Es gibt keine dumme Idee, die nicht noch zu toppen wäre

Die CSU will mit einem „I love Ingolstadt“-Fotopoint die Stadt unerträglich attraktiv machen

28.11.2020 | Stand 28.11.2020, 10:41 Uhr
love −Foto: Schmatloch

Die CSU will mit einem „I love Ingolstadt“-Fotopoint die Stadt unerträglich attraktiv machen

Von Michael Schmatloch

Als Journalist wird man Tag für Tag von einem wahren Tsunami an Pressemitteilungen überrollt. Von wirklich interessanten, aber auch von solchen, die einen eher gähnen lassen, einhergehend mit dem Bedauern, sich nicht schon als Kind für den Beruf des Analphabeten entschieden zu haben. Ja und dann sind da noch jene intellektuellen Highlights, die gnadenlos ihren Weg in die Öffentlichkeit suchen und bei deren Lektüre man denkt: „Ich weiß ja nicht, was der Verfasser dieser Zeilen geraucht hat. Aber das Zeug muss gut sein.

Bei der CSU werden normalerweise derartige, den Geist vernebelnden Sachen nicht geraucht. Gut, eine Fraktionssitzung im CSU-Haus, bei der man beherzt dem Weißbier zuspricht, die reicht auch, um Ideen zu gebären, die mit dem Attribut „doof“ nur unzulänglich beschrieben sind.

So verwunderlich es war, dass die Christsozialen nach der verlorenen Kommunalwahl nicht wie US-Präsident Donald Trump behauptet haben, man hätte ihnen die Wahl gestohlen, so irritierend der jüngste Vorschlag der CSU, man möge doch in Ingolstadt an pittoresker Stelle einen Fotopoint installieren, auf dem „I love Ingolstadt“ stehen und selfiesüchtige Bürger und Touristen dazu animieren soll, an diesem Fotopoint das nächste Instagram-Foto zu schießen. Mit einem Herzerl anstelle von „love“ selbstredend.

Wäre so eine Idee als rettende Sofortmaßnahme am Runden Tisch Innenstadt geboren worden, hätte das den Erwartungshorizont in Sachen visionären Gedankengutes voll erfüllt. Aber nein, die CSU war es, die mit diesem bemerkenswert innovativen Vorschlag Ingolstadt neben dem Reinheitsgebot ein zweites Alleinstellungsmerkmal verschaffen will. Also würde ich in Quickborn wohnen . . . Das ist jetzt ein schlechtes Beispiel. Also würde ich in Brunsbüttel wohnen oder in Wanne-Eickel, ich würde glatt unbezahlten Urlaub nehmen und trotz Corona nach Ingolstadt fahren, um jenes sensationelle Selfie vor dem Schild „I love Ingolstadt“ zu schießen.

Beinahe noch schlimmer, als der vom christsozialen Antragsteller als „witzige Idee“ eingestuften Vorschlag indes ist die Tatsache, dass sich der Kulturausschuss der Stadt allen Ernstes mit diesem Schwachsinn beschäftigt, ihn gar noch befeuert hat. Der Vorschlag von Petra Volkwein, statt der englischen Vokabeln „Ingolstadt, i mog di!“ zu bevorzugen, war da noch die harmloseste Einlassung. Das Kulturreferat schreckte nicht vor dem Vorschlag zurück, die Gestaltung dieses Fotopoints als Wettbewerb beim Berufsverband Bildender Künstler auszuschreiben. Von einer europaweiten Ausschreibung hat man offenbar gerade noch abgesehen.

Was lehrt uns das. Oder wie der geschmeidige Legastheniker sagen würde: „Was lernt uns das?“ Es gibt keine dumme Idee, die nicht noch zu toppen wäre. Und es gibt Dinge, die noch überflüssiger sind als eine dritte Schulter oder der sprichwörtliche bajuwarische Kropf.