Blockaden, Korsos, Sternfahrten
Über 200 Bauerndemos in Bayern angemeldet: Das erwartet Autofahrer

07.01.2024 | Stand 08.01.2024, 7:37 Uhr

In Bayern sind ab Montag laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) 208 Versammlungen mit Tausenden Traktoren angemeldet. − Foto: dpa-Bildfunk

Wer am Montag mit dem Auto unterwegs ist, bekommt unter Umständen viele Traktoren, aber nicht die Autobahn zu sehen. Tausende Bauern wollen gegen die Agrarpolitik demonstrieren. Ihr Verband mahnt zur Mäßigung. Die Stimmung ist aufgeheizt.



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Der Bauernverband plant eine Protestwoche, die am 15. Januar mit einer Demonstration in Berlin gipfeln soll. In Berlin soll es bereits an diesem Montag auch eine Demonstration mit Traktoren am Brandenburger Tor geben. In Bayern sind ab Montag laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) 208 Versammlungen mit Tausenden Traktoren angemeldet. Darunter sind Großkundgebungen in München, Augsburg und Nürnberg am Montag, Mittwoch und Freitag.

Traktorkorsos soll es geben, Sternfahrten, Kundgebungen – und auch Blockaden an Auf- und Zufahrten von Autobahnen und Bundesstraßen. Teils geht es um 5 Uhr morgens los, etwa im Landkreis Kelheim. Allein dort soll es laut Landratsamt Demonstrationen an 24 Standorten geben. Landwirte wollten dabei mit ihren Traktoren vor allem die Auffahrten zu Bundesstraßen und zur A93 blockieren. Auch das Landratsamt Haßberge in Unterfranken warnte, dass Auffahrten auf Autobahnen – insbesondere die A70 – sowie Zufahrten zu Bundesstraßen stark eingeschränkt und teilweise nicht möglich sein werden.



Sternfahrt in München



Am Montag dürfte es vor allem rund um München eng werden. Zu der Kundgebung werden mehrere Tausend Teilnehmer erwartet. Die Polizei rechnet mit Hunderten Traktoren, die in einer Sternfahrt zum Versammlungsplatz in der Innenstadt fahren wollen.

Zudem beginnen nach den Weihnachtsferien die Schulen - und das Land Tirol hat bei Kufstein Blockabfertigungen angekündigt. Die Polizei wird gut zu tun haben. „Es wird großer Einsatz“, heißt es bei den Beamten.

Schwerpunkte in Mittelfranken und Regensburg



Ein Schwerpunkt liegt am Montag auch in Mittelfranken, dort sind Aktionen in Roth, Erlangen, Ansbach und Gunzenhausen angekündigt. Größere Kundgebungen soll es zum Beispiel auch in Regensburg, Nördlingen und Sonthofen geben. Wie und wo in Bayern und der Region am Montag protestiert wird lesen Sie in unserem Blog.

Spontane Aktionen erwartet



Erwartet werden auch spontane Aktionen – teils womöglich jenseits der gesetzlichen Grenzen. Felßner, auch Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, erteilte Verschwörungstheoretikern und Extremisten eine klare Absage. Man mache „nicht gemeinsame Sache“ mit Trittbrettfahrern, die die Bauernproteste für eigene Zwecke missbrauchen wollten.

Eskalationsstufen angekündigt



Felßner kündigte aber auch weitere Eskalationsstufen an, sollte die Bundesregierung bis zum 15. Januar nicht einlenken - dann beginnen die Haushaltsberatungen im Bundestag. „Wir sind bereit, das Land lahm zu legen wie es Deutschland noch nicht gesehen hat, wenn am 15. Januar die Vorschläge nicht vom Tisch sind.“

Die Stimmung ist aufgeheizt. Die Kontrolle scheint dem Bauernverband teils entglitten. Am Donnerstag hatten Landwirte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an der Nordseeküste am Verlassen einer Fähre gehindert – die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Verdachts der Nötigung.

Innenminister Herrmann signalisierte Sympathie für die politischen Ziele, rief die Bauern aber zur Einhaltung der Gesetze auf. „Das Verfolgen eines hehren Zieles ist keine Rechtfertigung, Straftaten zu begehen“, warnte Herrmann. „Gezielte Blockaden werden wir nicht tolerieren.“ Auch für Sperrungen von Autobahnen sieht er keine Grundlage. „Ich kann nur dringend raten, die Grenzen richtig zu setzen.“ Die Klimaaktivisten hätten erfahren müssen, wie schnell der Rückhalt in der Bevölkerung schwinden kann, wenn Aktionen als überzogen gewertet werden.

Schulen und Arbeitgeber reagieren



Es könne schon sein, dass einmal ein Auto langsamer fahren müsse, sagte Felßner. Aber: „Die Aktionen sollen möglichst wenig die Bevölkerung beeinträchtigen.“ Dass sich das nicht umsetzen lässt, ist allerdings jetzt schon klar. Arbeitgeber schicken ihr Personal ins Homeoffice. Landratsämter warnen vor erheblichen Behinderungen. In manchen bayerischen Schulen dürfte es Distanzunterricht geben; Schülerinnen und Schüler, die es nicht zum Unterricht schaffen, müssen sich melden und gelten laut Kultusministerium dann als entschuldigt.

Große Sternfahrt am Freitag in Deggendorf



Bereits in der zurückliegenden Woche hatten zahlreiche Landwirte in Bayern gegen die Sparpläne der Bundesregierung demonstriert, unter anderem am Freitagabend in Deggendorf. Dort rollten nach Angaben der Polizei etwa 850 Traktoren bei einer Sternfahrt hupend durch die Straßen. „Die Protestaktion verlief friedlich und es kam zu keinen Straftaten“, teilte die Polizei mit. Auch in Straubing gab es am Freitagabend eine Sternfahrt.

Bäcker, Metzger und Müller beteiligen sich an Protesten



An den Protesten ab Montag wollen sich auch andere Branchen beteiligen. Etwa Bäcker, Metzger und Müller haben laut Bayerischem Handwerkstag ihre Unterstützung der Auftaktdemonstration am Montag in München angekündigt. Ihr Protest richtet sich gegen die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent im Gastro-Bereich sowie gegen den Wegfall der Strom- und Gaspreisbremsen, außerdem gegen die Erhöhung der CO2-Abgabe und die neue Lkw-Maut. Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) will sich den Protesten anschließen.

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Aiwanger will „ganz vorne dabei sein“



Sogar Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und seine Partei, die Freien Wähler, wollen bei den Bauernprotesten „ganz vorne dabei sein“, sagte er am Samstag beim Dreikönigstreffen in Bad Füssing (Landkreis Passau). Dass es bei den Demonstrationen keine kriminellen Aktionen und Sachbeschädigungen geben dürfe, sei eine Selbstverständlichkeit. Er wolle dafür sorgen, dass die Landwirte die Plätze, auf denen sie protestieren, sauberer verlassen, als sie es vorher waren. „Bauern wissen sich zu benehmen“, betonte der Parteichef, der selbst Landwirt ist.

Felßner: „Wir bekommen stündlich Solidaritätsbekundungen von Leuten, mit denen wir vorher nicht unbedingt zu tun hatten. Das hat eine bisher ungekannte Schubkraft entwickelt.“

− dpa