100 Prozent aus Recyclingmaterial
In Eichstätt kommt ein neuartiger Beton zum Einsatz

24.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:48 Uhr

Baustellenbegehung: Jürgen Schowalter , Peter Haltmeier, Anna-Maria Meier, Ralf Fährmann, Albert Schneider, Andreas Meier, Christian Hubert, Andrea Kustermann (von links) im Rohbau des neuen Dienstleistungszentrums. Foto: Schwarz

Auf den ersten Blick wirkt alles ganz unscheinbar. Doch geht man hinter dem Lidl-Markt in Eichstätt ein paar Meter bergaufwärts, kann man den „Beginn einer neuen baulichen Epoche“ beobachten. Mit diesen markigen Worten beschreibt Ralf Fährmann, Leiter des Sachgebiets Hochbau im Landratsamt Eichstätt, was hier gerade auf der Baustelle geschieht.



Gebaut wird das neue Dienstleistungszentrum des Landratsamtes Eichstätt und Teile davon werden mit einem Beton errichtet, dessen Gesteinsanteil nahezu vollständig aus recycelten Materialien besteht.

Allerdings: Als Außenstehender merkt man davon nichts. Der Recyclingbeton oder kurz RC-Beton sieht aus wie normaler Beton, fühlt sich an wie normaler Beton, riecht wie normaler Beton – und lässt sich verarbeiten wie normaler Beton. „Der Beton nach der derzeit gültigen Norm darf bis zu 45 Prozent an recycelten Materialen enthalten“, erklärt Jürgen Schowalter von der Firma Märker-Transportbeton, die den in Eichstätt verbauten Recyclingbeton mitentwickelt hat: „Unser Produkt besteht bis auf einige Zusatzstoffe zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial.“

Ressourcenverbrauch ist der Vorteil von Recyclingbeton



Das Material stammt dabei von abgerissenen Bauten. Es wird in verschiedenen Arbeitsschritten und Siebstufen so weit aufbereitet, dass am Ende wieder Materialien übrig sind, die Kies, Splitt oder Sand – die bekannten Bestandteile von Beton – eins zu eins ersetzen können. Wobei auch noch geprüft werden muss, welchen Einflüssen und Veränderungen das Material während seines „ersten Beton-Lebens“ ausgesetzt war.

Der Vorteil von Recyclingbeton liegt dabei nicht so sehr in der CO2-Einsparung (die ist gering), sondern vielmehr im sehr sparsamen Ressourcenverbrauch: Auf der einen Seite muss weder Kies noch Sand aus der Natur abgebaut werden; auf der anderen Seite muss der Bauschutt nicht mehr auf Deponien gebracht werden.

Damit kommen die beteiligten Firmen den Wünschen des Bauherrn nach: Das Landratsamt hatte schon bei der Ausschreibung „die Zügel straff angezogen“, wie es Fährmann formuliert, was das Energiekonzept und die Nachhaltigkeit der verwendeten Baustoffe betrifft. Zum Zug kam schließlich eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) des Eichstätter Bauunternehmens Martin Meier und des örtlichen Ingenieurbüros „Hubert + Freihart“.

Das Vergabeverfahren war bereits abgeschlossen, da entwickelte die ARGE die Idee, die vom Landratsamt gestellten Vorgaben in Sachen Nachhaltigkeit noch zu übertreffen. „Wir kamen dann mit dem Vorschlag, in einem großen Teil des Gebäudes einen neuartigen hundertprozentigen Recyclingbeton einzusetzen“, berichtet Andreas Meier, Geschäftsführer der Firma Martin Meier. „Und das alles auch noch so regional wie möglich“, ergänzt Anna-Maria Meier, ebenfalls von der gleichnamigen Baufirma.

Individuelle Zulassung für Eichstätter Bauvorhaben



Weil der Baustoff Recyclingbeton aber noch sehr neuartig ist, braucht es dafür ein eigenes Zulassungsverfahren. Hier kam Andrea Kustermann von der Hochschule München ins Spiel. Die Professorin für Bauingenieurwesen begleitete den Einsatz des RC-Betons, so dass dieser eine individuelle Zulassung für das Eichstätter Bauvorhaben erhalten konnte. Die Untersuchungen erfolgen dabei sowohl am Rechner als auch in der realen Welt, wo Betonteile im Labor verschiedenen Einflüssen ausgesetzt werden. „Um es vorweg zu nehmen: Wir hatten nie die Befürchtung, dass der Beton nicht hält“, erklärt Kustermann: „Es geht in erster Linie darum, Erkenntnisse über seine Eigenschaften zu sammeln.“ So sind nun auch in manchen Betonwänden des Eichstätter Dienstleistungszentrums Messapparate mit einbetoniert, die in den kommenden fünf Jahren Daten liefern, wie sich das Baumaterial entwickelt. Haben die 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das rund 19 Millionen Euro teure und rund 3000 Quadratmeter große Dienstleistungszentrum erst bezogen, soll auch ein kleiner Pfad durch das Gebäude den Besuchern die Besonderheit beim Bau erläutern – und zeigen, welche Neuerung sich hinter dem unscheinbaren Beton verbirgt.

DK