Weltkrebstag am Samstag
Brustkrebspatientin erzählt ihre Geschichte: „Habe unfassbares Glück gehabt“

04.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:55 Uhr

Die Beratung in der Psychosozialen Krebsberatungsstelle hat ihr während ihrer Krebstherapie sehr geholfen: Melanie Stegmeier-Rohling (links) und die Leiterin der Beratungsstelle, Sozialpädagogin Ulrike Adlkofer. Foto: Stückle

Die Nachricht kommt aus heiterem Himmel. Die junge Frau, gerade 31, steht mitten im Leben: Familie, Karriere, Reisen – um solche Dinge dreht sich ihr Leben zu dieser Zeit. Im Rahmen des Weltkrebstages am Samstag erzählte Melanie Stegmeier-Rohling unserer Zeitung ihre Geschichte.



Als Trainerin und Beraterin im Audi-Bildungszentrum ist Stegmeier-Rohling gefordert. Der Urlaub nach Schweden und Finnland ist gebucht. Da tastet sie plötzlich etwas Ungewöhnliches an ihrer Brust. Krebs? Mit 31? Das kann nicht sein, habe sie sich gedacht, nachdem das Ergebnis der ersten Gewebeprobe da war, erzählt Melanie Stegmeier-Rohling unserer Zeitung. „Ich bestand darauf, dass ein zweites Mal Gewebe entnommen wird.“ Das darin bestätigte Ergebnis kann sie immer noch nicht glauben. Sie liest, recherchiert, saugt alle Informationen über die Krankheit auf, die sie bekommen kann. Zahlen, Daten, Fakten – um irgendwann zu begreifen, was ihr so gar nicht in den Sinn will: dass sie eine potenziell tödliche Krankheit hat.

Ihren Urlaub tritt sie wie geplant an. Eine Woche geht es nach Schweden und Finnland. Vorher lässt sie einen sogenannten Wächterlymphknoten entfernen, um festzustellen, ob der Krebs bereits gestreut hat. Brustkrebs streut normalerweise zuerst in die Lymphknoten. Auch Computertomographie und Skelettszintigramme wurden vorab gemacht, um eventuell vorhandene Metastasen zu erkennen und die Therapie entsprechend auszurichten. „Bei mir war es zum Glück nur der Tumor in der Brust, ohne weitere Metastasen“, sagt die Ingolstädterin. Bei der OP wurde unter dem Schlüsselbein gleich der Port eingesetzt, an den die Infusionen angeschlossen werden. Die Armvenen würden die vielen Chemozyklen nicht aushalten. „Am Freitag wurden die Fäden gezogen, am Samstag ging’s in den Flieger.“ Den Urlaub vor der Therapie anzutreten, ist ihr wichtig. Kraft tanken für die harte Zeit danach.

Selbsthilfegruppe für junge Betroffene gegründet

Heute, sieben Jahre später, ist Melanie Stegmeier-Rohling 38 Jahre alt. „Ich bin offiziell geheilt“, sagt sie. Fügt aber gleich hinzu: Man habe ein Leben lang damit zu tun. Sie ist verstärkt unter Kontrolle, verfolgt ein „intensiviertes Früherkennungssystem“. Und hat eine Selbsthilfegruppe gegründet, die sich speziell an junge Betroffene richtet. Jung. Krebs. Kontakt. Kurz JUKK, nennt sich das Netzwerk, das es in München bereits gibt. 2017 hat Stegmeier-Rohling eine Ortsgruppe in Ingolstadt gegründet.

Wie wichtig der Austausch für Erkrankte ist, hat sie am eigenen Leib erfahren. „Ich hatte unglaublich Angst vor der Chemotherapie. Wollte sie erst nicht machen“, erzählt sie. Wirklich geholfen hat ihr in dieser Phase die Psychosoziale Krebsberatungsstelle der Bayerischen Krebsgesellschaft. Viel Unterstützung erfuhr sie durch ihr privates Umfeld. Doch genau so wichtig sei die externe Beratung. „Dabei die Dinge auszusprechen, mit jemandem zu reden, der nicht betroffen ist.“

„Es ist eine andere emotionale Nähe als die von Freunden oder Familie“, sagt Ulrike Adlkofer. Die Sozialpädagogin und Psychoonkologin leitet die Psychosoziale Krebsberatungsstelle in Ingolstadt. Wichtig sei „der Blick von außen“. Die Berater – sie unterliegen der Schweigepflicht – zeigen „emotionale Nähe und trotzdem Distanz“.

