Ein Stück Großstadt geht verloren

Egal, ob Merkur oder Horten: Die Ingolstädter liebten ihr großes Warenhaus an der Ludwigstraße

22.06.2020 | Stand 22.06.2020, 8:47 Uhr
Horten −Foto: DK-Archiv

Egal, ob Merkur oder Horten: Die Ingolstädter liebten ihr großes Warenhaus an der Ludwigstraße

Es war der 9. Oktober 1952, als großstädtisches Flair in Ingolstadt einzog. Die Stadt hatte damals gerade einmal so viele Einwohner wie Audi heute am Standort Beschäftigte hat, da war so etwas wie das Warenhaus Merkur mit seiner riesigen Fläche und der großen Auswahl natürlich eine Sensation. Zur Eröffnung an diesem Tag kamen unzählige Menschen in der Ludwigstraße 29 zusammen und lugten neugierig in die Verkaufshallen, bis sie dann endlich hineinströmen und konsumieren durften. Sogar die Verkehrspolizei soll damals zur Lenkung der Menschenmassen eingesetzt worden sein.

So erfolgreich das Konzept war, so gewöhnungsbedürftig war der Anblick des kastenförmigen Gebäudes mit seiner schlichten Fassade. Sogar der damalige Bundespräsident Theodor Heuss stellte bei einem Besuch fest, "dass sich das Gebäude nicht in das Straßenbild füge und schon gar nicht in seine nächste Umgebung passe".

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Den Konsumenten war's egal. Der nächste Umbau des Standorts 1955 erfolgte weniger aus ästhetischen Gründen, sondern schlicht, weil die Verkaufsflächen erweitert werden mussten - die Nachfrage war so groß. Das Symbol für die weltweit aus dem Boden schießenden Kaufhäuser schlechthin, die Rolltreppe, erhielt der Merkur 1962 - es war die erste Rolltreppe in der Stadt.

Dass sich schon Ende 1952 der Kaufmann Helmut Horten die Merkur-Häuser in Deutschland gesichert hatte, merkte man erst viel später, nämlich im Juni 1980, als die Umbenennung des Ingolstädter Kaufhauses erfolgte.

Sein auch heute noch bestehendes markantes Äußeres erhielt der Standort übrigens erst 1989, als das exklusivere Galeria-Konzept von Horten auch in Ingolstadt angewandt wurde. Die Fassade wurde erneuert, Biberschwanzdach, Dachbauten und Giebel sorgten dafür, dass sich das Gebäude doch noch perfekt in das Altstadtensemble einfügte. Theodor Heuss konnte das freilich nicht mehr erleben. Er starb bereits 1963.

1994 wurde Horten dann vom Konkurrenten Kaufhof, der Metro-Tochter, aufgekauft, und im Mai 1996 hieß das Kaufhaus dann zum ersten Mal Galeria Kaufhof. Den letzten großen Umbau - diesmal im Inneren - gab es 2012. In dem Zuge verschwand damals die Elektronikabteilung. Ein Jahr später zog dann der Edeka-Markt aus. Womöglich waren das schon Vorboten des Niedergangs, doch am einschneidendsten waren sicher die Fusion von Karstadt und Kaufhof 2019 und die Corona-Krise in diesem Jahr. Der ohnehin schon taumelnde Großkonzern gab nun bekannt, 62 seiner 172 Filialen zu schließen, um der Pleite zu entgehen. Eine dieser Filialen ist Ingolstadt. Fast 70 Jahre nach der Eröffnung des Kaufhauses droht damit, ein Stück Großstadt wieder verloren zu gehen.

Von Thorsten Stark