Extremsituationen als einziger Kontakt: Soziale Distanz stellt das Blaulicht-Ehrenamt vor Schwierigkeiten

15.11.2020 | Stand 15.11.2020, 12:03 Uhr
Großbrände und schwere Unfälle hatten die Ehrenamtlichen der Feuerwehr heuer zu bewältigen - und das alles ohne die Stütze durch die Kameraden. −Foto: Schalk (Archiv)

Mehr Türöffnungen für Feuerwehr

(ty) Seit März hat man bei der Schrobenhausener Feuerwehr keine Übungen mehr, keine gemeinsamen Nachbesprechungen, keine Treffen abseits des Ernstfalls. "Wir sind nur noch im Einsatzdienst", beschreibt Kommandant Ralf Schlingmann. Eine belastende Situation für die Feuerwehrleute. "Man merkt es in der Mannschaft." Denn die sozialen Kontakte mit den Kameraden fallen weg durch die Corona-Beschränkungen. Besprechungen nach Einsätzen zum Beispiel. "Jetzt sieht man sich nur noch in Extremsituationen", sagt Schlingmann. Und nach dem Brand oder dem Unfall geht jeder getrennt seiner Wege. Keine gute Situation, denn gerade in der Stunde nach dem Einsatz, in der man sich noch unterhalten habe, so der Kommandant, habe man eben gesehen, ob es jemandem nicht gut geht.

In kleineren Feuerwehren ist es noch etwas anders, hier gebe es teils Freigaben, in der Gruppe etwas zu machen. Bei einer Größe, wie sie die Stützpunktfeuerwehr hat, ist nichts zu machen. Das betrifft auch die Jugendarbeit, wie Schlingmann bedauert. "Die findet nicht statt." Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat es keine Übung für die rund 20 jungen Feuerwehrleute gegeben. Da sie noch nicht auf Einsätzen dabei sind, haben sie sich seither auch nicht gesehen. Der Kommandant fürchtet, dass man dadurch auch viele Ehrenamtliche verlieren werde. Weil sie in den vergangenen Monaten vielleicht neue Freizeitaktivitäten abseits der Feuerwehr für sich entdeckt haben.

"Natürlich müssen wir damit leben", sagt Schlingmann zu den Corona-Beschränkungen. Auch, wenn das Einhalten der Abstände im Einsatz nicht immer einfach ist. Aber die Pandemie gebe es schließlich. Auch früher habe es schon Szenarien in dieser Richtung gegeben, als Schutz vor der Vogelgrippe im Einsatz beispielsweise. "Aber das war zeitlich begrenzt." Die aktuellen Einschränkungen hingegen beeinflussen schon beinahe das ganze Jahr. Es bleibe nur zu hoffen, dass sich die Situation im kommenden Frühjahr wieder bessere.

Bei den Einsätzen hat die Stützpunktfeuerwehr den ersten Lockdown ebenfalls gespürt. Die Zahl der Verkehrsunfälle habe abgenommen, es waren einfach weniger Menschen mit dem Auto unterwegs. Das habe sich aber danach wieder geändert. Insgesamt habe man mit 150 bis 200 Einsätzen heuer so viele wie immer bewältigt. Allerdings waren einige davon nicht gerade alltäglich. Schlingmann denkt an die Großbrände wie am Schrobenhausener Rinderhof oder in Gröbern. Doch auch Verkehrsunfälle seien besonders schwere mit dabei gewesen. Und eines habe sich heuer, in diesem coronageprägten Jahr, gehäuft: Türöffnungen. Alleine am zurückliegenden Wochenende wäre seine Wehr hier dreimal im Einsatz gewesen, wie der Kommandant erzählt. Worauf er das zurückführt? Es handle sich meist um ältere, alleinstehende, erkrankte Menschen. Sie würden in Zeiten, in denen man seine Begegnungen mit anderen einschränke, weniger Besuch bekommen. Und immer wieder bemerkt deshalb erst später als sonst jemand, dass etwas nicht stimmt. Denn auch hier sind die sozialen Kontakte zurückgegangen.