Legende der deutschen Luftwaffe
„Klappdrachen“ hebt zum ersten Mal ab: Tornado startet vor 50 Jahren in Manching

14.08.2024 | Stand 15.08.2024, 6:47 Uhr |

Er ist das älteste noch aktive Kampfflugzeug der deutschen Luftwaffe: Der Tornado hob zum ersten Mal am 14. August 1974 in Manching ab. Doch seine Tage sind gezählt. Ab 2026 wird das Waffensystem vom Typ F-35 des US-Herstellers Lockheed Martin einen Teil seiner Aufgaben übernehmen. Foto: Airbus/WTD 61

Vor einem halben Jahrhundert schrieben die beiden Testpiloten Paul Millett und Nils Meister Luftfahrtgeschichte: Am 14. August 1974 um 17.21 Uhr startete der Tornado am Flugplatz Manching (Landkreis Pfaffenhofen) zu seinem allerersten Flug. Fast 80 dieser Maschinen sind bis heute noch im Dienst und sollen bis 2030 ausgemustert werden.

YouTube Erstflug:



Wilfried Spitz war seinerzeit als MBB-Versuchsleiter für den Erstflug des Prototyps P01 des Mehrzweckflugzeugs (MRCA) Tornado verantwortlich.

„Digital Life war ein Fremdwort“, erinnert er sich, aber es waren zahlreiche Messungen und Tests geplant. Der Hauptrechner für das Management der Daten zwischen den einzelnen Rechnern sowie für Cockpitanzeigen und anderen Steuergrößen hatte damals 64 Kilobit – immerhin ließen sich einfache Programme laden und kleinere Datenmengen speichern.

Maschine tanzte auf den Fahrwerksbeinen

Das elektro-hydraulische Flugsteuerungssystem war absolutes Neuland. Die Frequenzeinspeisung in das Flugsteuerungssystem wurde stimuliert und die entstandene Resonanz bewertet. „Bei einer dieser Stimulierungen kam P01 zum harmonischen Schütteln und Tanzen auf seinen Fahrwerksbeinen.

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Wie eine Ballerina tänzelte sie in Richtung der Hallentore, die dann schnell geöffnet wurden. Durch mutiges Trennen der Stimulationseinspeisung unter der massiven Tänzerin beruhigte sich unser Baby schließlich und wurde wieder zugänglich“, erinnert sich Spitz.

Mit dem Einbau aller flugwichtigen Systeme und etlichen Testläufen hatten sich auch die nominierten Testpiloten – Paul Millett von BAE und Nils Meister von MBB – mit dem Flugzeug bestens vertraut gemacht. Am 14. August 1974 wurde es schließlich ernst. „Ein Erstflug ist wohl nicht mit einem gewöhnlichen Flug zu vergleichen. Man sah einigen Entwicklungsingenieuren ihre Anspannung an... Das Flugerprobungsteam und die beiden Testpiloten, Paul und Nils, waren jedoch guter Dinge“, so die Erinnerung von Spitz.

Ersatzteile waren absolute Mangelware

„Die Vorflugprüfungen in der P01 waren ordnungsgemäß bis zum Anlassen der Triebwerke durchgeführt worden. Da meldete sich das flugzeugseitige Getriebekontrollgerät und wollte seiner Aufgabe zum Triebwerksstart nicht nachkommen, das es schon unzählige Male ohne Beanstandung absolviert hatte“, erinnert sich der Versuchsleiter an diese kritische Phase.

Ersatzteile waren absolute Mangelware in dieser frühen Programmphase, denn die kamen erst mit dem Serienvertrag. Ein Ersatzgerät vor Ort war nicht vorhanden. So wurde eine vom Standard vergleichbare Einheit aus dem MBB-Bodenprüfstand in München geplündert, per Shuttle-Flug nach Manching gebracht und mit Absegnung der örtlichen Zulassungsstelle in die P01 eingebaut.

Nach einem kurzen Triebwerkstrockenlauf durch die Bodenmannschaft konnten die Vorflugprüfungen wieder aufgenommen werden.

Gute Flugeigenschaften, stabiles Triebwerk- und Systemverhalten

„Inzwischen war die Zeit fortgeschritten und es war nur noch eine Stunde bis Ende der Platzöffnung um 18 Uhr“, berichtet Spitz: Eile war geboten.

Um 17.21 Uhr gelang der Start in den reservierten Luftraum (TRA). „Das Flugzeug zeigte gute Flugeigenschaften und stabiles Triebwerk- und Systemverhalten. Am Ostende der TRA, mit dem Denkmal Walhalla und der Luftverbots-/Identifizierungszone vor dem Eisernen Vorhang vor sich, nahmen alle Flugzeuge Kurs nach Westen, um keinen Alarmstart der Bolschewikis in der Tschechoslowakei zu provozieren.

Das Testprogramm wurde auf dem Rückweg abgeschlossen und bestätigte die Flugsimulationsergebnisse auf der Basis der Windkanalversuche.“ Nach 33 Minuten landete P01 sicher in Manching. Im Vorbeirollen wurde das Flugzeug von der Feuerwehr mit einer Fontäne getauft und der Empfang der beiden Piloten nach dem geglückten Erstflug war überwältigend.

Eindrucksvoller Demonstrationsflug

Am 21. September 1974 folgte dann die offizielle Vorstellung des MRCA mit der P01 durch einen Demonstrationsflug mit verschiedenen Flügelstellungen und entsprechenden Geschwindigkeiten von Paul Millett mit MBB-Cheftestpilot Fred Rammensee vor militärischer und industrieller Prominenz sowie Presse.

Dort erhielt das Luftfahrzeug von Verteidigungsminister Georg Leber den Namen „Tornado“. Die P01 erfüllte mit insgesamt 541 Testflügen in sieben Jahren ihr Soll unfallfrei. Sie steht heute mit neuer Lackierung im militärhistorischen Museum in Berlin-Gatow.

Antwort auf den Warschauer Pakt

Der Tornado ist ein zweisitziges zweistrahliges Mehrzweckkampfflugzeug mit Schwenkflügeln. Es wurde von 1979 bis 1998 gemeinsam von Deutschland, Großbritannien und Italien gebaut und kam 1990 im zweiten Golfkrieg sowie später im Jugoslawien- und im Kosovokrieg zum Einsatz.

Die Entwicklung begann im Juli 1970 mit dem Ziel, dem hoch gerüsteten Warschauer Pakt mit einem robusten, vielseitig verwendbaren Flugzeug zu begegnen.

ach zehn Prototypen wurden insgesamt fast 1000 Exemplare in teils stark abweichenden Varianten gebaut. Vereinbart wurde, dass der Erstflug in Manching stattfindet – dafür sollte vorne im Cockpit ein Brite sitzen.

In den Zeiten des Kalten Kriegs flogen in den Geschwadern der Luftwaffe und der Marine etwa 350 Tornados. Die einstige Spitzentechnologie ist allerdings nach einem halben Jahrhundert nicht mehr auf Höhe der Zeit.

Derzeit hat die Luftwaffe noch rund 80 Tornados im Dienst. Bis zum Jahr 2030 sollen sie vom Eurofighter und dem US-Tarnkappenflugzeug F-35 ersetzt werden.

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