch vorsichtig sein. Munk hofft auf das Ergebnis derzeit laufender Interventionsstudien.

Genug wissenschaftliche Erkenntnisse seien schon da, findet der Ingolstädter Zahnmediziner Gerd Christiansen. Er ist selbst in seinem Fachgebiet viel in der Forschung tätig. Und verweist auf seiner Homepage auf den Corona-Selbsthilfe-Ratgeber von Ludwig Manfred Jacob, Gründer des Dr. Jacobs Instituts für komplementär-medizinische Forschung. Jacob behauptet darin unter anderem, Vitamin-D-Mangel berge ein zehnfach erhöhtes Risiko für eine tödliche Coronavirus-Infektion. Der in Würzburg geborene Mediziner, der 2008 den Doktortitel der Medizin "magna cum laude" erhielt, stützt dies auf zwei klinische Beobachtungsstudien aus Asien. Sie zeigten, dass das Risiko für einen lebensbedrohlichen Verlauf bei Patienten mit niedrigen Vitamin-D-Werten deutlich höher liege als bei guten. Störfaktoren wie Alter oder Vorerkrankungen seien in den Studien bereinigt. Unter "gutem Wert" versteht Jacob in Anlehnung an Empfehlungen aus den USA einen Blutserumswert von über 75 nmol/l. Das entspricht der in Deutschland gängigeren Einheit von 30 Nanogramm pro Milliliter. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt einen Wert von mindestens 20. Laut Jacob ist das zu wenig. In Studien sei damit die positive Wirkung nicht ersichtlich.

Doch was heißt das alles für den Laien? Vitamin D3, das die beste Wirkung haben soll, in zu hohen Dosen eingenommen ist toxisch. In den USA werden als sicheres oberes Limit zwischen 5000 und 10000 Einheiten pro Tag genannt. Älteren Menschen wird die tägliche Einnahme von 4000 Einheiten empfohlen. Diese Dosis nennt als Höchstmenge auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Die Deutsche Gesellschaft zur Ernährung empfiehlt täglich 800 Einheiten. Um eine Überdosierung zu vermeiden, rät Apotheker Brandl, vom Hausarzt den Vitamin-D-Wert bestimmen zu lassen.

Der Leiter des Ingolstädter Gesundheitsamts, Klaus Friedrich, rät von Nahrungsergänzungsmitteln ab. Er rät zu Sonne und ausgewogener Ernährung und sieht die Studien zu Vitamin D und Corona skeptisch. Andere Gesundheitsämter sind aufgeschlossener. Das der Freien Hansestadt Bremen widmet auf seiner Homepage dem Vitamin-D-Mangel bei Senioren eine eigene Seite.