Geschätzt oder verheizt?

30.11.2016 | Stand 09.10.2019, 3:41 Uhr

Im Streit um die Anhebung des Anstellungsschlüssels und die Belastung der Erzieherinnen bei städtischen Kitas scheint kein Kompromiss in Sicht (ty) In einem offenen Brief hatte sich der Elternbeirat KiTa Regenbogen gegen die geplante Anhebung des Anstellungsschlüssels in den städtischen Kindertageseinrichtungen stark gemacht.

Im Streit um die Anhebung des Anstellungsschlüssels und die Belastung der Erzieherinnen bei städtischen Kitas scheint kein Kompromiss in Sicht

(ty) In einem offenen Brief hatte sich der Elternbeirat KiTa Regenbogen gegen die geplante Anhebung des Anstellungsschlüssels in den städtischen Kindertageseinrichtungen stark gemacht. „Nach zweimaliger Gebührenerhöhung innerhalb weniger Monate kritisieren wir eine weitere Sparmaßnahme im frühkindlichen Bildungsbereich stark“, heißt es in dem Brief, „der Erhöhung des Anstellungsschlüssels geht der Gedanke voraus, Personal einzusparen. Dieses ist ohnehin schon jetzt in den Einrichtungen unterbesetzt und an der Grenze seiner Belastbarkeit. Durch noch weniger pädagogische Kräfte werden unzumutbare Zustände Einzug halten, was letzten Endes unsere Kinder deutlich zu spüren bekommen. Die Stadt greift sehr wohl dort an, wo es weh tut.“

Dem widerspricht Kulturreferent Gabriel Engert indes vehement. In der Stadt Ingolstadt genieße der Kinder- und Jugendbereich absolute Priorität. Dies lasse sich an vielen Zahlen und Fakten ablesen. „In keinem Bereich haben wir in den letzten Jahren so viel investiert, wie im Bereich der schulischen und vorschulischen Bildung. Dies wird auch noch in den nächsten Jahren so sein, wie allein der Ausbau der Kindertagesstätte und unser Schulentwicklungskonzept zeigen“, schreibt er ebenfalls in einem Offenen Brief.

Die Eltern sind sauer ob der neuerlichen Sparpläne. Statt den Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen für ihre wichtige und großartige Arbeit zu danken, würden sie schlichtweg „verheizt“. Über kurz oder lang werde dass noch mehr Krankheitsausfälle aufgrund von Erschöpfungszuständen oder sogar Burnout zur Folge haben. Diese offensichtliche Qualitätsverschlechterung werde ohne Bedenken in Kauf genommen.

„Im Wettbewerb um die besten Fachkräfte verliert Ingolstadt mehr und mehr an Attraktivität. Die ohnehin bereits angespannte Situation des Arbeitsmarktes wird einen noch stärkeren Abwärtstrend erleben“, heißt es in dem Schreiben weiter, „dies ist kontraproduktiv für die wichtigen pädagogischen Berufe Erzieherin und Kinderpflegerin.“

Zeitgleich mit den Sparmaßnahmen würden an anderer Stelle Millionen in Projekte investiert, die einzig dem Ansehen der Stadt dienen sollen. 450 000 Euro Einsparungen durch Einführung eines schlechteren Anstellungsschlüssels stünden hierzu in keinerlei Verhältnis. „Zum einen zu behaupten, um die Haushaltslage wäre es schlecht bestellt, zum anderen aber weiter in Prestigebauten zu investieren und in gleichem Zuge die Sozialleistungen zu kürzen, lassen diese Stadtregierung mehr als unglaubwürdig erscheinen. Die Zahlen kann man nicht schlecht- oder schönreden, wie es gerade gewünscht ist. Das grenzt an Willkür. Die Prioritäten werden in dieser Stadt falsch gesetzt.“

Ingolstadt hebe sich laut eigener Aussagen der Stadtregierung im deutschlandweiten Vergleich durch seine Dynamik und Wirtschaftsstärke hervor und schneide auch bei Rankings im KiTa-Bereich hervorragend ab. „Was im Übrigen nicht der Tatsache entspricht, denn auch hier bewegt man sich höchstens im Mittelfeld“, schreiben die besorgten Eltern, „es stellt sich dabei die Frage, wieso man sich ausgerechnet im sensiblen Bildungsbereich zurückbewegt und hier in großem Umfang Leistungen kürzt. Wir fordern daher, das Vorhaben, den Anstellungsschlüssels der städtischen Kindertageseinrichtungen anzuheben, aufgrund der weitreichenden Folgen maßgeblich zu überdenken.“

Gabriel Engert sieht das naturgemäß anders: „Auch bei den Gebühren der Kindertagesstätten sind wir trotz der von Ihnen genannten Gebührenerhöhung im bayernweiten Vergleich der größeren Städte nach wie vor die günstigsten. Schon allein daran lässt sich ablesen, wie wichtig dieser Bereich für die Stadt Ingolstadt ist. Regensburg zum Beipiel plant, seine Krippengebühren zu halbieren um in die Nähe der Ingolstädter Gebühren zu kommen.“ Wie man davon sprechen könne, die Stadt Ingolstadt würde diesen Bereich nicht intensiv stützen, erschließe sich ihm nicht.

„Der Anstellungsschlüssel von 9,5 war eine Momentaufnahme aufgrund vorgezogener Einstellungen in einigen Kindertagesstätten. Gegenwärtig haben wir einen Schlüssel von 1 zu 10, der von den Eltern als qualitätvoll wahrgenommen wird. Eine vorübergehende Anhebung auf 10,3 bis 10,5 wird diese Qualität nicht wesentlich verändern, ermöglicht uns aber in einem völlig überspannten Arbeitsmarkt weitere Plätze zu schaffen und Kinder aufzunehmen“, so Engerts Antwortschreiben, „im Übrigen fahren ein überwiegender Teil der freien Träger in Ingolstadt einen Anstellungsschlüssel von 10,3. Und höher. Mir sind von diesen Einrichtungen keine Klagen über mangelnde Qualität bekannt. Dass unser Personal gleichzeitig von jeglicher Küchenarbeit entlastet wird und damit mehr Zeit für das Kind verbleibt, wissen Sie. Auch dies wird die Qualität steigern. Im Rahmen der Gebührenerhöhung haben wir drei Springerstellen geschaffen, so dass auch von dieser Seite für eine sehr gute Qualität in den Kindertagesstätten gesorgt ist. Drei weitere Springerstellen werden jetzt geschaffen.“

Die Krankheitsquote der Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen bei der Stadt Ingolstadt sei zudem nicht höher als die durchschnittliche Krankheitsquote aller Mitarbeiter der Stadt Ingolstadt. Diese Krankheitsquote bewegt sich im allgemeinen Durchschnitt. Insofern sei die Vorstellung, es gäbe eine erhöhte Krankheitsquote bei den Mitarbeiterinnen in den Kindertagesstätten, schlicht falsch.

„Wir wissen, dass unsere Erzieherinnen und Pflegerinnen eine herausragende Arbeit leisten. Dies bestätigen wir auch immer wieder und in diesem Zusammenhang gerne auch noch einmal öffentlich.“