Drei Jahre Haft für Messerstecherei vor Dönerladen

Angeklagter muss zudem 1000 Euro Schmerzensgeld zahlen - Wirt hat sich vorbildlich verhalten

15.11.2019 | Stand 15.11.2019, 17:15 Uhr

lg

Angeklagter muss zudem 1000 Euro Schmerzensgeld zahlen - Wirt hat sich vorbildlich verhalten

(ty) Von einem Kaufvertrag kann man - unter bestimmten Voraussetzungen - zurücktreten. Aber kann man auch von einer Straftat zurücktreten? Ja, man kann, solange diese noch nicht vollendet ist. Damit soll honoriert werden, wenn ein Täter freiwillig die Tat aufgibt, obwohl er noch weitermachen könnte.

Der 40-jährige Angeklagte ist am frühen Abend des 20. Januar dieses Jahres mit einem 30-jährigen Bekannten in einem Kebap- und Pizzahaus am Hofberg in Pfaffenhofen in Streit geraten und hat ihm mit einem Tafelmesser aus dem Besteckkasten des Lokals das Ohrläppchen durchtrennt sowie einen Schnitt am Hals zugefügt hat. Strafbefreiend vom Versuch des Totschlags zurückgetreten ist er nach Ansicht der 1. Strafkammer des Landgerichts Ingolstadt. Zwar habe der Angeklagte bei seiner Messerattacke den Tod seines Kontrahenten billigend in Kauf genommen und somit vorsätzlich gehandelt, so der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl bei der Urteilsbegründung am Freitag. Dann aber habe er erkannt, dass die Verletzungen seines Gegners nicht tödlich waren. Im Fall eines "unbeendeten Versuchs" genüge es, wenn der Täter freiwillig auf weitere Stiche verzichte, die ihm möglich wären, erläuterte Kliegl die Gesetzeslage und stellte fest: "Genau das hat er getan. "

Nicht mehr zurücktreten konnte der Angeklagte von der Körperverletzung, weil diese mit den Wunden am Ohr und am Hals vollendet war. Auch waren sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung einig, dass eine gefährliche Körperverletzung vorliegt. Bei einer Abweichung von nur wenigen Zentimetern nämlich hätte der Stich wohl tödlich geendet, wie das rechtsmedizinische Gutachten ergeben hatte. Zudem könne, so Richter Kliegl, kein Zweifel bestehen, dass man auch mit einem handelsüblichen Tafelmesser einen Menschen erheblich verletzen könne: Der Fall habe das deutlich gezeigt.

Zugunsten des Angeklagten wertete das Gericht, dass er selbst einen Nasenbeinbruch erlitten hat, nicht vorbestraft ist und beide "Streithähne" zu einer "verabredeten Schlägerei" vor die Tür gegangen sind. Eine "rechtfertigende Einwilligung" des Geschädigten komme nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Todesgefahr aber nicht in Betracht.

Mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren blieb das Gericht nur sechs Monate unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die von der Verteidigung angeregte Feststellung eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung lehnte die Kammer ab und bestrafte den Angeklagten deutlich strenger als seinen Kontrahenten, der ihm vor dem Messerstich eine zum Lokal gehörende Holzbank ins Gesicht geworfen und den das Amtsgericht Pfaffenhofen dafür im Juli zu einem Jahr und sechs Monate auf Bewährung verurteilt hatte. "Bei einem Messerstich in den Hals ist eine Bewährungsstrafe meilenweit entfernt", begründete Richter Kliegl die Entscheidung der Kammer und ergänzte in Richtung des Angeklagten: "So etwas ist nicht hinnehmbar. "

Auch habe sich der Angeklagte nicht in einer Notwehrlage befunden. Eine solche sei denkbar, wenn er den Angriff mit der Holzbank hätte abwehren wollen. Nachdem diese ihn aber bereits getroffen hatte, sei der Angriff nicht mehr "gegenwärtig" gewesen, so Konrad Kliegl. Dabei stützte sich das Gericht auf Aufnahmen der Überwachungskameras im Dönerladen und vor allem auf die Aussage des Betreibers, den die Kammer als "glaubwürdig" einschätzt. Auch habe sich dieser während des gesamten Vorgangs so verhalten, "wie man es von einem Wirt erwartet", lobte der Vorsitzende.

Schließlich wurde auch dem Adhäsionsantrag des Geschädigten stattgegeben. Mit einem solchen Antrag will man dem Opfer einer Straftat die Möglichkeit geben, Schmerzensgeld geltend zu machen - ohne Zivilprozess. Weil seine Ohr- und Halsverletzungen folgenlos verheilt sind und er sich freiwillig auf die Auseinandersetzung eingelassen hatte, sprach ihm das Gericht aber nur 1000 Euro zu.

Von Andreas Müller