Lieber sichere Jobs als Lohnerhöhungen?

Die IG Metall geht jedenfalls neue Wege in der in der Tarifrunde 2020

17.02.2020 | Stand 17.02.2020, 7:42 Uhr
IG −Foto: SCHMATLOCH

Die IG Metall geht jedenfalls neue Wege in der in der Tarifrunde 2020

Lieber sichere Jobs als Lohnerhöhungen? Die IG Metall geht jedenfalls neue Wege in der in der Tarifrunde 2020: Statt der üblichen konkreten Forderungen nach mehr Lohn und Gehalt will die Gewerkschaft mit den Arbeitgebern ein "Moratorium für einen fairen Wandel" vereinbaren. Ziel ist es, bei Verhandlungen noch vor Ende der Friedenspflicht am 28. April (also ohne Warnstreiks) zu Ergebnissen zu kommen - auch hinsichtlich des Entgelts.

Die Arbeitgeber sollen sich bereiterklären, auf Personalabbau, Ausgliederungen, Verlagerungen oder Schließungen von Standorten zu verzichten. Die Metaller wollen im Gegenzug in allen Regionen unmittelbar in Tarifverhandlungen für ein Zukunftspaket einsteigen. Für den Fall eines Scheiterns des Moratoriums beschlossen die Funktionäre bei einem Treffen am Samstag im Ingolstädter Gewerkschaftshaus ebenfalls einstimmig, eine normale Tarifrunde mit einem Forderungskatalog in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie einzuläuten.

Der Erste Bevollmächtigte Bernhard Stiedl erinnerte zu Beginn an die letzte Tarifrunde, als die Metaller den T-Zug durchsetzten: Dieses tarifliche Zusatzgeld bietet Beschäftigten unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, statt mehr Geld acht freie Tage zu nehmen. Im Vorjahr haben nach seinen Worten über 50 000 Menschen am Brandenburger Tor "Flagge gezeigt für einen fairen Wandel", darunter 1500 Beschäftigte aus der Region. In diesem Jahr werde sich die IG Metall auf allen Ebenen dafür einsetzen, diesen Wandel im Sinn der Beschäftigten zu gestalten. "Die Transformation, also die Veränderungen von Produktion und Produkten aufgrund der Digitalisierung und der E-Mobilität, ist für viele Beschäftigte bereits konkrete Wirklichkeit geworden", rief Stiedl den Funktionären zu. In der Automobilindustrie mit ihren insgesamt 1,5 Millionen Beschäftigten, einer Leitbranche für das ganze Land, lasse sich wie in einem Brennglas beobachten.

Auf diese Veränderungen gelte es, Antworten zu finden. "Leider ist die Antwort vieler Unternehmen einfach nur die Abrissbirne", sagte Stiedl. Jedoch sei Kahlschlag "eine strategische Bankrotterklärung des Managements". Die IG Metall wollen dagegen einen fairen Wandel mit Perspektiven und Sicherheiten für die Beschäftigten. Daher habe die Gewerkschaft im Vorjahr mit dem Ingolstädter OB Christian Lösel einen Brief an die Kanzlerin geschrieben, was sich alles ändern müsse, damit der Industriestandort Deutschland erhalten bleibt. Eine Antwort aus Berlin habe er bislang jedoch noch nicht erhalten, so Stiedl. Unter den Tarifpartnern herrsche mittlerweile weitgehende Einigkeit über die Umsetzung der Transformation: Dafür benötige man Finanzierungshilfen für kleinere Unternehmen, eine regionale Strukturpolitik und das von der Gewerkschaft vorgeschlagene Transformationskurzarbeitergeld.

Das Moratorium für einen fairen Wandel spiegle die sehr unterschiedliche Situation in der Metall- und Elektrobranche wider. Die IG Metall fordert daher neben der nicht bezifferten Entgelterhöhung Anspruch auf geförderte berufliche Qualifizierung, eine Erhöhung der Quoten für Altersteilzeit entsprechend der demografischen Entwicklung, einen Nachhaltigkeitsbonus (Zuschuss zum Busticket, das Laden von Elektroautos oder Leasing von E-Bikes) zur Abfederung der Kosten des Klimawandels sowie die Einbeziehung der dual Studierenden in den Geltungsbereich der Tarifverträge.

Jörg Schlagbauer nannte das Moratorium "einen guten Weg", um den Beschäftigten die Angst vor der Zukunft zu nehmen. "Außerdem ist es wichtig, dass wir eine schnelle Lösung finden", betonte der oberste IG- Metaller bei Audi, denn der Wandel finde jetzt statt, und zwar schnell. Daher also Unterstützung für vorgezogene Verhandlungen ohne Streiks. Doch müsse eine faire Lösung gefunden werden. Unverzichtbar sei auch eine "verbindliche Zusage zur Beschäftigungssicherung". Konkret wurde Schlagbauer bei der nicht bezifferten Entgelterhöhung. Um Inflation und Produktivitätserhöhung auszugleichen und die Kaufkraft zu erhöhen, wären "fünf Prozent als Forderung schon ein guter Ansatzpunkt".

Eine weitere Besonderheit betrifft den Nachhaltigkeitsbonus: Den soll es nur für IG-Metall-Mitglieder geben. Dafür habe die IG Metall in Ingolstadt mit ihren über 50 000 Mitgliedern seit Jahren gekämpft.

Auch bei Airbus in Manching werde das Moratorium positiv gesehen, schilderte der dortige IG-Metall-Vorsitzende Andreas Domke die Lage. Sollte es jedoch scheitern, sei man bereit zum Streik. Insgesamt sei die Lage bei dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern derzeit aber sehr differenziert. Die Auslastung in Manching ist nach seinen Worten aber sehr gut: "Wir können uns vor Arbeit kaum retten."

Tamara Hübner, die Zweite Bevollmächtigte der IG Metall, erinnerte an die "verhandlungsbegleitenden Aktionen" in Schweinfurt und München und sprach von einer "zweigleisigen Tarifrunde". Nächster Schritt sei die Bezirkstarifkommission am 20. Februar. Der späteste Termin für die erste Verhandlung ist der 17. März, der Entgelt-Tarifvertrag endet am 31. März.

Von Bernhard Pehl