Ehemaliges Wirtshaus mit langer Geschichte wurde abgerissen

05.11.2020 | Stand 05.11.2020, 11:40 Uhr
Ein langjähriges Lokal ist Geschichte: Am Montag riss ein Bagger das Haus an der Harderstraße neben der Metzgerei Pauleser ab. −Foto: Silvester

Harderstraße ohne Hausnummer 21

(ty) Die Abrissparty fand im Sommer 2018 statt. Am vergangenen Montag kam der Bagger und schob das Haus an der Harderstraße zusammen. Ingolstädter, die gerne ausgingen, Bier tranken und dazu laute Musik hörten, kannten das Lokal mit langer, bewegter Tradition. Seit dem 19. Jahrhundert ist hier ein Wirt zügig dem anderen gefolgt; eine Fluktuation, die sich bis in die Gegenwart durchzog. Jetzt ist das Haus Harderstraße 21 Geschichte.

Eine Erbengemeinschaft hatte das kleine Gebäude 2018 versteigern lassen. Neuer Eigentümer wurde die Metzgerei Pauleser (Kasing), die gleich nebenan eine Filiale betreibt. Die soll erweitert werden. Immer wieder blieben am Montag Passanten stehen und schauten dem Werk des Baggerfahrers zu; das dreigeschossige Haus war zuletzt kein Schmuckstück mehr (die Verschleißschäden hatten sich gehäuft), bot aber nach wie vor einen vertrauten Anblick.

Der letzte Wirt hieß Christian Dollinger. Er hatte hier im Jahr 2015 seine Furcht-Bar eröffnet, einen Hardrock-Schuppen, wie er ihn nannte. Davor kannte man das Wirtshaus 26 Jahre lang als U2 - eine Hommage an die Band dieses Namens (obgleich es im Lokal musikalisch meist härter zur Sache ging als im Gesamtwerk der vier Iren).

Davor scheint es noch wilder gewesen zu sein: 1985 hatte sich an der Harderstraße 21 Haggis Bierhölleaufgetan. Aber nicht allzu lang. Der jüngste Tag kam schon drei Jahre später.

Sprung ins 19. Jahrhundert: 1888 wurde im "Adreß-Buch" der königlich bayerischen Festungsstadt Ingolstadt ein Kuthscherwirt erwähnt, der Gastwirth (beides korrekt mit h geschrieben) hieß Andreas Salleck. Um die Jahrhundertwende gehörte das Anwesen der Familie Holzapfel. Sie betrieb die Wirtschaft weiter. So hat es ein Nachfahre der Wirtsleute recherchiert, aufgeschrieben und dem DK erzählt.

Der angenommene Sohn der Holzapfels, Georg Forster, heiratete 1910 die Zucheringerin Maria Sebald. Georg Forster und der gemeinsame Sohn, der auch Georg hieß, starben an der Tuberkulose. Der Manchinger Metzgermeister Andreas Finkenzeller heiratete die Witwe und betrieb mit ihr das Gasthaus Zur Kutsche samt Metzgerei bis 1954. Zwei Jahre später verkaufte Maria Finkenzeller das Haus ihrem Schwager Josef Froschmeier. Die Metzgerei bestand bis in die 70er-Jahre fort.

Das Gebäude wurde 1983 umgebaut und renoviert. Im Juli 1984 feierte das Gasthaus unter dem Namen Zur Kutsche Neueröffnung mit einem großen Haxnessen samt einem Freibier für jeden Gast, wie es aus einer Anzeige im DK hervorgeht. Doch es lief nicht gut. Bereits 1985 sperrte der Wirt wieder zu; Haggi übernahm.

Der Heimatforscher Hans Fegert hat die Wurzeln des Kutscherwirts bis ins Jahr 1757 zurückverfolgt. Nach seinen Recherchen (für sein Buch zur Ingolstädter Wirtshausgeschichte) hat die Gaststätte Kutsche seither im Schnitt alle fünf Jahre den Besitzer gewechselt, so dass allein bis 1880 sage und schreibe 30 Inhaber verzeichnet sind. Die Zeit der Wirtschaften ist passé. Nun wird die Metzgereigeschichte an dieser Stelle wieder aufleben.