Stunde der Aufklärung

Der Stadtrat befasste sich zwei geschlagene Stunden lang mit der Lärmschutzwand in der Manchinger Straße

13.02.2020 | Stand 13.02.2020, 19:20 Uhr
Fritz Kroll −Foto: Schmatloch

Der Stadtrat befasste sich zwei geschlagene Stunden lang mit der Lärmschutzwand in der Manchinger Straße

(ty) Ganz im Zeichen der Vergangenheitsbewältigung stand die heutige Sitzung des Ingolstädter Stadtrates. Zwei Themen waren es, die seit Wochen die Gemüter erregen. Und die Vergangenheitsbewältigung hat in Ingolstadt derzeit nur einen Namen: Alfred Lehmann. Hat der Ex-OB die Lärmschutzwand in der Manchinger Straße sozusagen bauen lassen, weil er selbst in den umgebauten Kasernengebäuden eine Reihe von Wohnungen besitzt und so deren Wert steigern wollte und hat er aus diesem Grund von der Verwaltung ein Gefälligkeitsgutachten erstellen lassen? Und hat er bei städtischen Grundstücksgeschäften ebenfalls die Hand aufgehalten und sich von den Immobilienmaklern Provision zahlen lassen? Um diese Fragen ging es gute zwei Stunden lang. Rechtsanwalt Fritz Kroll, von der Stadt mit der Aufklärung der beiden Fälle betraut, ging die Sache denn auch mit juristischer Akribie an und legte vor allem den Fall der Lärmschutzwand mit seinen ebenso präzisen wie einschläfernden Ausführungen haarklein dar.

Es ging – zur Erinnerung – um den Vorwurf, dass die Lärmschutzwand nach der Installation eines sogenannten Flüsterasphaltes nicht notwendig gewesen wäre und nur deswegen zustande gekommen sein soll, weil der damalige Oberbürgermeister Lehmann seine Verwaltung „höflich gebeten“ haben soll, doch ein entsprechendes Gutachten zu erstellen und für die Entscheidung im Stadtrat jene vom Umweltamt erstellte Stellungnahme nicht zur Entscheidungsfindung heranzuziehen.

Am Ende ergab sich aus Krolls detailreichen Recherchen grob vereinfacht folgendes Bild: Es gab ein Gutachten, dass den Bau einer Lärmschutzwand empfohlen hat, weil die Grenzwerte bei 24 000 Autos pro Tag überschritten werden. Und das Gutachten wurde erstellt, als Lehmann seine Wohnungen dort noch nicht hatte. In diesem Gutachten werden sogar verschiedene Varianten einer Lärmschutzwand verglichen und in ihrer Wirksamkeit nach Höhe und Standort beschrieben.

Nun aber ließ die Stadt die Manchinger Straße mit Flüsterasphalt ausstatten, was den Lärmpegel unter die gesetzlich vorgeschriebenen Werte drückte. Kein Gutachten, wie es fälschlicherweise in einem Medienbericht hieß, sondern eine Stellungnahme des Umweltamtes kam danach zu dem Ergebnis, dass eine Lärmschutzwand nun nicht mehr vonnöten sei. Die Stellungnahme gab aber auch zu bedenken, dass Flüsterasphalt nach etwa fünf Jahren seine Wirkung verliert. Was man als Ingolstädter selbstredend aus den Erfahrungen mit der Westlichen Ringstraße weiß, auf der der Flüsterasphalt bereits erneuert werden musste. Auf dieser Grundlage hat sich der damalige Umweltreferent Wolfgang Scheuer für den Bau einer Lärmschutzwand ausgesprochen, ohne, wie er in der Stadtratssitzung betonte, in dieser Angelegenheit jemals Kontakt mit Alfred Lehmann gehabt zu haben.

Die Historie der ins Gerede gekommenen Mauer wäre auch beinahe interessant, wären da nicht Umstände, die die ganze Aufregung und öffentliche Diskussion überflüssig machten. Denn in den Verträgen zwischen der städtischen Tochter IFG und den Käufern der ehemaligen Kasernenbauten war weit früher bereits der Bau einer Lärmschutzwand vertraglich zugesichert. Und einige Käufer hatten zudem genau deswegen mehr Geld hinlegen müssen als Beteiligungsbeitrag für die Lärmschutzwand.

Das Leben könnte so einfach sein, hätten nicht gewisse Stadträte dennoch massiven Gesprächsbedarf, weil sie sich entweder wundern, dass sie bestimmte Sitzungsunterlagen aus dem Jahr 2010 auf elektronischem Wege nicht finden konnten, was zu einer beinahe heimtückischen Attacke zwischen Achim Werner (SPD) und Peter Springl (FW) und einer spontanen Verschwörungstheorie von Werner führte. Dabei ist die Aufklärung ganz simpel: Zu diesem Zeitpunkt war der Verwaltungsrat der IFG noch nicht an das digitale Informationssystem angeschlossen. Oder aber, weil sie den Ausführungen von Fritz Kroll zu folgen nicht in der Lage waren und Fragen stellten, die bereits von ihm beantwortet waren.

