Trauer und Tränen

Galeria Karstadt-Kaufhof schließt voraussichtlich am 31. Oktober - Problem mit einem abgerissenen Haus

22.06.2020 | Stand 22.06.2020, 23:21 Uhr
Kaufhof −Foto: Schmatloch

Galeria Karstadt-Kaufhof schließt voraussichtlich am 31. Oktober - Problem mit einem abgerissenen Haus

Auch am Montag bildet sich mittags, wie schon am Samstag, eine lange Schlange an der Kasse, und viele Kunden verstehen beim besten Willen nicht, warum ausgerechnet für die Ingolstädter Filiale von Galeria Karstadt-Kaufhof das Aus kommen soll. Wo es doch so gut läuft. "Das ist wohl der Schließungseffekt", vermutet Betriebsratsvorsitzender Dagobert Rabensteiner, der seit 41 Jahren im Haus beschäftigt ist. "Unsere Verkäuferinnen und Verkäufer kommen gar nicht groß zum Nachdenken, weil sie so viel zu tun haben. Das muss erst langsam sacken", beschreibt Rabensteiner die Stimmung in der Belegschaft, die am Freitag informiert wurde. "Da herrscht keine Wut. Nur Enttäuschung und Trauer. " Und Tränen seien geflossen. Filialgeschäftsführer Markus Pinzner darf nicht mit der Presse reden und sagt nur soviel: "Die Mitarbeiter sind sehr betroffen. "

Der Betriebsratsvorsitzende rechnet damit, dass die Filiale am 31. Oktober für immer schließen wird. Und das, obwohl es zuletzt eigentlich wieder recht gut lief. "Wir waren nach der verlorenen Zeit durch den Umbau der Fußgängerzone wieder leicht im Plus", sagt Rabensteiner. Allerdings gingen die Umsätze schon seit Jahren zurück, heißt es aus informierten Kreisen. Erst 2019 sei im Zuge der Restrukturierungsmaßnahmen Personal abgebaut worden - insgesamt zehn Vollzeitstellen, so Rabensteiner. Auf der Fläche hatte das große Kaufhaus danach zu wenig Verkaufspersonal, Kunden suchten manchmal vergeblich nach einer Fachkraft. Das wiederum wirkte sich negativ auf die Umsätze aus - eine Abwärtsspirale. Für Insider ein Sterben auf Raten.

Der Betriebsratsvorsitzende sieht den Hauptgrund für die Schließung der Filiale tatsächlich in einem Immobilien-Problem. Denn im Zuge des 1989 fertiggestellten Umbaus wurde seinerzeit ein Gebäude abgerissen, dessen Grund einer Erbengemeinschaft gehört. Auf alten Fotos ist es gut an seinem markanten Treppengiebel zu erkennen. Die Besitzer sicherten sich jedoch vertraglich eine Rückbauverpflichtung zu, also eine Wiederherstellung des Objekts - ein millionenschweres Damoklesschwert. "Diese Rückbau-Klausel ist der Knackpunkt", meint Rabensteiner. "Sie glauben wohl, dass sie durch das Schutzschirmverfahren aus diesem Vertrag rauskommen. "

Fest steht: Eine Entwicklung des Areals, etwa unter Federführung der Stadt Ingolstadt, ist nur möglich, wenn man sich mit den Erben einigt. Der Eigentümer aber der lehnt eine Stellungnahme ab. Am Montag wurde Oberbürgermeister Christian Scharpf über den aktuellen Stand informiert. "Unser OB versucht zumindest, sich für uns einzusetzen", sagt Rabensteiner. "Aber ich fürchte, uns läuft die Zeit davon. "

Viele Menschen bemühen sich um die Rettung der Filiale und der Arbeitsplätze. "Wir lassen nichts unversucht und haben den Vermieter und Investoren kontaktiert", sagt Reinhard Semmler, stellvertretender Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Ingolstadt. "Aber es gibt nichts Greifbares. Wir geben jedoch nicht auf: Vielleicht können sich die Standorte, die geschlossen werden sollen, zusammentun? Warum sollte nicht eine Stadt ein Kaufhaus betreiben? " Semmler betont, er habe vorher nicht damit gerechnet, dass Ingolstadt auf der Streichliste landen würde - "weil wir ja kein Doppelstandort sind".

Beim DGB wird die Entscheidung für die Schließung "mit Entsetzen" wahrgenommen, heißt es in einer Mitteilung aus dem Gewerkschaftshaus. "Wir werden mit aller Kraft für die Zukunft der Beschäftigten kämpfen. Dafür sind jetzt Politik, Eigentümer und Vermieter in der Verantwortung", erklärt Stadtverbandsvorsitzender Bernhard Stiedl.

Zurzeit arbeiten in der Ingolstädter Filiale 65 Menschen. Darunter etliche alleinstehende Frauen und alleinerziehende Mütter in Teilzeit sowie viele langjährige ältere Beschäftigte. "Keiner hat einen Plan", so der Betriebsratsvorsitzende. "Aber wir halten zusammen wie eine Familie. " Er selbst ist mit einer Kollegin verheiratet, die er im Kaufhof kennengelernt hat. Ehefrau Martina, seit 35 Jahren im Unternehmen, sagt mit Tränen in den Augen: "Uns trifft's also doppelt.“

Von Suzanne Schattenhofer