Verantwortlicher Staatsanwalt im laufenden Verfahren versetzt

Dominik Kieninger wechselte in die übergeordnete Behörde

04.02.2021 | Stand 04.02.2021, 7:15 Uhr
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Tags: Audi, sales, model range, single frame, symbol, brand, logo. −Foto: Audi

Dominik Kieninger wechselte in die übergeordnete Behörde

Von Horst Richter

Das ist ungewöhnlich für ein Verfahren dieser Dimension: Mitten im laufenden Prozess am Landgericht München II um den Dieselbetrug bei Audi ist einer, der seit Jahren mit dem Fall beschäftigt war und am besten damit vertraut ist, nicht mehr zuständig. Staatsanwalt Dominik Kieninger wechselte am 1. Februar "nach oben" zur Generalstaatsanwaltschaft.

Er hatte maßgeblich an den Ermittlungen mitgewirkt und zur Anklage gegen Ex-Audi-Chef Rupert Stadler, den früheren Porsche-Vorstand und Audi-Motorenchef Wolfgang Hatz sowie die ehemaligen Entwickler Giovanni P. und Henning L. beigetragen. Kieninger kam diese Woche nicht mehr zur Verhandlung, stehe aber für das Verfahren "bei Fragen jederzeit auf Abruf zur Verfügung", hieß es am Mittwoch. Für ihn vertritt jetzt Nico Petzka die Behörde.

Die Verhandlungstage 25 und 26 in dem Münchner Audi-Prozess brachten diese Woche erneut keinen Hinweis, wer für die Manipulationen an Diesel-Abgassystemen verantwortlich ist. Dafür zeigten die Zeugenvernehmungen einmal mehr, wie unzureichend die Vernetzung bei den Ingolstädter Autobauern funktionierte. Und es stellte sich die Frage: Ist das Abgassystem eines VW-Dieselmodells mit manipulativer Software versehen worden, obwohl das Auto die gesetzlichen Vorgaben auch ohne solchen Betrug eingehalten hätte? Das legt die Aussage eines Maschinenbauingenieurs nahe.

Der VW Touareg und der Audi Q7 für den amerikanischen Markt waren weitgehend baugleich, allerdings war der Adbluetank des VW um sieben Liter kleiner. Das sollte per Software kompensiert werden. Der Audi erhielt denselben Datensatz, um es einheitlich zu machen, obwohl sein Tank zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben groß genug gewesen wäre. Tricksereien wären beim VW ebenfalls nicht nötig gewesen, weil die Wolfsburger das Problem über kürzere Serviceintervalle von 5000 statt 10 000 Meilen wie beim Q7 gelöst hatten.

Nur hatte das nicht alle Audi-Entwickler erreicht. Also manipulierten sie beim Touareg ebenso weiter wie beim Q7. Das räumte ein damals in der fraglichen Abteilung tätiger Zeuge am Dienstag ein. Jörg Habetha, einer der Verteidiger des Angeklagten Wolfgang Hatz, hatte das Thema zuvor über eine E-Mail vom 25. Juni 2008 ins Verfahren eingebracht. Darin geht es um das heruntergesetzte Serviceintervall beim Touareg-Modell für den US-Markt.

Dass die interne Kommunikation im Hause Audi nicht reibungslos funktionierte, kommt im ersten Verfahren um den Dieselbetrug auf deutschem Boden immer wieder zur Sprache. Bisherige Aussagen in dem Prozess legen zudem den Schluss nahe, dass es beim Meldeweg hinauf in die Führungsebenen ebenfalls Defizite gab. Problemmitteilungen - unter anderem auch zur Adblue-Thematik - seien "weichgespült" nach oben durchgereicht worden.

Audi hatte schon ab 2007 begonnen, an zwei Betriebsarten bei der Abgasnachbehandlung zu arbeiten - einerseits, um eine "intelligente Lösung" für die von Vorentwicklern zu klein dimensionierten Adblue-Behälter zu finden, andererseits, um Probleme mit Ablagerungen im Abgassystem zu beseitigen. Im sogenannten Speichermodus wurde permanent Harnstofflösung zugeführt, um den Stickoxidausstoß maximal zu reduzieren. Der Onlinemodus regelte den Adblue-Verbrauch dagegen herab, was zwar die Ablagerungen beseitigte und Verbrauchsprobleme löste, zugleich aber die Stickoxidminderung negativ beeinflusste. Der Onlinebetrieb sei ursprünglich ein intelligenter Hilfsmodus gewesen, mit von Bosch bereitgestellten Grunddaten, um das System zu reinigen, sagte der diese Woche gehörte Maschinenbauingenieur. Er sprach von einer "sehr eleganten Arbeitsweise". Später sei damit aber der Adblue-Verbrauch gedeckelt worden. Aus dem "Schornsteinfeger" wurde eine "Spardose" gemacht, hieß es. Gesetzeskonform war das am Ende nicht mehr.

Schlüssige Beweise gegen einen der vier Angeklagten fehlen weiter, zur Debatte stehen meist immer dieselben Indizien, darunter "die berühmte Bescheißen-E-Mail" (Originalton eines Beisitzers) mit der Einschätzung, dass es ohne Tricksereien wohl nicht geht. Auch andere gerieten ins Visier der Justiz, allein die Zeugenliste enthält elf Namen von "anderweitig Verfolgten", bei einigen sind die Ermittlungen eingestellt worden. Stadlers Verteidiger Thilo Pfordte regte diese Woche mit einem Augenzwinkern, aber mit ernstem Hintergrund an, die Staatsanwaltschaft möge doch eine Liste erstellen, "wann wir mit der Einstellung der nächsten Verfahren rechnen dürfen". Dass er seinen Mandanten zu Unrecht vor Gericht sieht, hatten er und seine Kollegin Ulrike Thole mehrfach kundgetan. Auch Wolfgang Hatz bestreitet jegliche Schuld.