So dauerte es also zwei Stunden, bis Manfred Schumann (SPD) der Kragen platze und er forderte, diese fruchtlose Diskussion sofort einzustellen. Erstaunlicherweise nahm diese in hohem Maße überflüssige Diskussion weit mehr Raum ein als die sich anschließende um die fragwürdigen Beraterhonorare von Alfred Lehmann. Futter hatte die Angelegenheit bekommen durch ein ominöses, aber nie zustande gekommenes Grundstücksgeschäft beim Klinikum, wo die Frau eines bekannten Medienmannes Grund besitzt und er deswegen sowohl vom Klinikum als auch von Alfred Lehmann angesprochen worden sei, ob dieser Grund für eine Erweiterung des Klinikums zum Verkauf stünde. Der dritte im Bunde: der ehemalige Pressesprecher der Stadt, Gerd Treffer, der zu jenem Medienmann seit Langem ein freundschaftliches Verhältnis unterhält. Und natürlich haben die beiden über das Grundstück gesprochen und auch über die verwunderliche Tatsache, dass Alfred Lehmann sich in den Deal eingeschaltet hat. Damals war Lehmann übrigens nur noch normaler Stadtrat. Und kein OB mehr. Und die Frage, die die Opposition umtreibt: Hat Gerd Treffer seinem Dienstherren Christian Lösel von diesem Gespräch erzählt und ihn somit auf den Verdacht anrüchigen Geschäfte von Lehmann hingewiesen?

Nein, sagt Treffer. „Ich habe Herrn Oberbürgermeister über ein privates Gespräch mit Herrn Käbisch bezüglich der Tatsache, dass nach seinem Bekunden mehrere Makler an ihn herangetreten seien, aufgrund des privaten und freundschaftlichen Charakters dieses Gespräches natürlich nicht unterrichtet.“ Und er weise die Behauptung der SPD, dies sei eine „dienstpflichtwidrige Unterlassung“ ausdrücklich zurück.

Woher aber stammen die Zahlungseingänge auf Alfred Lehmanns Konto, die im Zuge des Verfahrens vor dem Landgericht bekannt geworden sind? Das es sich um Honorarzahlen von Maklern an Lehmann im Zusammenhang mit städtischen Grundstücksgeschäften handeln könnte, darüber gebe es keine Nachweise, hieß es in der Sitzung. „Der Stadtverwaltung liegen keine Nachweise darüber vor, dass die im Rahmen der Hauptverhandlung bekannt gewordenen Zahlungseingänge bei Lehmann in Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften mit der Stadt Ingolstadt stehen. Die Staatsanwaltschaft hatte bei den Honoraren damals übrigens keine Anhaltspunkte für ein strafbares Handeln gesehen. Ein Dienstvergehen sei nicht nachweisbar, weil die Einschaltung der Makler nicht direkt auf Lehmann zurückzuführen sei. „Sollte es sich tatsächlich um Provisionszahlungen im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften mit der Stadt gehandelt haben, wäre dies nicht zu billigen und ein enttäuschendes Verhalten“, äußerte sich Oberbürgermeister Lösel zu dem Sachverhalt. Er regte zudem an, durch eine entsprechende Formulierung der Geschäftsordnung des kommenden Stadtrates für die Zukunft sicherzustellen, dass alle Mitglieder des Stadtrates Beratertätigkeiten im Zusammenhang mit Rechtsgeschäften der Stadt im Vorfeld transparent und aktiv von sich aus offenbaren müssen.

Ruchbar geworden waren die fragwürdigen Vermittlerprovisionen an Lehmann durch anonyme Briefe im Jahr 2016. Lösel wies Anfang Dezember 2016 die Staatsanwaltschaft auf den Eingang diverser anonymer Briefe hin, wie es heute hieß. Und nahm Kontakt mit jenen Maklerfirmen auf, an die Maklerhonorare von der Stadt Ingolstadt bezahlt worden waren. Eine Firma habe erklärt, dass ihre Zahlung an Lehmann sich nicht auf Grundstücksgeschäfte mit der Stadt Ingolstadt bezogen hätten. Eine zweite Firma habe erklärt, dass sie hierzu keine Auskünfte erteile. „Die Stadt hat keine Möglichkeit, sie zu einer Auskunft zu veranlassen“, so hieß es dazu in der Sitzung. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit städtischen Geschäften könne, soweit es die Ermittlungsmöglichkeiten des Oberbürgermeisters betrifft, nicht nachgewiesen werden. Und ein Schaden sei der Stadt bei diesen Geschäften keinesfalls entstanden. „Weder wurde Alfred Lehmann von der Stadt Ingolstadt mit der Führung von Grundstücksverhandlungen beauftragt, noch hat die Stadt sonstige Dienstleistungen bei ihm beauftragt, noch hat es Zahlungen von Seiten der Stadt Ingolstadt an Lehmann gegeben, noch waren damals Beraterverträge oder Zahlungen von Dritten an Lehmann bekannt“, heißt es in den Ausführungen von Rechtsanwalt Kroll wörtlich.

Keine Fragen, kein Diskussionsbedarf, obschon dieses Thema im Gegensatz zur Lärmschutzwand doch weitaus brisanter ist.