Umweltminister wollen Tempolimit auf Autobahnen
Kommt jetzt die Bremse?

14.05.2022 | Stand 14.05.2022, 7:08 Uhr
Stau Autobahn −Foto: Ursula Düren/dpa

Mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien und ein schonenderer Umgang mit Ressourcen - darauf haben sich die Umweltminister von Bund und Ländern verständigt. Auch über das Tempolimit auf Autobahnen wurde diskutiert.

Angesichts des Krieges in der Ukraine haben sich die Umweltminister von Bund und Ländern bei ihrem zweitägigen Treffen in Wilhelmshaven für den schonenden Umgang mit Ressourcen ausgesprochen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke kündigte an, den Einsatz von Biosprit aus angebauten Pflanzen per Gesetzesänderung zu begrenzen. Dazu wolle sie "zeitnah" einen Vorschlag vorlegen.

Lemke sagte, der Krieg in der Ukraine zeige die Verletzlichkeit bei der Versorgung mit Lebensmitteln und Rohstoffen. "Agrokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermitteln können in einer Zeit, in der uns eine der schlimmsten globalen Hungerkrisen droht, kein Lösungsweg mehr sein. " Die Äcker würden weltweit benötigt, um Nahrung zu produzieren, sagte Lemke. "Deshalb müssen wir den Einsatz von Agrokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen herunterfahren. "

Länderminister für Tempolimit auf Autobahnen
Dafür sprachen sich auch die Umweltminister der Länder in einem Beschluss aus. "Wir wollen Teller statt Tank", sagte der Vorsitzende der Umweltministerkonferenz, Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD). Allein in Deutschland würden 2,4 Millionen Tonnen Futter- und Lebensmittel eingesetzt, um Bioethanol als Kraftstoffbeimischung zu produzieren. "Ich glaube, dass es klüger wäre, wenn wir die Flächen nutzen, um Lebensmittel anzubauen", sagte Lies. Niedersachsen hat in diesem Jahr den Vorsitz der Umweltministerkonferenz.

Um Ressourcen zu sparen, stimmten die Länderminister zudem auch für ein Tempolimit auf Autobahnen. "Wir müssen Klimaschutz auch durch ein Tempolimit mit voranbringen", sagte Lies. Zwar hätten Bayern und Nordrhein-Westfalen in einer Protokollnotiz vermerkt, dass sie die Wirkung eines Tempolimits für begrenzt hielten und dieses "aus Gründen der Verhältnismäßigkeit" nicht mittrügen. Der Beschluss, der auch weitere Punkte zum Klimaschutz und zu den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine enthält, sei aber einstimmig auch mit den Stimmen dieser beiden Bundesländer gefasst worden, sagte Lies.

Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch: Tempolimit richtig
Eine Höhe des geforderten Tempolimits wurde im Beschluss nicht genannt. Lies favorisiert Tempo 130. Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) sagte, das Tempolimit sei eine "schnelle, effektive Maßnahme, um viele Millionen Liter Sprit und Tonnen CO2 im Jahr einzusparen". Es helfe dem Klimaschutz und mache unabhängiger von Ölimporten.

Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) lehnte den Beschluss ab. "Wenn die Umweltminister Biokraftstoffe weiter deckeln wollen, müssen sie auch sagen, wie sie die Klimaziele erreichen wollen", sagte Geschäftsführer Elmar Baumann. Angesichts hoher Agrarpreise sei zudem etwa die Biodieselproduktion längst von den Produzenten zurückgefahren worden. Die Deutsche Umwelthilfe begrüßte dagegen die Vorstöße der Konferenz. Ein Tempolimit sei richtig, sagte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Der Entlastungseffekt ist eindrucksvoll: 9,1 Millionen Tonnen CO2 und 3,7 Milliarden Liter Benzin und Diesel werden eingespart - und das jedes Jahr. "

Um den Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Windkraft, zu beschleunigen, forderten die Landesminister die Bundesregierung auf, gesetzliche Standards für artenschutzrechtliche Prüfungen zu treffen. Dadurch würden Rechtssicherheiten geschaffen und Vorgänge in der Verwaltung vereinfacht, sagte Lies. "Wir sind überzeugt, es ist besser, wenn wir nationale Standards definieren als wenn wir 16 Mal in den einzelnen Ländern eigene Standards haben und die Gerichte am Ende es schwer haben, darüber zu entscheiden. "

Lies betonte, dass es neben schnelleren Verfahren auch ausreichend Mittel und Fachkräfte für die Energiewende brauche. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund und Ländern sei zu dem Schluss gekommen, dass es 3500 Stellen in Deutschland zusätzlich brauche, um die gesteckten Klimaschutzziele zu erreichen. Zudem brauche es 2,3 Milliarden Euro pro Jahr mehr für den Naturschutz und die Klimafolgenanpassung.

Lemke: Artenschutz nicht außer Acht lassen
Bundesumweltministerin Lemke betonte, dass beim Ausbau der erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes der Artenschutz nicht außer Acht gelassen werden dürfe. Deshalb wolle der Bund in den nächsten Jahren ein Artenhilfsprogramm für den Naturschutz in Höhe von 82 Millionen Euro bereitstellen. "Das heißt, dort wo der Windkraftausbau negative Auswirkungen hat, werden wir mit dem Artenhilfsprogramm diese Auswirkungen abfedern", sagte Lemke.

In Wilhelmshaven fand die Umweltministerkonferenz von Bund und Ländern zum ersten Mal seit zwei Jahren Pandemie wieder in Präsenz statt. Die Konferenz war auch von mehreren Kundgebungen und Demonstrationen begleitet worden - unmittelbar vor dem Tagungshotel hatten mehrere Umweltschutzgruppen ein Klimacamp errichtet.

Erst in der vergangenen Woche waren zudem in der Hafenstadt die Bauarbeiten für ein Importterminal für Flüssigerdgas (LNG) gestartet. Die Umweltminister hätten sich dazu bekannt, dass dies notwendig sei, um unabhängiger von russischen Energielieferungen zu werden, sagte Konferenz-Vorsitzender Lies. Solche Terminals dürften aber nur eine "Brücke" sein. "Wenn wir jetzt investieren in Infrastruktur, um fossiles Gas zu importieren, dann muss das das Sprungbrett in eine schnellere Versorgung mit grünem und klimaneutralem Gas sein. "

Auch Lemke bekräftigte, dass es für einen "kurzen Übergangszeitraum" noch nötig sei, in solche fossile Infrastruktur zu investieren. "Die Kernaufgabe, die Bund und Länder dabei gemeinsam haben, ist es, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Überbrückungszeitraum nicht zur Zementierung von fossilen Strukturen führt. "(dpa)