Großer Druck aus dem Vertrieb

Zeuge im Audi-Prozess berichtet, wie warnende Hinweise unbeachtet blieben

21.01.2021 | Stand 21.01.2021, 7:17 Uhr
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Tags: Audi, sales, model range, single frame, symbol, brand, logo. −Foto: Audi

Zeuge im Audi-Prozess berichtet, wie warnende Hinweise unbeachtet blieben

Von Horst Richter

Enormer Druck, teils unerfüllbare Vorgaben und straffe Zeitpläne hatten zu den illegalen Manipulationen an der Abgastechnik von Audi-Fahrzeugen geführt. So schilderte es ein 47 Jahre alter Audi-Beschäftigter am Mittwoch als Zeuge im Münchner Prozess um den Dieselbetrug. Er bestätigte damit weitgehend Aussagen seines früheren Chefs Henning L. , der neben einem weiteren Entwickler sowie Ex-Motorenchef Wolfgang Hatz und dem einstigen Audi-Vorstandsvorsitzenden Rupert Stadler auf der Anklagebank sitzt.

Das ganze Ausmaß des Betrugs sei ihm erst im September 2015 nach Bekanntwerden des Skandals in den USA bewusst geworden, sagte der im Werk Neckarsulm tätige Diplom-Chemiker vor der 5. Großen Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München II. Im Zuschauerraum ist es nicht immer einfach, der Verhandlung akustisch zu folgen - bei einem nicht selten vor sich hinmurmelnden Vorsitzenden Richter in vorderster Reihe, oft sehr leise sprechenden Prozessbeteiligten und dem ständig brummenden Kühlgebläse des Beamers an der Decke bringen selbst die Mikrofone und Lautsprecher in dem weitläufigen Saal wenig. Um die dem Gericht zugewandten Zeugen für alle Beteiligten gut sichtbar zu machen, werden sie per Kamera erfasst und die Bilder auf eine Leinwand projiziert.

Der 47-Jährige Armin B. galt bis zuletzt selbst als Beschuldigter, das Verfahren gegen ihn sei aber vorläufig eingestellt, wie Staatsanwalt Dominik Kieninger dem Gericht bestätigte. B. schilderte den chronologischen Ablauf der Vorgänge in der für die Abgasnachbehandlung zuständigen Abteilung, wo er arbeitete. Er berichtete von großem Druck aus dem Vertrieb und dem Produktmanagement auf die Entwickler. Widerstände habe es im Konzern besonders gegeben, als es um die Adblue-Technik, einem mit Harnstofflösung arbeitenden System zur Stickoxidreduzierung, ging.

Die Tanks für die Flüssigkeit hatten klein zu sein, um Platz für andere Dinge zu haben, etwa eine Audio-Anlage, sagte B. Einwände aus seiner Abteilung, dass es Grenzen nach unten gebe, seien "wenig bis gar nicht gehört worden". Man habe sich beim Verbrauch auf einen Liter Adblue pro 1000 Kilometer geeinigt, es habe aber durchaus Stimmen gegeben, die nur ein Viertel dessen favorisierten. Die Zuspitzung der internen Konflikte sei Ende 2007 erfolgt, am 22. Januar des Folgejahres hatte B. dann eine vielfach zitierte E-Mail an seinen Chef Henning L. und den ebenfalls angeklagten Giovanni P. geschrieben: "Ganz ohne Bescheißen werden wir es nicht schaffen", heißt es darin. Damals sei ihm klar geworden, dass die vorgegebenen Ziele bei der Dieselabgastechnik mit den bisherigen Maßnahmen nicht zu erreichen waren, sagte der Zeuge am Mittwoch vor Gericht. "Hintergrund dieser Mail war, dass ich nicht mehr weiterwusste. " Über ihren Abteilungsleiter Giovanni P. seien sie aufgefordert worden, eine "intelligente Lösung" zu finden. Der Druck, den Produktionsstart für das geplante Amerika-Modell einzuhalten, sei zu dieser Zeit "sehr groß gewesen".

Der 47-Jährige berichtete - wie schon sein früherer Chef Henning L. - von der Entwicklung zweier Betriebsarten bei der Abgasnachbehandlung ab 2007. Im Speichermodus wurde permanent Adblue zugeführt, die Stickoxidreduzierung erfolgte korrekt, eine Deckelung war nicht möglich. Im Onlinemodus konnte der Adblue-Verbrauch dagegen heruntergeregelt werden, mit entsprechend schlechteren Stickoxidwerten. Ein Vorstoß bei einem Vorgesetzten, um an allem etwas zu ändern, sei "sehr bescheiden" und für ihn unangenehm verlaufen. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.