Was tun, wenn Menschen zusammenkommen, um gegen die aktuelle Corona-Politik zu demonstrieren?
Ringen um richtige Strategie

02.01.2021 | Stand 02.01.2021, 21:38 Uhr
Spaziergang −Foto: Schneider

Was tun, wenn Menschen zusammenkommen, um gegen die aktuelle Corona-Politik zu demonstrieren, obwohl die Behörden eigentlich Verbote und Verfügungen erlassen haben? Vor diese Frage ist die bayerische Polizei derzeit gestellt. Aber auch die Kommunen sind gefragt.

DIE AUSGANGSLAGE
Sie nennen sich Spaziergänger, was nett und harmlos klingt. Das Problem: Oft halten sie sich nicht an die Abstandsregeln und tragen keine Masken. Oder missachten Versammlungsverbote oder -einschränkungen, die die Behörden ausgesprochen haben. Sie mobilisieren vorab in einschlägigen Chat-Gruppen. Auch gibt es immer wieder Ausschreitungen - wie etwa in München oder in Schweinfurt, wo ein Brandanschlag auf ein Zivilfahrzeug der Polizei verübt wurde. Am zweiten Weihnachtsfeiertag wurde sogar ein Kind verletzt. Laut Polizei war es in eine Pfefferspraywolke geraten, als seine Mutter eine Polizeiabsperrung durchbrechen wollte. 

DIE KOMMUNEN
Einige Städte reagieren mit Allgemeinverfügungen. Damit wollen sie Eskalationen im Zusammenhang mit den Protesten verhindern. Die Stadt München zum Beispiel untersagt für den 3. und 5. Januar "alle stationären oder sich fortbewegenden Demos im Zusammenhang mit sogenannten "Corona-Spaziergängen"", sofern gegen das Versammlungsgesetz verstoßen wird. Die Teilnahme an nicht angemeldeten und auflagenkonformen Demos gegen die Pandemiebekämpfung ist eine Ordnungswidrigkeit und wird polizeilich verfolgt. Gegen jeden Teilnehmer kann ein Bußgeld bis zu 3000 Euro verhängt werden. - Andere Kommunen erlauben zwar Kundgebungen an einem festen Ort, aber eben keine Demo-Züge. Die Stadt Schweinfurt etwa weist in ihrer Allgemeinverfügung auch ausdrücklich darauf hin, dass Mindestabstände eingehalten und Masken getragen werden müssen.

DIE POLIZEI
In München zeigte die Polizei am vergangenen Mittwochabend deutliche Präsenz, als trotz eines geltenden Versammlungsverbots Gegner der aktuellen Corona-Politik zusammengekommen waren. Mit Lautsprecherdurchsagen wurde den protestierenden Menschen die Teilnahme an nicht genehmigten Versammlungen vorgeworfen und ein Bußgeldverfahren in Aussicht gestellt. Die weitere Bilanz: 700 Ordnungswidrigkeitsanzeigen, 2 Strafen gegen mutmaßliche Organisatoren, Platzverweise für 1300 Menschen, 20 Strafanzeigen wegen Widerstands gegen die Polizei.

Die Polizei resümierte: "Als vorläufiges Fazit kann festgestellt werden, dass sich das einsatztaktische Konzept der Münchner Polizei bewährt hat, da es gelungen ist, flexibel und agil auf die Situationen zu reagieren und Verstöße zu ahnden."

Eine andere Strategie wählte die Polizei in Nürnberg einen Tag später. Obwohl auch hier der Protestzug von mehr als 1000 Menschen nicht angemeldet war, ließ die Polizei die Demonstrantinnen und Demonstranten gewähren.

Hierzu hieß es aus dem Polizeipräsidium: "Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts kann eine nicht angezeigte Versammlung nicht per se verboten vor allem nicht einfach aufgelöst werden." Für Nürnberg lag demnach keine Allgemeinverfügung vor, so dass die Durchführung der Versammlung nicht untersagt werden konnte. "Die Versammlung verlief störungsfrei und die Infektionsschutzbestimmungen wurden weitestgehend eingehalten." Die Versammlungen seien wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen nur schwer vergleichbar und daher gelte es, einzelfallbezogen die erforderlichen Maßnahmen festzulegen.

Dennoch gab es Kritik am Vorgehen der Nürnberger Polizei. "Die radikalen und sich an keine Regeln haltenden "Corona-Rebellen" wurden geradezu ermuntert, so weiterzumachen und auf Regeln und Gesetze zu pfeifen", schrieb des Nürnberger Bündnis Nazistopp. Der Polizeieinsatz müsse aufgearbeitet werden.

DIE TEILNEHMER
Und wer geht derzeit auf die Straße, um zu demonstrieren? Zunächst scheint es klar: Menschen, die sich gegen das Impfen wenden, die die Corona-Einschränkungen kritisieren. Doch das Feld ist diffus. Es handle sich um "eine relativ kleine Gruppe", sagte der Soziologe Armin Nassehi kürzlich im Bayerischen Rundfunk. Diese sehe lauter und größer aus, als sie eigentlich sei. Die Bewegung sei heterogen. 

Doch die Aggressivität wächst. Innenminister Joachim Herrmann führt das auch auf den Einfluss von Rechtsextremisten zurück. Zum einen habe die Diskussion über eine Impfpflicht neuen Schub in die "Querdenker"-Szene gebracht. Andererseits sei auch klar, dass immer mehr Rechtsextremisten versuchen würden, in diesen Bereich hineinzudrängen, sagte Herrmann kürzlich im WDR. Corona sei da möglicherweise zweitrangig: "Denen geht es darum, wirklich unsere Demokratie zu beschädigen, die Substanz unseres Staates anzugreifen."

PROTEST GEGEN DEN PROTEST
Inzwischen regt sich in einigen Orten auch deutlicher Widerspruch aus der Bevölkerung gegen das Gebaren der Demonstrierenden und Protestierenden. In Schweinfurt etwa ist kürzlich eine Erklärung veröffentlicht worden, in der dazu aufgerufen wird, die Maßnahmen zur Pandemie-Eindämmung zu unterstützen. Die katholische und die evangelische Kirche haben sich dem Aufruf angeschlossen. Die Seelsorger der katholischen Stadtkirche schauten mit großer Sorge auf die Entwicklung eskalierender Gewalt bei den sonntagabendlichen Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen und "werben nachdrücklich - gerade auch aus christlicher Verantwortung heraus - darum, die Corona-Pandemie nicht zu verharmlosen und jegliche gemeinsame Kraftanstrengung zu unternehmen, um die pandemische Situation zu überwinden", teilte Stadtpfarrer Joachim Morgenroth mit. (ty)