673 Menschen suchen Hilfe bei Krebsberatungsstelle

Im vergangenen Jahr haben laut Adlkofer 673 Menschen in der Psychosozialen Beratungsstelle an der Ingolstädter Leveling-straße Rat gesucht. Etwa 20 Prozent davon waren unter 45 Jahre alt. Die Zahl der Beratungsgespräche lag bei 1738. Neben Hilfe für die Seele geht es dabei oft um rein praktische Dinge. Den Antrag auf Schwerbehinderung beispielsweise, oder Themen wie Krankengeld, Heilbehandlung und Reha. „Was da zusätzlich auf einen einprasselt, ist enorm.“ Melanie Stegmeier-Rohling ist den schweren Weg gegangen. Und hat heute für viele Dinge mehr Wertschätzung als früher. „Man richtet wieder den Blick auf die kleinen Dinge.“

Dem Finnland- und Schweden-Urlaub folgen sechs Monate Chemotherapie. 16 Zyklen muss sie durchlaufen. „Die Chemo war furchtbar“, sagt die Ingolstädterin heute. „Ich war total schlapp, konzentrationslos, permanent müde. Mein ganzer Körper war platt.“ Die Situation war physisch und psychisch extrem belastend. „Totaler Kontrollverlust.“ Die danach folgende Brust-OP und die Bestrahlung über sechs Wochen nennt sie „vergleichsweise harmlos“.

Ihr Körper spricht gut auf die Chemo an. „Ich habe unfassbares Glück gehabt“, sagt Stegmeier-Rohling. Weil Krebstherapien die Fruchtbarkeit schädigen können, hat sie sich vor der Behandlung mit einem Eingriff Eizellen entnehmen und einfrieren lassen. Sie hat sie nicht gebraucht. Mit ihrem Partner, den sie vergangenes Jahr geheiratet hat, wird sie auf natürlichem Weg schwanger. Sohn Lukas ist jetzt neun Monate alt. „Ich bin so dankbar“, sagt die junge Mutter. Derzeit ist sie in Elternzeit. „Unser Baby, das ist unser allergrößtes Glück.“

Veranstaltung und Hilfen

Zum Internationalen Weltkrebstag zeigt die Psychosoziale Krebsberatungsstelle der Bayerischen Krebsgesellschaft in Ingolstadt an diesem Samstag im Audi-Programmkino den Kinofilm „Hope“ aus dem Jahr 2019. Beginn ist um 20 Uhr. Der Eintritt kostet fünf Euro. Kartenreservierung unter (0800) 2834444.

Die Psychosoziale Krebsberatungsstelle ist seit 2010 in der Ingolstädter Levelingstraße 102 untergebracht. Neben Beratungsgesprächen bietet sie Kurse und weitere Angebote. Infos dazu im Internet auf der Seite der Bayerischen Krebsgesellschaft oder unter Telefon (0841) 22050760. Neue Öffnungszeiten sind am Montag, Mittwoch und Donnerstag von 9 bis 13 Uhr, am Dienstag von 13 bis 18 Uhr und am Freitag von 9 bis 12 Uhr.

Betroffene tauschen sich auch in mehreren Selbsthilfegruppen in Ingolstadt aus. Die von Melanie Stegmeier-Rohling gegründete Ortsgruppe JUKK richtet sich an junge Erwachsene mit Krebs. Denn Krebs trifft immer mehr junge Menschen. Infos unter www. jukk.de im Internet oder auf Facebook. Ferner gibt es in Ingolstadt die Selbsthilfegruppe Krebs, die Krebs-Selbsthilfegruppe Ingolstadt-Süd und die Selbsthilfegruppe Prostatakrebs. Infos zu den Treffen auf den jeweiligen Internetseiten.

Ganzjährige Beratung bei Krankheit und finanzielle Hilfe bietet der Förderverein zur Unterstützung Krebskranker in der Region Ingolstadt an. Im Laufe der vergangenen knapp 35 Jahre, die es den Verein gibt, wurden nach eigenen Angaben 750000 Euro Unterstützungszahlungen geleistet. Seit 1987 seien über 1500 Auszahlungen vorgenommen worden. Über das Klinikum Ingolstadt sowie die Bayerische Krebshilfe zahlt der Förderverein jährlich bis zu 50.000 Euro an Erkrankte aus. Denn zu der Krebserkrankung kommen oftmals finanzielle Schwierigkeiten. Vorsitzender ist Max Schulmeyr. Infos sowie die Kontoverbindung für eine Spende unter www.foerderverein-krebskranker.de.

DK