Wie der Stadtrat den Tod der Innenstadt vorantreibt
Unsere Stadt soll öder werden

08.03.2023 | Stand 08.03.2023, 21:33 Uhr
Verkaufsoffener Feiertag −Foto: Schmatloch

Von Michael Schmatloch

Kaum ein Romantitel passt besser zu den jüngsten Entscheidungen des Ingolstädter Stadtrates, als die „Chronik eines angekündigten Todes“.  Im Gegensatz zu dem Werk des kolumbianischen Schriftstellers Gabriel García Márquez jedoch, in dem er schildert, wie ein ganzes Dorf von einem bevorstehenden Mord weiß, aber niemand ihn zu verhindern vermag, geht es in der Ingolstädter Variante der „Chronik eines angekündigten Todes“ um das Ableben der Schanzer Innenstadt. Und für das tut der Stadtrat mehrheitlich ja nun wirklich alles, damit es bald eintritt.

Ob nun der geplante und nicht wirklich durchdachte Boulevard, der die Harderstraße in ein Nadelöhr verwandeln soll, die verkehrsreduzierte Schloßlände oder im jüngsten Fall die totale Abschaffung verkaufsoffener Sonn- oder Feiertage. Mehr kann man von politischer Seite kaum tun, um die Geschäfte und den Betrieb in der Innenstadt abzuwürgen. 

Im Juli 2017 hatte der Stadtrat die Freigabe von Verkaufszeiten in der Altstadt am Tag der Deutschen Einheit beschlossen, sofern der nicht auf einen Sonntag fällt. Dieser Beschluss war auf sechs Jahre befristet und läuft demnach heuer aus. Und der Stadtrat hat in seiner jüngsten Sitzung nicht einmal diese Regelung verlängert. 

Nachdem die Entscheidung also gefallen war, auch den einzigen verkaufsoffenen Feiertag in Ingolstadt zu beerdigen, ist das Entsetzen in der Bevölkerung ebenso groß wie das Erschrecken vieler Stadträte über ihre eigene fragwürdige Entscheidung. Eilig setzten sich die Parteien zusammen, um über Schadensbegrenzung zu sprechen. Und kommenden Montag soll ein weiteres Gespräch folgen, um zu beraten, wie man dem durchaus gerechtfertigten Eindruck tiefster Provinzialität des Ingolstädter Stadtrates begegnen könnte. 

Alle Stadtratsparteien sind geladen, nicht jedoch die AfD. Die indes braucht man nicht zu überzeugen, den deren Stadträte waren für verkaufsoffene Sonntage. Und sind es weiterhin. Während nun die anderen Fraktionen über eine Schadenbegrenzung debattieren, hat die AfD bereits einen neuen Antrag gestellt, um wenigstens 2024 verkaufsoffene Sonn- oder Feiertage in Ingolstadt zu ermöglichen.

Demnach soll ein verkaufsoffener Sonn- oder Feiertag an einem Tag während des Pfingstvolksfestes stattfinden. Einen weiteren verkaufsoffenen Feiertag beantragt die Partei am Tag der Deutschen Einheit. Und ein dritter verkaufsoffener Sonntag oder Feiertag soll in Abstimmung mit IN-City stattfinden. Für diese Tage soll laut AfD kostenloses Parken in der ganzen Innenstadt gelten sowie kostenloses Fahren mit dem Bus von 10 bis 22 Uhr. 

„Die Einzelhändler, Gastronomen und Geschäftstreibende in der Innenstadt sind sich einig, dass es verkaufsoffene Sonn- und Feiertage weiterhin geben muss“, argumentiert die AfD, „neben zusätzlichen Einnahmen für den Einzelhandel und die Gastronomie steigen dadurch auch die Steuereinnahmen der Stadt Ingolstadt. Wir fordern alle Kolleginnen und Kollegen auf, diesem Antrag zuzustimmen, damit unsere Innenstadt im Kampf gegen den Online-Handel bestehen kann.“

„Es ist schwer zu vermitteln, dass die Innenstadt im Fokus liegt, wenn so naheliegende Maßnahmen wie ein bis zwei verkaufsoffene Sonntage nicht umgesetzt werden“, meint denn auch Wirtschaftsreferent Georg Rosenfeld. Dass sie beziehungsweise deren Zukunft tatsächlich im Fokus liegt und nicht wieder einmal verschlafen wird, ist in der Tat bei derartigen Entscheidungen kaum nachzuvollziehen. Doch wie heißt es so treffend: Ingolstadt ist eben die Stadt der unbegrenzten Unmöglichkeiten. The City that ever sleeps.