Reisende bekommen Koffer erst kurz vor Heimflug – Nürnberger Flughafen erwartet nächsten Ansturm
Kanaren-Urlaub ohne Gepäck

11.06.2022 | Stand 11.06.2022, 19:49 Uhr
Flughafen München −Foto: Peter Kneffel/dpa

Zum Auftakt der Pfingstferien hat die Gepäcksortieranlage am Nürnberger Flughafen gestreikt. Über 1500 Koffer sind am Boden zurückgeblieben. Während die letzten Gepäckstücke am Donnerstag auf die Reise zu den Urlaubern geschickt worden sind, erwartet der Albrecht-Dürer-Airport für das zweite Ferienwochenende den nächsten Ansturm.

Beinahe pausenlos wie am Fließband heben die Maschinen am fränkischen Tor zur Welt derzeit in die Sonne ab. Über 50 Maschinen fliegen laut Flugplan allein an diesem Samstag von Nürnberg los. Im Schnitt sitzen laut Flughafen rund 200 Passagiere in einem Flieger. Bei einem Gepäckstück pro Gast wären das nach Adam Riese rein rechnerisch allein über 10 000 Koffer, die der Flughafen an einem Tag auf die Reise schicken muss. Heißt im Klartext: Die Mitarbeiter am Dürer-Airport dürften wieder alle Hände voll zu tun bekommen. 

Immerhin soll der Ansturm an diesem Wochenende etwas geringer ausfallen. „Wir erwarten dieses Wochenende insgesamt knapp zehn Abflüge und rund 2000 Passagiere weniger“, teilt Flughafensprecher Christian Albrecht am Freitag auf Anfrage mit. Dummerweise würden manche Airlines einfach größere Maschinen mit 300 statt 200 Sitzplätzen schicken, um die Ferienhungrigen nach Antalya, Mallorca & Co. fliegen zu können. 

Unerwartete Pannen kann niemand ausschließen
Das Problem: Die Personaldecke sei wie überall in der Reisebranche auch am Nürnberger Flughafen weiterhin angespannt. Rund 20 Prozent des Bodenpersonals würden im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit noch immer fehlen. Unterdessen habe das Reiseaufkommen mit schätzungsweise rund 240 000 Passagieren allein während der Pfingstferien schon wieder das vorherige Spitzenniveau erreicht. „Wir werden alles daransetzen, dass unsere Passagiere trotzdem gut in den Urlaub starten können“, betont Albrecht im Hinblick auf das zweite Ferienwochenende. Unerwartete Pannen ausschließen könne aber leider niemand. 

In den frühen Morgenstunden vor acht Tagen hatte die automatische Gepäcksortieranlage plötzlich den Dienst quittiert. Eine Lichtschranke hatte laut Albrecht das plötzliche „Koffer-Chaos“ ausgelöst. Mit relativ dramatischen Folgen für die Reisenden: Zehn Maschinen hoben ohne Koffer ab. Rund 1700 Taschen blieben am Boden zurück. Erst am Donnerstag kurz vor dem Start in das nächste Ferienwochenende hat der Airport melden können, dass das letzte noch fehlende Reisegepäck losgeschickt worden ist. 

„Bravo, super Leistung Airport Nürnberg. Nach fünf Tagen sind meine Koffer auf Rhodos gelandet“, schreibt ein offensichtlich erboster Fluggast zynisch auf Facebook. Aufgrund der „katastrophalen Zustände“ sei er am letzten Samstag gemeinsam mit anderen Reisenden aus dem Flieger sogar wieder ausgestiegen. Der Flughafen bestätigt, dass einige Passagiere aufgrund des „Koffer-Chaos“ am letzten Samstag die Flugzeuge tatsächlich wieder verlassen haben. Genaue Zahlen lägen nicht vor.

Familie gibt 750 Euro für Ersatz-Gepäck aus
Einer der Leidtragenden ist Matthias aus Ellingen im Fränkischen Seenland. „Jetzt kommen die Koffer. Morgen fliegen wir wieder zurück. Das ist schon beinahe lachhaft“, meldet sich der Familienvater am Freitagmorgen per Telefon aus dem viereinhalb Flugstunden entfernten Fuerteventura auf den Kanarischen Inseln. Rund 750 Euro habe die Familie ausgeben müssen, um sich von der Badehose bis zur Zahnbürste mit den nötigsten Utensilien eindecken zu können. Anstrengend sei die bisherige Woche trotz Sonne, Strand und Meer gewesen. Mit zwei kurzen Hosen habe er den bisherigen Urlaub verbracht. Ohne die vielen nützlichen Dinge aus dem persönlichen Familiengepäck vom Babyphone bis zum Computerkabel sei weder an entspannte Abende noch an nötige Arbeiten zu denken gewesen.

Schon der Abflug sei eine Katastrophe gewesen. Der Ferienflieger sei nicht wie geplant am letzten Samstagnachmittag, sondern erst am Sonntagmorgen nach stundenlanger Verspätung gestartet. „Zum Glück haben wir ein paar Stunden bei einem alten Bekannten in Nürnberg im Wohnzimmer auf dem Sofa schlafen können“, erzählt der Vater einer kleinen Tochter am Telefon weiter.

Nach dem langen Trip habe die Familie am Flughafen auf den Kanaren plötzlich am Gepäckband in die Röhre geschaut und sei ohne Koffer ins Hotel gefahren. Dort hätten sie erst vergeblich wie auf glühenden Kohlen auf das Gepäck gewartet und nach dem zeitraubenden Großeinkauf im Shopping-Center die letzten Tage danach viel Zeit mit dem Waschen der wenigen neuen Klamotten im Badezimmer verbracht. Zumindest den allerletzten Tag wolle die Familie entspannt am Strand genießen. „Die Koffer brauchen wir eigentlich nicht mehr aufmachen“, sagt Matthias mit Portion schwarzen Humors und hofft darauf, dass zumindest auf dem Rückflug nach Hause alles glatt läuft. 

Derweil bittet der Airport weiterhin alle Reisende wegen des hohen Passagieraufkommens darum, mindestens zwei Stunden vor dem Abflug die Koffer abzugeben und sich nach den Sicherheitskontrollen zügig zum Gate zu begeben. Damit die nächsten Urlauber nicht ohne Gepäck die Ferien verbringen müssen. (ty)