Pfaffenhofen ruft Klimanotstand aus

Der Stadtrat unterstützt den Antrag des Jugendparlaments - trotz Bedenken wegen des Begriffs

16.11.2019 | Stand 16.11.2019, 8:59 Uhr
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Dieses überspitzte Motiv eines Pfaffenhofener Hauptplatz unter dem Meeresspiegel zierte schon vor über sechs Jahren Postkarten, mit denen die Stadt Pfaffenhofen für Mitarbeit an den städtischen Klimaschutzbemühungen warb. −Foto: Stadt Pfaffenhofen

Der Stadtrat unterstützt den Antrag des Jugendparlaments - trotz Bedenken wegen des Begriffs

(ty) Die Stadt Pfaffenhofen ruft als 65. Kommune Deutschlands und sechste Gemeinde im Freistaat Bayern den Klimanotstand aus. Diese Entscheidung haben die Stadträte am Donnerstagabend mit 24:0 Stimmen getroffen - und damit eine Forderung des Jugendparlaments unterstützt. Ebenfalls ohne Gegenstimme wurde die Verwaltung beauftragt, 34 konkrete von den Jugendlichen vorgetragene Ideen für besseren Klimaschutz zu prüfen, gegebenenfalls detailliert auszuarbeiten und dem Stadtrat zur Einzelentscheidung vorzulegen. Die Ideen reichen von Stadtbussen ohne fossile Energieträger über Stärkung regionaler und saisonaler Bio-Produkte bis zur ÖPNV-Anbindung aller Landkreisgemeinden.

Im Namen der Jugendlichen stellte Manuel Hummler vom Jugendparlament den Antrag vor: "Städte und Gemeinden müssen Verantwortung übernehmen und mit gutem Beispiel vorangehen", forderte er. Er erklärte auch, was der Klimanotstand für Folgen haben müsse: "Zur Umsetzung soll der Stadtrat in seinen Beschlüssen und im Handeln der Stadtverwaltung die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität anerkennen", verlas er im Festsaal. "Es soll verbindlich festgelegt werden, dass ab sofort die Auswirkungen auf das Klima bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden - mit dem Ziel, positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz einzuwirken. " Bei diesem Punkt ließen die Stadträte gleich Taten folgen: Sie beschlossen die Einführung einer Nachhaltigkeitseinschätzung von Beschlussvorlagen des Stadtrats.

Doch was die Kernforderung, also die Ausrufung des Klimanotstands anging, war der Gesprächsbedarf größer: Braucht man über die tatsächlichen städtischen Klimaschutzbemühungen hinaus wirklich ein solches "Etikett"? Wie aus Stadtratskreisen zu hören war, wurde vor der Sitzung an einem Beschlusstext gefeilt, der das Wort "Klimanotstand" konsequent vermeidet, aber gleiches bedeutet. Doch der Kompromiss scheiterte dem Vernehmen nach an den Jugendparlamentariern, die an ihrem Ursprungsantrag festhielten: ganz oder gar nicht.

"Das Wort Klimanotstand hat für kontroverse Debatten gesorgt", räumte Bürgermeister Thomas Herker (SPD) bei der Sitzung ein. Es suggeriere, in Pfaffenhofen sei nichts oder zu wenig passiert. Herker aber verwies auf das Klimaschutzkonzept und viele umgesetzte Bemühungen seit 2013: "Wir haben viel erreicht. "

Die größten semantischen Bedenken gab es in der CSU-Fraktion. "Viele Menschen tun sich schwer mit dem Begriff Notstand", sagte Barbara Breher (CSU) mit Blick auf den historischen Kontext. Und gelte ein Klimanotstand nicht sowieso schon für Pfaffenhofen, wenn ihn UN-Generalsekretär António Guterres weltweit ausgerufen habe? Sie selbst aber stellte klar: "Wir tun viel, aber es ist insgesamt zu wenig. " Jeder müsse selbst wissen, ob man dafür einen Klimanotstand ausrufen müsse oder nicht - und damit meinte Breher auch, dass jedes CSU-Fraktionsmitglied frei abstimmen werde. Ihre persönliche Meinung: "Es tut uns nicht weh. " Und am Ende stimmten tatsächliche alle CSUler bis auf Georg Hammerschmid, der zu diesem Zeitpunkt die Sitzung zeitweise verlassen hatte, für die Ausrufung des Klimanotstands.

Die anderen Fraktionen stellten sich demonstrativ hinter den Jupa-Antrag: "Nur Ignoranten werden leugnen, dass wir in einem Notstand sind", sagte Reinhard Haiplik als Sprecher der Öko-Fraktion. "Da gibt es nichts zu beschönigen. " Gleichzeitig räumte er ein, dass seine Generation hauptverantwortlich für die Klimakrise sei. Umso wichtiger sei es, zu handeln: "Was jetzt aufgeschoben wird, erfordert später doppelte, dreifache oder zehnfache Anstrengung - wenn es nicht gar schon zu spät ist", mahnte Haiplik. Auch SPD-Fraktionssprecher Markus Käser stellte sich voll hinter den Antrag der Jugendlichen: "Klimawandel ist ein verharmlosender Begriff: Es ist eine Klimakrise. "

Grundsätzlich waren sich die Stadträte einig in ihrem Lob für die Jugendlichen: Seinen Respekt sprach etwa Zweiter Bürgermeister Albert Gürtner (FW) aus. "Wir sind stolz auf unser Jugendparlament", betonte auch Altbürgermeister Hans Prechter (CSU). "Die Jugend zeigt uns die Dringlichkeit auf - mit konkreten Handlungsansätzen", betonte der fraktionslose Manfred "Mensch" Mayer (GfG). Er warnte aber vor einer "einseitigen Priorisierung" zugunsten des Klimaschutzes, weil es auch einen Artennotstand gibt.

Und Franz Niedermayr (FDP) lobte das Jugendparlament für "den Beitrag an der Willensbildung der Bevölkerung". Er griff auch gleich den Vorschlag heraus, künftig Bußgelder für das achtlose Wegwerfen von Müll oder Zigarettenkippen auszusprechen.

Wegen provokanter Ideen wie dieser rumorte es im Nachgang der Sitzung gehörig in den Sozialen Netzwerken. Denn unter den 34 Anregungen des Jugendparlaments sind kontroverse Themen wie ein autofreier Hauptplatz oder eine Baumschutzverordnung. Deren Umsetzung wurde allerdings keineswegs beschlossen. Der Stadtrat stimmte lediglich dafür, die Ideen erst einmal auf ihre Umsetzbarkeit hin zu prüfen zu lassen - quasi als "Hausaufgabe", die die Jugendlichen der Stadt gegeben haben - allein schon weil einiges, beispielsweise die Senkung des Wahlalters, gar nicht in der Macht der Kommune liegt.
Von Michael Kraus